Hektik in Brüssel, Krise in Rom, Streik in Athen

Hektik in Brüssel, Krise in Rom, Streik in Athen
Um das Schuldenproblem zu lösen, ist für Kanzlerin Merkel eine Änderung des EU-Vertrages "kein Tabu-Bruch" mehr.

Während in Griechenland alles stillsteht (siehe Bilderstrecke), Moody's die Kreditwürdigkeit Italiens herabstuft (mehr dazu im Hintergrund), in Belgien Sparer ihre Guthaben von Dexia-Banken abheben, dreht sich Europas Krisendiplomatie immer schneller.

In Brüssel herrscht Nervosität, EU-Kommissare und Abgeordnete wirken angespannt und flüchten sich bei der Frage nach dem Krisenmanagement in Worthülsen.

Hinter den Kulissen wird jedoch hektisch über Bankrott-Szenarien Griechenlands verhandelt. Auch wird darüber beraten, wie die Ausweitung der Verschuldung auf ganz Südeuropa verhindert und die Gefahr einer neuerlichen Finanz- und Wirtschaftskrise mit steigenden Arbeitslosenraten verhindert werden kann.

Schuldenschnitt

Ein "Haircut" Griechenlands, also ein teilweiser Schuldenerlass, ist eine realistische Option. Die EU-Kommission interessiert nur noch eine Frage: Reißt so ein Schuldenschnitt Griechenlands die ganze Wirtschaft in die Tiefe? Was passiert mit den Banken und mit Deutschland, der größten Ökonomie der EU? Löst eine hellenische Pleite eine Weltwirtschaftskrise aus wie im Herbst 2008 der Fall der US-Investmentbank Lehman Brothers? Die Antwort von EU-Insidern lautet: "Wir wissen es nicht, die Folgen sind nicht abschätzbar."

Hektik in Brüssel, Krise in Rom, Streik in Athen

Kein Zufall, dass Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch die Spitzen der EU in Brüssel besuchte. Routiniert absolvierte sie eine gemeinsame Pressekonferenz mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Europa stehe am Scheideweg, sagte Merkel. "Um eine Stabilitätsunion zu schaffen, um mehr Verlässlichkeit einzubringen, ist eine Vertragsänderung kein Tabu mehr. Wir müssen die Faktizität rechtlich anpassen." Was damit konkret gemeint ist, ließen sie und Barroso offen.

Merkel und Barroso betonten, dass man sich bei nationalen Zuständigkeiten besser koordinieren müsse als bisher, wobei die Kanzlerin als Beispiel die Steuer- und Sozialsysteme und die Lohnverhandlungen ansprach.

Die Vize-Präsidentin der Kommission, Viviane Reding, beschwichtigte, dass es beim Treffen mit Merkel nicht um einen "griechischen Haircut" gegangen sei. "Es ging um die Zustimmung der Euro-Länder zum Rettungsschirm EFSF, die Rolle Deutschlands und um ein System gegen die Krise. Griechenland darf kein zweites Mal mehr passieren."

Wirtschaftsregierung

In Brüssel gilt es als ausgemacht, dass die Kommission und das EU-Parlament die Wirtschaftsregierung Europas sein werden - und nicht Experten der Mitgliedsländer.

"Was wir jetzt nicht brauchen, ist ein Machtkampf zwischen den EU-Institutionen", stellt entrüstet der liberale EU-Abgeordnete Wolf Klinz fest. Der Deutsche ist Vorsitzender des Krisenausschusses im EU-Parlament und sagt, was der Ausweg aus dem europäischen Dilemma ist: "Wir brauchen neben dem EZB-Präsidenten auch einen europäischen Finanzminister und eine gemeinsame Fiskal- und Steuerpolitik."

EU-Finanzminister sollte der Kommissar für Wirtschafts- und Währungsfragen werden. Dieses Amt hat derzeit der Finne Olli Rehn inne, der von einer Krisensitzung zu nächsten eilt. "Wir stehen vor drei großen Problemen", sagt Rehn: "Einer stagnierenden Wirtschaft, belasteten Staatshaushalten und einem angeschlagenen Bankensektor." Rehns Sprecher kündigte an, dass ein Optionen-Papier über Euro-Bonds kommen wird.

Euro-Krise: Länder in Turbulenzen

Griechenland Staatsverschuldung über 170 Prozent, im dritten Jahr einer Rezession, massive Kürzung bei Löhnen und Sozialleistungen.

Italien Rating soeben um drei Stufen herabgesetzt, hohe Staatsverschuldung, stagnierende Wirtschaftszahlen.
Portugal Defizit höher als erwartet, Firmenpleiten nehmen stark zu. Negativer Ausblick der Ratingagenturen.

Spanien Hohe Arbeitslosigkeit (vor allem Jugend), aber Hoffnung auf Wirtschaftswachstum.

Irland stabilisiert sich langsam.

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