Haftstrafen für die "Finanzmafia"

Haftstrafen für die "Finanzmafia"
Die EU-Kommission will das Strafrecht für Finanzinstitute und Bankmanager neu regeln, die bisherigen Gesetze sind zahnlos.

Als Antwort auf die Finanzkrise, die bisher schon viele Milliarden Euro und Millionen von Jobs gekostet und das Vertrauen in die Märkte erschüttert hat, verlangt die EU-Kommission neue Regeln gegen den Marktmissbrauch der Finanzwirtschaft.

Am 20. Oktober wird EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier die Reform der MAD-Richtlinie präsentieren. MAD, englisch für "verrückt", steht für Market Abuse Directive (Richtlinie gegen Marktmissbrauch). Konkret geht es um den Kampf gegen Insiderhandel und Geschäftspraktiken zur Marktmanipulation.

Schon vor einem Jahr kritisierte die Kommission, dass die bisherigen Regeln und Strafgesetze nicht ausreichen, um die neuen hochkomplexen Finanzprodukte, als auch die Geschwindigkeit, mit der Märkte agieren, zu überwachen.

Dubiose Geschäftspraktiken

Es geht aber auch um die Eindämmung jener Geschäftspraktiken, bei der Finanzinstitute Anlegern Produkte verkaufen, von denen die Banken wissen, dass sie wertlos sind - und dann auch noch gegen diese Produkte wetten. Beim Ausforschen der Ursache der Krise stießen die Behörden weltweit auf unzählige Fälle dieser dubiosen Geschäftspraktiken.

Mit der neuen Richtlinie will die Kommission gegen diese kriminellen Geschäftspraktiken vorgehen und verlangt von den Mitgliedsländern die Einführung "schlagkräftiger und abschreckender Strafen". Diese können sowohl Institute als auch einzelne Bankmanager treffen. Damit seien auch Gefängnisstrafen gemeint, bestätigt ein hoher EU-Beamter dem KURIER.

Marktmissbrauch und speziell Insidergeschäfte, bei denen kursrelevante Information genutzt werden, bevor diese öffentlich bekannt sind, sind im Regelfall nur schwer nachzuweisen. Die Richtlinie soll deshalb den ermittelnden Behörden auf nationaler und auf EU-Ebene auch deutlich mehr Kompetenzen und Einblick in Geschäftsdaten ermöglichen. Vorgesehen ist auch eine Beweislastumkehr - im Zweifel muss das Finanzinstitut beweisen, dass ihr Geschäft rechtlich korrekt ist.

Die Finanzwirtschaft würde eine Verschärfung der Regeln begrüßen. Das ist aus dem Konsultierungsverfahren der Kommission zur Reform der MAD-Richtlinie ersichtlich. Selbst die Londoner Börse oder der Europäische Bankenverband unterstützen die Kommission.

Grobe Bedenken gibt es aber im Detail, etwa was genau künftig als Marktmanipulation gelten soll. Auf Widerstand stößt auch die geplante Beweislastumkehr.

Transparenz

Haftstrafen für die "Finanzmafia"

EU-Abgeordnete warten bereits auf den Richtlinien-Vorschlag. "Es ist allerhöchste Zeit, dass eine bessere Verankerung von Vermögensdelikten im Strafrecht kommt, und das ohne Schlupflöcher", sagt Abgeordnete Evelyn Regner (SPÖ). ÖVP-Abgeordneter Othmar Karas lobt den Vorstoß: "Die EU reagiert damit auf die Veränderung der Märkte, erhöht die Kontrolle, verbessert die Transparenz und führt bessere Strafbestimmungen ein." Karas warnt aber vor dem Widerstand der Staaten bei der Ausweitung der Strafen.

So muss Österreich Brüssels Richtlinie befolgen

Bei den geplanten Maßnahmen der EU-Kommission, im Kampf gegen Marktmissbrauch auch einzelne Bankmanager strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, handelt es sich um eine EU-Richtlinie. Im Gegensatz zu einer EU-Verordnung, die sofort in allen 27 EU-Staaten gültig ist, muss eine EU-Richtlinie erst in österreichisches Recht umgewandelt werden. Wie die Umsetzung erfolgen soll, liegt in der Hand des einzelnen Mitgliedsstaates. Es muss das nationale Gesetzgebungsverfahren durchlaufen werden, dies kann im Schnitt bis zu drei Jahre dauern. Wird eine Richtlinie nicht oder verspätet in nationales Recht umgewandelt, kann die EU den Staat beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) klagen. Bei einer Verurteilung kann es Sanktionen geben.

Grundsätzlich hat die Europäische Union seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages im Dezember 2009 viel mehr Möglichkeiten der Mitsprache: Die Innen- und Justizpolitik wurde in das EU-Vertragswerk aufgenommen. Die Kompetenzen der EU gegenüber den Mitgliedern reichen von Grenzkontrollen ( Schengen), Asyl und Migration bis zur Zusammenarbeit der Justizbehörden in Zivil- und Strafsachen. Es gilt das EU-Prinzip, dass in bestimmten Bereichen in allen Staaten gleiche Rechte und Strafen gelten sollen. Dies ist besonders bei grenzüberschreitenden Fällen wichtig - wie es im europäischen Raum bei den Verflechtungen in der Banken-, Versicherungs- und Börsen-Branche der Fall ist.

Zusätzlich wurde durch den Lissabon-Vertrag das Europa-Parlament besonders auch im Innen- und Justizbereich aufgewertet. Es können Mehrheitsentscheidungen getroffen werden. Dadurch entfällt auch großteils das nationale Vetorecht.

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