Griechisches Chaos in der Verwaltung

Europäische Hilfe für Griechenland: Bei gemeinsamen Projekten finanziert die EU schon 95 Prozent.
Langsame und unnötige Bürokratie hindert die Griechen daran, sogar an EU-Gelder zu kommen, die ihnen zustehen.

Griechenland ist im Kampf gegen die Krise schwer in Verzug. So sehr, dass die Regierung in Athen nun offiziell eine Streckung der EU-Sparauflagen um mindestens zwei Jahre erwirken will.

Regionalkommissar Johannes Hahn könnte am Freitag in Athen etwas bessere Nachrichten für die Griechen haben: Es dürfte den Griechen allmählich gelingen, die EU-Fördermittel abzurufen, die ihnen zustehen. Daran sind sie bisher regelmäßig gescheitert.

Ein Mann mit Bart blickt nach rechts.
"Aber ja, seid's ned so grantig, der war jetzt ein bissl marod, der wird schon wieder" - EU-Kommissar Johannes Hahn findet ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas gar nicht so wenig leutselig, wie manche meinen.

Den Griechen stehen in der Finanzperiode 2007-2013 aus EU-Strukturfonds 20 Milliarden Euro zur Verfügung. Bisher wurden nur 40 Prozent abgerufen. Sogar aus der Periode 2000-2006 sind von 895 bewilligten Projekten 557 Projekte nicht abgeschlossen und verrechnet. Die EU hat bereits den Griechen den Zugang zu Fördermittel erleichtert. Die Rate, die Griechenland für ein EU-gefördertes Projekt zahlt beträgt nur mehr fünf Prozent. Jedes andere Land zahlt 50 oder 25 Prozent aus dem nationalen Budget.

Mit der griechischen Verwaltung geht man in Brüssel hart ins Gericht: "Eine Vielzahl von Verwaltungsengpässen verhindert, dass die Hilfe dort ankommt, wo sie gebraucht wird, nämlich in der Realwirtschaft", heißt es in einem Bericht der EU-Kommission.

Einige Beispiele aus der Praxis:

Kompetenzen Bis vor Kurzem war es nicht üblich, dass es für Projekte einen Letztverantwortlichen gibt. Behördliche Kompetenzen sind oft zersplittert: "Oft brauchte man für ein einziges Projekt bis zu 30 Unterschriften in drei Städten", sagt ein EU-Diplomat.

Grundbuch Nach wie vor gibt es kein ordentliches Grundbuch. Das schreckt Investoren ab, die nicht sicher sein können, ob das Land, auf dem sie ein Werk bauen wollen, ihnen gehört.

Exporte Formalitäten bei Export-Geschäften dauern laut EU-Statistik in Griechenland im Schnitt 20 Tage – doppelt so lange wie im EU-Schnitt.

Lange Fristen Bieter für öffentliche Aufträge warten in Griechenland doppelt so lange wie im EU-Schnitt: ein Jahr. Und das, obwohl die Verwaltung im Vergleich zur Rest-EU doppelt so viele Personentage für Vergabeverfahren aufwendet.

Verfahren Umweltprüfungen nahmen bis zu zwei Jahre in Anspruch. Auf Initiative der EU liegt das Limit nun bei sechs Monaten.

Das Chaos hat oft banale Ursachen: Vieles, was anderswo längst über EDV-Systeme läuft, wird in Griechenland noch händisch erledigt – und auf Papier. "Da sind sie noch lange nicht im 21. Jahrhundert angekommen", sagt ein EU-Beamter.

Fördermittel: 20 Mrd. für Griechen

EU-Topf Die Regionalpolitik ist neben der Landwirtschaft der größte Budgetposten der Union. Die Strukturfonds sind für 2007 bis 2013 mit 300 Milliarden Euro dotiert, davon 20 Mrd. Euro für Griechenland.

Kofinanzierung Bei Projekten, die mit EU-Fördermitteln finanziert werden, muss auch der Staat einen Teil zuschießen. Für Griechenland ist dieser Anteil gesenkt worden, der Schlüssel liegt aktuell bei 95% EU und 5 % Griechenland. Auch eine hundertprozentige EU-Finanzierung für manche Projekte ist bereits im Gespräch.

Reformen: Mehr Zeit und unbegrenzter Rettungsschirm

Ein Mann mit Brille und Hemd schaut in die Kamera.

Die Beschlüsse des letzten EU-Gipfels gehen für den Chef des WIFO, Karl Aiginger, zwar in die richtige Richtung. Doch der Euro-Rettungsschirm sei nach wie vor zu klein. "Es sollte einen unendlich großen Rettungsschirm geben", sagte Aiginger. Beispielsweise indem man den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM mit einer Banklizenz ausstatte.

Nur mit einem unbegrenzten Rettungsschirm würden die Schuldnerstaaten von den Finanzmärkten die nötige Zeit bekommen, die begonnen Reformen auch wirklich umzusetzen. Dass der Reformwille in Spanien, Italien & Co. dadurch abnehmen würde, glaubt Aiginger nicht. Der Gang unter den Rettungsschirm müsse mit entsprechenden Auflagen verbunden sein.

Der WIFO-Chef sprach sich zudem für den Verbleib der Griechen in der Eurozone aus. "Es ist besser das Haus zu reparieren, als es abzureißen." Bei einem Austritt würde das hellenische Bankensystem kollabieren, warnte der griechische Ökonom Yannis Katsoulacos am Donnerstag bei einer Veranstaltung des WIFO in Wien. Aiginger: "Die EU, deren Banken massiv mit jenen in Griechenland vernetzt sind, müsste mit Milliardensummen einspringen."

"Wir müssen noch viel tun, um in der Eurozone zu bleiben", sagte Katsoulacos. "Aber das braucht Zeit. Mehr als uns derzeit zugestanden wird."

So sieht das auch die Regierung in Athen. Am Donnerstag teilte das Finanzministerium mit, die Sparauflagen (Einsparungen in Höhe von 11,5 Milliarden Euro 2013 und 2014) um zwei Jahre strecken zu wollen.

Jagd nach falschen Rentnern

Viele Griechen erschleichen sich nach wie vor die Pensionen verstorbener Verwandter. Laut dem Chef der größten Rentenkasse IKA, Rovertos Spyropoulos, seien es wohl mehrere Tausend. Die Kontrollen sollen nun entsprechend weiter intensiviert werden.

Die Krankenkasse nimmt außerdem vermeintlich Blinde ins Visier. Denn auf einigen Inseln würden überdurchschnittlich viele Blinde leben. Erste Kontroll-Erfolge gebe es auf der Insel Zakynthos: Von angeblich 700 Betroffenen waren tatsächlich nur 60 wirklich blind.

Kaum Fortschritt gibt es hingegen bei den von Athen versprochenen Privatisierungen. Heuer wird nur die staatliche Lotterie und ein Staatsgebäude verkauft, räumte der Chef der zuständigen Behörde, Kostas Mitropoulus, ein. Als Grund nannte er Verzögerungen in den Behörden, vor allem durch die Wiederholung der Parlamentswahl. Das Ziel, 2012 mehr als drei Milliarden Euro auf diesen Weg aufzubringen, wird also deutlich verfehlt. Bis 2015 sind 19 Milliarden angestrebt.

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