Griechenland-Krise macht ATX zu schaffen

Griechenland-Krise macht ATX zu schaffen
Wiener Börse schwächelte am Nachmittag weiter - umsatzstärkste Aktie war die Erste Group.

Wie alle übrigen europäischen Aktienmärkte muss auch die Wiener Börse die Eskalation im Konflikt der EU und des IWF mit Griechenlands büßen. Die Handelswoche startete am Monatg tiefrot. Der österreichische Leitindex ATX notierte um 9.15 Uhr bei 2.407,54 Zählern um 102,02 Punkte oder 4,07 Prozent unter dem Freitag-Schluss (2.509,56). Bisher wurden 1.128.330 (Vortag 235.242) Aktien gehandelt (Einfachzählung). Rund eine halbe Stunde später verringerte sich das Minus des ATX auf 3,18 Prozent.

Damit folgte der ATX den übrigen Indizes in die Verlustzone, nachdem der griechische Premier Alexis Tsipras am Wochenende unerwartet ein Referendum über die Sparbedingungen der Gläubigerstaaten für nächsten Sonntag angekündigt hatte. Wie auch an den anderen Börsen kamen in Wien die Finanzwerte unter Druck, so verbilligten sich Raiffeisen Bank International (RBI) um 7,19 Prozent und Erste Group um 4,94 Prozent. In einem europäischen Branchenvergleich notierten Bankaktien um 5,8 Prozent tiefer. Kurz vor 10.00 Uhr verbesserte sich RBI-Aktie leicht und lag bei minus 5,24 Prozent, die Aktie der Erste Group bei minus 4,84 Prozent und die Vienna Insurance Group (VIG) bei minus 4,79 Prozent und die Uniqa bei minus 3,10 Prozent.

Der Börsen-Nachmittag

Am Montagnachmittag zeigte sich die Wiener Börse weiter geschwächt. Der ATX wurde um 14.15 Uhr mit 2.439,14 Punkten errechnet, das ist ein Minus von 70,42 Punkten bzw. 2,81 Prozent. Das bisherige Tageshoch verzeichnete der ATX zur Eröffnung bei 2.509,12 Punkten, das Tagestief lag wenige Minuten darauf bei 2.380,73 Einheiten.

Umsatzstärkstes Papier

Der ATX Prime notierte mit einem Minus von 2,60 Prozent bei 1.233,40 Zählern. Um14.15 Uhr notierten im prime market vier Titel mit höheren Kursen, 35 mit tieferen und keiner unverändert. In zwei Aktien kam es bisher zu keiner Kursbildung. Bis dato wurden im prime market 4.580.624 (Vortag: 2.080.964) Stück Aktien umgesetzt (Einfachzählung) mit einem Kurswert von rund 149,295 (67,17) Mio. Euro (Doppelzählung). Umsatzstärkstes Papier war kurz nach 15.00 Uhr die Erste Group mit 1,741 Millionen gehandelten Aktien(Doppelzählung), was einem Geldumsatz von rund 44,165 Millionen Euro entspricht. Das Kursminus betrug zu der Zeit 3,61 Prozent.

Deutscher Aktienmarkt stark betroffen

Die Eskalation der Griechenland-Krise lastet auch schwer auf dem deutschen Aktienmarkt. Nach dem optimistischen Kursfeuerwerk in der Vorwoche folgt im DAX am Montag nun die Ernüchterung. Im deutschen Leitindex zeichnet sich ein massiver Rückschlag um knapp 550 Punkte oder 4,74 Prozent auf 10.945 Punkte ab. Dem EuroStoxx 50 droht aktuell ein Einbruch um über 5 Prozent.

Im Zeichen des "Nervenkrieges"

Die Devisenmarktexperten der Commerzbank erwarten die neue Woche nun ganz im Zeichen eines "Nervenkrieges um die Volksabstimmung in Griechenland". "Erst der Ausgang der Volksabstimmung am Sonntag entscheidet endgültig über die Mitgliedschaft Griechenlands in der Währungsunion."

Marktexperte Daniel Saurenz von Feingold Research rechnet entsprechend zunächst mit deutlichen Verlusten im Dax: "Ein Einbruch bis 11.000 Zähler ist denkbar und ein schwarzer Montag möglich. Allerdings hat sich an den Fakten wenig geändert - Griechenland bleibt pleite und es geht nun darum, ob das Ende mit Schrecken kommt", schränkte er ein.

"Eines steht wohl fest - der Handelstag wird ausgesprochen volatil werden mit ungewissem Ausgang." Dies zeigte sich vorbörslich bereits mit heftigen Schwankungen des Dax um 11.000 Punkte. "Danach jedoch werden die Investoren wieder Vertrauen fassen, denn US-Zinsen und ein Brexit sind langfristig wichtiger", sagte Saurenz mit Blick auf die angekündigte Abstimmung der Briten über den Verbleib des Landes in der Europäischen Union (EU).

"Grexit"-Möglichkeit gesunken

Die Gefahr eines "Grexits", also des Ausstiegs der Griechen aus der Währungsunion, sieht Wortschöpfer Ebrahim Rahbari von der US-Investmentbank Citigroup sogar gesunken. Er rechnet bei der Volksabstimmung in Griechenland mit einer "komfortablen Mehrheit" für die von den Geldgebern geforderten Reformen und einen Verbleib im Euro.

Besonders schwach erwarteten Börsianer die Finanzwerte - allen voran die Papiere der Deutschen Bank mit einem Abschlag von fast 8 Prozent. Die Financial Times berichtete, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) dem Co-Chef Anshu Jain im Zusammenhang mit den Untersuchungen des Libor-Skandals Irreführung vorwerfe. Nachdem Jains Abschied ohnehin feststehe, sei dies einem Händler zufolge zwar "kein Schocker mehr". Der Brite John Cryan ersetzt zum 1. Juli Jain als Co-Chef. "Der Bericht ist aber neben Griechenland ein weiterer Stimmungsdämpfer", fügte der Börsianer an.

Asiatische Aktienmärkte auf Talfahrt

An den asiatischen Aktienmärkten ging es bereits merklich abwärts. Der Nikkei-225-Index in Tokio fiel um mehr als 2 Prozent. Besonders die Aktien von Unternehmen, die viel in die Eurozone exportieren, büßten ein. So verlor der Elektrowerkzeug-Hersteller Makita rund 4 Prozent an Wert.

In Sydney sackte der S&P/ASX 200-Index ebenfalls zeitweise um zwei Prozent ab. Das entsprach einem Verlust von rund 35 Milliarden australischen Dollar im australischen Aktienmarkt (gut 24 Mrd. Euro).

Im Stadtstaat Singapur büßte der Straits Times-Index mehr als ein Prozent ein. Der Aktienmarkt lag am Vormittag bei rund 3280 Punkten. Er war schon vergangene Woche wegen der Griechenland-Sorgen unter Druck.

Euro gab nach

Der Euro gab am Montag wie erwartet nach. Das Minus hielt sich mit einem Abschlag von rund eineinhalb Cent allerdings in Grenzen. Um 5 Uhr kostete ein Euro 1,1012 Dollar, nachdem er am Freitagabend bei rund 1,1160 Dollar gestanden hatte. In den ersten Handelsstunden der Woche war der Euro zeitweise auf 1,0955 Dollar gefallen. Experten machten die jüngste Eskalation in der griechischen Krise für den Kurssturz verantwortlich.

Trotz der deutlich fallenden Kurse rechnen Börsenexperten allerdings nicht mit einem Crash am Aktienmarkt. Schon bald dürfte sich der Blick auf die für kommenden Sonntag geplante Volksabstimmung in Griechenland richten, meinten Ökonomen. Mit der Ankündigung dieses Referendums über mögliche Reformen hatte der griechische Regierungschef Alexis Tsipras die Gläubiger düpiert.

Ölpreis gefallen

Die Ölpreise sind am Montag angesichts der dramatischen Entwicklung in Griechenland im asiatischen Handel gefallen. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im August kostete zuletzt 62,49 US-Dollar (55,79 Euro). Das waren 77 Cent weniger als zum Handelsschluss am Freitag.

Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) sank um 89 Cent auf 58,74 Dollar.

Der immer wahrscheinlicher werdende Austritt Griechenlands aus der Eurozone lastet auch auf den Ölpreisen. Anleger mieden in Phasen hoher Unsicherheit riskantere Anlageformen, sagten Händler. Zuletzt waren viele Finanzinvestoren am Markt aktiv. Zudem macht der gestiegene Dollarkurs Rohöl für Anleger aus der Eurozone teurer.

Weiterführende Artikel

Nach dem Scheitern der Schuldengespräche wächst die Sorge vor einem unmittelbar bevorstehenden Ansturm auf griechische Banken und Kurseinbrüchen an den Finanzmärkten. Die Regierung in Athen rief die Bürger am Sonntagabend zur Ruhe auf und erklärte, die Bankguthaben der Griechen seien sicher. Zugleich wird aber der freie Kapitalverkehr beschränkt, die Banken bleiben am Montag geschlossen.

Experten fürchten, dass ansonsten viele Griechen und Firmen aus Angst vor einem Euro-Austritt und einer Rückkehr zur Drachme ihre Konten leer räumen. Ökonomen schätzen die Lage so ein:

NICOLAUS HEINEN, DEUTSCHE BANK:

"Mit einer solchen Wendung haben nur wenige gerechnet. Kapitalverkehrskontrollen, vor allem aber die hohe Unsicherheit der kommenden Wochen und Monate dürften die letzte Hoffnung auf eine wirtschaftliche Erholung in Griechenland zunichtemachen. Ein Staatsbankrott Griechenlands bedeutet nicht automatisch Grexit. Im besten Fall könnten die Entwicklungen dieser Tage nun dazu führen, dass Europa einen Insolvenzmechanismus für Staaten entwickelt - ganz so, wie die erste Griechenlandkrise vor fünf Jahren zu einem Rettungsmechanismus für Staaten führte.

Spannend bleibt, ob und wie andere populistische Kräfte in Europa von den Entwicklungen profitieren. Die Polarisierung zwischen etabliertem Lager und Populisten dürfte in den kommenden Monaten weiter steigen."

JOHANNES MAYR, BAYERNLB:

"Das ist eine dramatische Zuspitzung - aber weder der Grexit noch die Staatspleite sind zwingend. Es hängt sehr davon ab, wie das Referendum ausgeht. Wenn es zu einer Ablehnung kommt, wäre Griechenland auf schiefer Ebene unterwegs in Richtung Euro-Abschied. Wir rechnen aber mit einer knappen Zustimmung und einem zügigen neuen Hilfsprogramm.

Die EZB hat die Kapitalverkehrskontrollen praktisch erzwungen, indem sie die Notfallkredite an griechische Banken nicht weiter erhöht hat. Wenn die EZB sie wieder aufstockt nach einem positiven Votum der Griechen, dann wären sie in diesem Umfang nicht mehr notwendig. Die Folgen für die Wirtschaft sind sehr negativ. Durch die Kapitalverkehrskontrollen werden die Geschäfte von Unternehmen und deren Abwicklung über die Banken behindert. Das dürfte die Konjunktur weiter beschädigen.

Die direkten Folgen für die Wirtschaft in der Euro-Zone und Deutschland dürften begrenzt sein - Griechenland ist zu klein, die Handelsverflechtungen zu gering. Man muss aber abwarten, wie stark die Marktturbulenzen sein werden. Denn die könnten auf die Realwirtschaft durchschlagen."

JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:

"Letztendlich entscheidet das Referendum am Sonntag darüber, ob Griechenland in der Währungsunion bleibt. Wenn sich die Griechen dafür aussprechen, kann die Staatengemeinschaft ein solch demokratisches Votum nicht übergehen. Dann werden die Verhandlungen wieder aufgenommen. Bei einem negativen Votum kommt es dagegen zum Grexit. Man wird erst am Ende dieser turbulenten Woche anhand der Meinungsumfragen erahnen können, wie die Griechen abstimmen werden. Bis dahin tobt ein Nervenkrieg.

Die Kapitalverkehrskontrollen reichen zunächst erst einmal aus, um das Schlimmste zu verhindern. Es gibt noch Reserven. Aber die Kontrollen behindern die Wirtschaft, ebenso wie die von der Syriza geschaffene Unsicherheit. Das ist wirtschaftlich ein verlorenes Jahr für Griechenland. Für Deutschland spielt das keine Rolle. Nicht einmal ein Prozent der deutschen Exporte gehen dorthin."

HOLGER SCHMIEDING, CHEFVOLKSWIRT BERENBERG BANK:

"Für Griechenland wird es jetzt ganz schwierig. Europa versucht, den Schaden für andere Euro-Länder zu begrenzen. Das wird mit großer Wahrscheinlichkeit gelingen. Die EZB hat bereits erklärt, dass sie die Lage an den Finanzmärkten genau verfolgt und notfalls eingreifen wird. Bei größeren Turbulenzen, die der Konjunktur gefährlich werden könnten, könnte die EZB ihre Anleihekäufe zeitlich nach vorne ziehen oder aufstocken. Sie könnte auch Anleihen bestimmter Länder wie Spanien und Italien früher kaufen. Sie könnte noch deutlicher darauf verweisen, dass es das ultimative Sicherheitsprogramm - das sogenannte OMT-Programm - auch noch gibt.

Es dürfte deshalb so schlimm nicht werden. Alle hatten fünf Monate Zeit, um Tsipras zu beobachten. Deshalb ist man darauf vorbereitet."

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