Griechenland: Euro-Befürworter setzen sich durch

Antonis Samaras spricht in einem Gedränge in ein Mikrofon.
Aufatmen in Europa: Das Pro-Euro-Lager siegt bei der Parlamentswahl. Die Konservativen wollen eine breite Koalition.

Nur ein paar hundert Anhänger haben sich zur Siegesfeier auf Athens zentralem Syntagma-Platz eingefunden. Griechenlands konservative Nea Dimokratia hat die Parlamentswahlen gewonnen, doch nach heftigem Jubel ist hier kaum jemandem zumute. "Wir sind nur froh, dass wir wenigstens wieder eine Regierung haben werden", äußert sich eine Gruppe junger Mädchen erleichtert.

Deutlicher als erwartet, mit 29,7 Prozent der Wählerstimmen, hängten die Konservativen ihre Gegner von der radikal-linken SYRIZA ab. Diese holte zwar 26,9 Prozent, wird aber als zweitstärkste Kraft im Land zur Erleichterung Europas nicht die neue Regierung bilden.

Denn zusammen mit der sozialistischen PASOK (12,3 Prozent), dem früheren Todfeind, würden die Konservativen auf eine absolute Mehrheit kommen. Die PASOK aber sagte am Wahlabend, bei einer Koalition müsse auch SYRIZA beteiligt sein. Dennoch stieg der Eurokurs in Asien nach Bekanntwerden der ersten Wahlergebnisse auf den höchsten Wert seit drei Wochen.

Noch am Sonntagabend erklärte Nea-Dimokratia-Chef Antonis Samaras die Konservativen zum Wahlsieger. "Die griechischen Wähler haben sich heute für den Verbleib in der Eurozone ausgesprochen", sagte Samaras. "Die Position Griechenlands muss damit nicht mehr hinterfragt werden. Wir haben nun keine Zeit mehr zu verlieren und werden eine Regierung der nationalen Rettung bilden." Alle Parteien, die für die Fortsetzung des Sparkurses und damit für den Verbleib des Landes in der EU eintreten, lud Samaras zur Mitarbeit in der künftigen Regierung ein.

Zum Wahlsieg hatten Samaras weniger seine glühenden Anhänger geführt, denn Millionen griechischer Vernunftwähler. So wie die weit über 80-jährige Sofia Lazaridis. Noch keuchend von den Stufen, über die sie sich ins Wahllokal einer heruntergekommenen Grundschule in Athens Stadtteil Patission gequält hat, ringt sie um Worte."Ich kann sie ja alle nicht mehr sehen, diese Diebe. Unsere Politiker haben uns arm gemacht", schimpft die Pensionistin.

Den Wahl-Ticker zu den ersten Hochrechnungen bis zum Sonntagabend von KURIER.at finden Sie hier zum Nachlesen.

Das geringere Übel

Alexis Tsipras spricht bei einer Pressekonferenz in ein Mikrofon.

"Aber wenn wir jetzt diese linken Teufeln von SYRIZA kriegen, wird alles noch viel schlimmer. Deshalb und nur deshalb habe ich zum ersten Mal überhaupt für die Konservativen gestimmt."

Wie Lazaridis dürften viele Griechen gestern der schwer angeschlagenen Nea Dimokratia nur deshalb ihre Stimme gegeben haben, um zwischen zwei Übeln das geringere zu wählen. Denn sowohl die konservative Nea Dimokratia als auch die zur Kleinpartei zusammengeschrumpfte sozialistische PASOK haben in den Augen der meisten Griechen das Land überhaupt erst in den Abgrund geführt.

Weitere Kürzungen, weitere Entlassungen von Staatsbediensteten, weitere schmerzliche Reformen werden dem Land nicht erspart bleiben, befürchten die meisten Griechen. Doch mitten in der Krise auch noch aus der Eurozone geworfen zu werden, erscheint ihnen als das schlimmste aller Zukunftsszenarien.

"Wenn es mit dem Euro nicht geht, dann müssen wir es eben wieder mit der Drache versuchen", meint hingegen die 25-jährige Eleni. Wenn dies der Preis sein sollte, nicht länger an die harschen Sparvorgaben aus Europa gebunden zu sein, will ihn die junge Athenerin notgedrungen zahlen. Seit einem Jahr ist sie arbeitslos. Mit ihrer kargen staatlichen Unterstützung greift sie auch noch ihrem jüngeren Bruder unter die Arme, der ebenfalls seit Monaten vergeblich auf Jobsuche ist.

Ihre Stimme haben Eleni und ihr Bruder am Sonntag der linksradikalen SYRIZA-Partei gegeben – in der vagen Hoffnung, wie es Parteichef Alexis Tsipras versprach, dass Griechenland keine Schulden mehr ans Ausland zahlen muss und sein Geld stattdessen in die eigene Wirtschaft stecken kann.

Fast alle jungen Wähler, die am Sonntag das Wahllokal in der Patission-Straße verließen, taten es ihnen gleich. Von SYRIZA erhofften sie sich Rettung aus der wirtschaftlichen Not, das Ende einer Jugendarbeitslosigkeit von mehr als 50 Prozent und einen politischen Neubeginn.

"Die bluffen doch nur"

Das drohende Donnergrollen aus Berlin und Brüssel war scheinbar ungehört verpufft. "Sie werden Griechenland nicht aus der Eurozone rauswerfen. All dieses Gepolter, dass wir untergehen, wenn wir Tsipras und das Ende des Spardiktats wählen – das ist alles die Angstpropaganda der Konservativen. Die bluffen doch nur", ist Evripides Grigoriu überzeugt.

Dass im Falle eines Sieges von SYRIZA sofort die griechischen Bankinstitute gekracht hätten, glaubt der Taxifahrer nicht. Sein Geld – "das wenige, das ich noch habe" – liege jedenfalls noch immer auf der Bank. "Sein Vermögen abheben, wer macht das schon?", lacht der Taxler bitter, "das können sowieso nur die Reichen. Die hätten besser früher ihre Steuern bezahlt. Dann wären wir erst gar nicht dorthin gekommen, wo wir heute sind."

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