Griechen-Pleite rückt immer näher

Griechen-Pleite rückt immer näher
Die Euro-Staaten diskutieren einen Schuldenerlass von 60 Prozent, Merkel und Sarkozy versprechen Banken-Hilfe.

Angela Merkel und Nicolas Sarkozy versuchten am Sonntagnachmittag die Quadratur des Kreises. Die deutsche Kanzlerin und der französische Staatspräsident einigten sich in Berlin auf ein "Gesamtpaket" zur Lösung der Euro-Schuldenkrise und zur Stützung der europäischen Banken. Details nannten sie freilich nicht, diese wollen sie bis Ende Oktober nachliefern. Beide unterstrichen, dass Griechenland in der Eurozone bleiben soll. Über dessen Staatspleite sprachen sie nicht.

Zuvor hatten sich die Hinweise auf einen drastischen Schuldenschnitt für Griechenland verdichtet. In der Euro-Gruppe, darunter im Finanzministerium in Berlin, werden bereits Szenarien für einen "Haircut" von bis zu 60 Prozent durchgespielt. Griechenlands Gläubiger müssten dann auf mehr als die Hälfte ihrer Forderungen verzichten. Dies wäre nach den Regeln der Märkte eine Staatspleite.

Unterdessen meldete sich auch der britische Premier David Cameron zu Wort und warnte vor einer "wirtschaftlichen Katastrophe". In einem am Montag erscheinenden Interview der Financial Times appellierte Cameron vor allem an Deutschland und Frankreich, ihre Meinungsverschiedenheiten zu begraben und kollektive Verantwortung zu übernehmen. "Die Lage der Weltwirtschaft ist sehr prekär", sagte Cameron. Entweder werde dafür gesorgt, dass die Eurozone richtig funktioniere oder sie könnte scheitern.

Enttäuscht

Die "Troika"-Vertreter von Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission zeigten sich vor Abschluss ihrer Prüfmission in Athen mehr als unzufrieden mit den Reformanstrengungen der Griechen. Die effektiv eingeleiteten Reformen reichten, so IWF-Vertreter Poul Mathias Thomsen, nicht aus. EU-Prüfer Matthias Mors kritisierte, dass zwar Gesetze beschlossen worden seien, die Strukturen für die Umsetzung aber fehlten. EU-Kommissions-Präsident José Manuel Barroso warnte vor einer Pleite Griechenlands, die den Wohlstand im gesamten Euro-Raum gefährde.

Zwischen Berlin und Paris hatte es im Vorfeld des Treffens Merkel - Sarkozy noch große Differenzen gegeben. Frankreich, dessen Banken unter viel größeren Risiken aus Anleihen von Schuldenstaaten leiden als die deutschen, will den Konkurs Griechenlands durch weitere Finanzspritzen der EU hinauszögern. Im Fall einer Pleite Griechenlands drängte Paris bisher auf eine EU-Auffanglösung für die angeschlagenen Banken.

Deutschland dagegen will bisher als größter Nettozahler der EU und für den Rettungsschirm EFSF den Banken nur im äußersten Notfall helfen und besteht auf einem Dreistufen-Plan: Erst wenn die Banken nicht mehr aus eigener Kraft das notwendige Kapital aufbringen können und wenn auch die nationalen Mittel nicht reichen, soll der Euro-Rettungsfonds EFSF einspringen. Weitere Griechenland-Hilfen ohne reale Fortschritte dort kann Merkel innenpolitisch kaum noch vermitteln.

Am Sonntag war im Vorfeld des Treffens dann folgender Kompromiss im Gespräch: Sarkozy wehrt sich nicht mehr entschieden gegen die Insolvenz Griechenlands, dafür kommt Merkel den schwer angeschlagenen französischen und italienischen Banken mit gemeinschaftlicher Hilfe etwas entgegen.

Staatsgeld für Banken

Dies könnte durch die von Paris und der EU-Kommission schon länger geforderte Aufnahme neuer, gigantischer Fremd-Mittel durch den EFSF erfolgen, was dessen Haftungsrahmen und den der Euro-Länder stark erhöhen würde. Um das etwas zu kaschieren, könnten zuvor die fünf größten französischen Banken eine vom Staat geleistete Kapitalerhöhung von insgesamt zehn bis 15 Milliarden Euro und damit noch mehr Staatseinfluss als bisher akzeptieren. Dies könnte auch für deutsche Großbanken wie die exponierte teilverstaatlichte Commerzbank gelten.

All das wollten Merkel und Sarkozy am Sonntag vor der Presse in Berlin aber weder bestätigen noch dementieren. Das Gesamtpaket müsse in Einzelheiten noch ausgearbeitet und vorher den Partnern der Eurozone präsentiert werden, wich Sarkozy auf die Fragen von Pariser Journalisten so aus wie Merkel auf die der Berliner. Das Paket soll beim G-20-Gipfel in Cannes Anfang November präsentiert werden, zusammen mit einer "neuen Vision für Europa".

Daraus zogen die Anwesenden den Schluss, dass eine neuerliche Änderung der Europäischen Verträge immer wahrscheinlicher wird.

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