Glaubenskampf um Bildungskarenz

Eine Person liest in einer Hängematte am See bei Sonnenuntergang.
Immer mehr Menschen lassen sich temporär vom Job freistellen. Die WKÖ ruft nach Leistungskontrollen, AK und ÖGB nach einer Ausweitung des Programms.

Jahrelang wurde der Bildungskarenz wenig Beachtung geschenkt, die Nachfrage war gering. Mit Beginn der Finanzkrise 2008 änderte sich das schlagartig.

Seit damals nutzen immer mehr Beschäftigte die Möglichkeit, mit ihrer Firma ein Ruhen der Arbeit von bis zu einem Jahr zu vereinbaren. Derzeit sind rund 8300 Menschen in Bildungskarenz; vor allem Frauen und ohnehin schon besser Ausgebildete, sagte der Sozialpolitik-Experte Rolf Gleißner von der Wirtschaftskammer im Ö1: "Die Zahl der Inanspruchnahmen hat sich verfünffacht".

Keine Kontrollen

Die Bildungskarenz soll Beschäftigten die Möglichkeit geben, etwas dazuzulernen und das finanziell einigermaßen abgesichert. Viele nützen die Möglichkeit aber einfach, um eine Auszeit vom Job zu nehmen. Seit ein paar Jahren dürfte noch ein anderes Motiv dazukommen, nämlich Mitarbeiter in Krisenzeiten eine Zeit lang nicht bezahlen zu müssen.

Während der Bildungskarenz bekommt man Weiterbildungsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes vom Arbeitsmarktservice. Finanziert wird das aus Arbeitslosenversicherungsbeiträgen. Nach Angaben des Experten Gleißner habe die Bildungskarenz 2011 76 Millionen Euro gekostet. Kontrollen gibt es aber keine. "Was der in dem einen Jahr, in dem er Weiterbildungsgeld bezieht, tut, kontrolliert keiner. Da kann er tun, was er will. Er kann sich einen neuen Job suchen, eine Weltreise machen, was auch immer. Das sind Dinge, die abgestellt werden sollten, denn das ist nicht im Sinne des Erfinders."

Einschränken oder ausweiten?

Grundsätzlich hält der Wirtschaftskammer-Experte das Modell der Bildungskarenz für sinnvoll, die Millionen Euro sollten aber effizienter eingesetzt werden. Gleißner fordert daher, dass die Bildungskarenz viel stärker an den Inhalten, die der Arbeitsmarkt benötigt, ausgerichtet werden soll. Die Wirtschaftskammer will die Bildungskarenz daher nach dem Vorbild der dualen Ausbildung einer Lehre gestalten. "Sodass die Leute während der Bildungskarenz nicht ganz weg sind vom Arbeitsmarkt, sondern dass man es ermöglicht, dass sie ihre Arbeitszeit zum Beispiel halbieren und während der ausfallenden Arbeitszeit eine Ausbildung absolvieren", schlägt Gleißner vor.

Die Arbeiterkammer weist dies zurück. Im Gegenteil: Bildungskarenz sei für niedrige Einkommensbezieher kaum leistbar, da sie rund 450 Euro Weiterbildungsgeld im Monat bekommen. Das sei zu wenig, sagte Gernot Mitter von der AK und forderte die Anhebung des Mindestsatzes von 14,50 Euro pro Kalendertag auf deutlich mehr als 20 Euro. Leistungskontrollen und mögliche Sanktionen sind für die AK völlig undenkbar.

Der ÖGB forderte wiederum einen Rechtsanspruch auf Bildungskarenz. "Es darf nicht von der Gnade des Arbeitgebers abhängen, wer sich weiterbilden darf und wer nicht", sagte der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz. Eine Kontrolle durch die Arbeitgeber lehnte er ab.

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