Gier an der Wall Street lässt Milliarden verpuffen

Anschrift von Archegos Capital in New York: 888 7th Avenue
Absturz von „Archegos Capital“: Großbanken müssen Kredite abschreiben

Goldman Sachs, Morgan Stanley, Credit Suisse, UBS, Nomura, oder die Deutsche Bank – viele der ganz großen Namen sind mit von der Partie. Sie hätten es besser wissen müssen. Doch wieder einmal dürfte die Gier größer als die gebotene Vorsicht gewesen sein.

Der New Yorker Hedgefonds „Archegos Capital“ befindet sich in einer extremen Schieflage. Sein Chef, Bill Hwang, musste Aktien im Wert von 20 bis 30 Milliarden US-Dollar (je nach Quelle) abstoßen, um die ärgsten Löcher zu stopfen. Das hat zu herben Kursverlusten bei Finanztiteln weltweit geführt und die US-Börsenaufsicht SEC auf den Plan gerufen. Die Causa verhagelt die Bilanzen der involvierten Banken und drückt ihr Rating, wie bei der Credit Suisse. Wie weit ein Dominoeffekt eintritt und die Finanzmärkte inmitten der Pandemie nervös werden, ist fraglich. Klar ist, Archegos erinnert stark an frühere Fälle.

Der berühmteste war zweifelsohne der Beinahe-Kollaps von Long-Term Capital Management 1998, dem damals größten Hedgefonds der Welt. Er hatte sich mit Zinswetten verspekuliert und musste mit Milliarden gerettet werden.

Zehn Jahre später kollabierte die US-Investmentbank Lehman Brothers und löste eine globale Finanzkrise aus. Ihr fielen nach Schätzungen auch 1.500 Hedgefonds zum Opfer. Letztlich wurde aus der Finanzkrise auch eine Euro- und Staatsschuldenkrise, die teils bis heute nachwirkt.

Maximales Risiko

Was machen Hedgefonds eigentlich? Der Begriff verwirrt, denn unter dem englischen „Hedging“ versteht man in erster Linie Geschäfte zur Absicherung gegen Kursausschläge z. B. bei Währungen. Hedgefonds machen jedoch das Gegenteil. Sie maximieren den möglichen Ertrag, in dem sie nicht nur eigenes Geld in Geschäfte mit Derivaten, Swaps u. a. stecken, sondern auch Kredite aufnehmen, um den Einsatz zu erhöhen. Die Banken kassieren dafür Provisionen und verdienen am Geschäft der Hedgefonds mit – solange es läuft. Wenn es nicht mehr läuft, kann das eine Kettenreaktion auslösen, da gewaltige Beträge eingesetzt werden. Hier schließt sich der Kreis zu Archegos Capital und Bill Hwang.

Spätestens als er seinen Nachschusspflichten gegenüber den Banken nicht mehr nachkommen konnte, begann das Kartenhaus einzustürzen. Laut Schätzungen hatten zehn Banken zuletzt Kredite von rund 50 Milliarden Dollar bei Archegos ausstehend.

Heimische Banken sind laut Finanzmarktaufsicht nicht darunter. Doch auch Häuser wie Goldman Sachs hätten gewarnt sein müssen. Die Bank machte jahrelang keine Geschäfte mehr mit Hwang. Er war 2012 über Insiderhandel und Marktmanipulation mit chinesischen Aktien gestolpert und galt an der Wall Street als Persona non grata. Doch 2018 ging es wieder los.

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