Gaststätten: Sperrstund’ für ein Steuerprivileg

Der Hotelier kann ein Loblied aufs Finanzministerium singen: Seit dem Jahr 2000 nutzte ein Beherbergungsbetrieb in Tirol die Möglichkeit der steuerlichen Pauschalierung von Umsatz- und Einkommenssteuer – sehr zu seinen Gunsten. Bei einer Betriebsprüfung flog auf, dass die Pension nur ein Zehntel des Gewinnes, der sich auf Basis der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ergeben hätte, versteuert hat. Völlig legal. Die Steuerersparnis belief sich immerhin auf durchschnittlich 90.000 Euro pro Jahr.
Kein Einzelfall, wie auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) feststellte. Er hob in der Vorwoche die sogenannte Gaststätten-Verordnung des Finanzministeriums als gesetzeswidrig auf. "Der auf Grundlage dieser Regelung ermittelte Gewinnbetrag hat in einer großen Anzahl von Fällen nichts mehr mit den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen zu tun", heißt es in der Begründung.
Kritisiert wird ferner, dass die für die Pauschalierung herangezogenen Erfahrungswerte nicht erklärbar seien. Als Basis für die sehr günstige Steuerregelung dient eine Erhebung aus dem Jahr 1993. Selbst aus Gastronomiekreisen heißt es, die Regelung sei "in die Jahre gekommen". Für Steuerexperte Karl Bruckner war die Pauschalierung schlicht "zu simpel", weshalb sie vielen Betrieben Steuerersparnisse brachte.
Laut VfGH muss die Verordnung bis Jahresende repariert werden. Über das Wie wird bereits heftig gestritten. "Die Pauschalierung an sich soll bleiben", beharrt Thomas Wolf vom Fachverband der Gastronomie. Wenn ein Gewinndurchschnitt über alle Betriebsarten zu grob sei, müsse man die Kriterien eben verfeinern. "Wenn man uns einlädt, bringen wir gerne unsere Expertise ein."
Bruckner plädiert für eine "differenzierte Regelung" wie es sie etwa bei Drogisten oder Einzelhändlern gibt. Die Arbeiterkammer (AK) will die Pauschalierung gleich ganz kippen. "Die Arbeitnehmer haben bei der Steuer auch keine Pauschalierung", begründet Otto Farny, Leiter der Steuerabteilung, seine Ablehnung. Jede Pauschalierung hätte noch zu Privilegien geführt.
Bauern

Den VfGH-Entscheid betrachtet man als Rückenwind für den noch größeren Brocken: die Pauschalierung der landwirtschaftlichen Einkommen. "Da werden sehr hohe Einkommen praktisch steuerfrei gestellt."
Steuerberater und Anwälte der AK würden gerade die nächste Beschwerde vor dem VfGH ausarbeiten. "Diese Beschwerde gegen die Pauschalierung bei den Bauern werden wir in den nächsten Tagen beim VfGH einbringen." Steuerbasis in der Landwirtschaft ist der sogenannte Einheitswert. In der Branche hofft man, mit einer Reform des Einheitswertsystems die Pauschalierung halten zu können. Bis 2014 soll die Aktualisierung durchgeführt sein.
Wie es mit den Steuer-Pauschalierungen nach dem Urteil generell weitergeht, ist noch unklar: "Wir müssen das Urteil erst einmal genau analysieren", heißt es im Finanzministerium.
Steuerexperte Bruckner warnt: "Jede steuerliche Pauschalierung läuft auch Gefahr, wegen unzulässiger Beihilfe EU-rechtswidrig zu sein."
Steuerpauschale: 7000 Gaststätten
Wer? Seit 1999 dürfen Gaststätten- und Beherbungsbetriebe, die Speisen und Getränke anbieten, bis zu einem max. Jahresumsatz von 255.000 Euro anstelle der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung die Pauschalierung nutzen. Ca. 7000 Betriebe machen davon Gebrauch, v. a. kleine Wirte, Cafés, Frühstückspensionen.
Was? Der pauschal zu versteuernde Gewinn beträgt 5,5 Prozent der Betriebseinnahmen zuzüglich eines Sockelbetrags von 2180 Euro. Der zu versteuernde Mindestgewinn beträgt 10.900 Euro.
Warum? Verwaltungsvereinfachung bei den Betrieben und bei der Finanz. Der VfGH bezweifelt dies allerdings.
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