G-8 bleiben schwammig: Kein Schulterschluss

Unverbindlichkeit statt Schulterschluss: Die führenden Industrienationen und Russland (G-8) haben keinen gemeinsamen Weg für den Abbau von Schuldenbergen und für mehr Wachstum gefunden. Beim Gipfel der G-8 in Camp David bei Washington verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs lediglich eine unverbindliche Absichtserklärung. Deutschland stellte sich ausdrücklich weiter gegen milliardenschwere Konjunkturprogramme auf Pump.
In der Abschlusserklärung betonten die G-8 am Samstag (Ortszeit), dass die Ausgangslage ihrer Volkswirtschaften zu unterschiedlich sei. "Unser Gebot ist, Wachstum und Jobs zu schaffen", lautete letztlich der kleinste gemeinsame Nenner. Somit wurde der von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel geforderte Kurs der Budgetsanierung genauso gewürdigt wie die Möglichkeit, staatliche Programme für mehr Wachstum aufzulegen. Mit dieser Position sympathisieren der im Wahlkampf stehende US-Präsident Barack Obama, der im Moment ob des Wahlkampfs gute Stimmung und kleine Erfolge wie diesen Minimalkonsens gut gebrauchen kann, und der neue französische Präsident Francois Hollande, der bei seinen Wählern im Wort steht. Die deutsche Kanzlerin hatte klargemacht, dass gerade auf Pump gekauftes Wachstum zu der noch immer bedrohlichen Euro-Schuldenkrise geführt habe.
Deutschland ist Spitzenreiter

Unter den westlichen Industriestaaten hat Deutschland derzeit beim Wachstum eine Spitzenposition. Die USA und Frankreich beklagen beispielsweise schwache Wachstumsraten und hohe Arbeitslosigkeit, Großbritannien steckt noch in der Rezession. Zur Gruppe der Acht gehören die USA, Kanada, Japan, Russland, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien. Auch die Spitze der Europäischen Union saß am Verhandlungstisch.
"Wir haben alle zugestimmt, dass Wachstum und Jobs unsere Priorität sind", sagte Obama zum Abschluss des zweitägigen Gipfels. Wachstum und Budgetsanierung schlössen sich nicht aus: "Wir wissen, dass dies möglich ist." Obama fürchtet angesichts der mäßigen Konjunktur um die Wiederwahl im November. Auch deshalb setzte er sich mit dem Vorschlag durch, im Kampf gegen hohe Ölpreise notfalls strategische Ölreserven freizugeben. In den USA sind die Benzinpreise derzeit relativ hoch. Hollande pochte - wie zuvor im Wahlkampf - auf mehr Wirtschaftswachstum: "Es gibt kein Wachstum ohne Vertrauen, und es wird kein Vertrauen ohne Wachstum geben."
Kein Ja zum "Grexit"
Angesichts der Turbulenzen in der europäischen Schuldenkrise lehnten die G-8 einen Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone ab. "Alle G-8-Mitgliedstaaten wollen, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt", sagte Merkel. Voraussetzung sei, dass das Land seine Verpflichtungen einhalte. "Das ist von allen gleichermaßen hier so geteilt worden." Obama sagte: "Die politischen Führer wissen, was auf dem Spiel steht."
Hollande machte sich bei seinem ersten Gipfel dafür stark, Griechenland zusätzlich zu unterstützen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Auch der italienische Regierungschef Mario Monti forderte konkrete Wachstumsimpulse vom EU-Sondergipfel zu dem Thema am kommenden Mittwoch, einschließlich einer "Entwicklung in Richtung Euro-Bonds". Er kündigte für den 10. Juni einen Dreiergipfel mit Hollande und Merkel in Rom an.
Der russische Regierungschef Dmitri Medwedew vertrat Russlands Präsident Wladimir Putin, der Obama eine Absage erteilt hatte. So fehlte es dem Gipfel noch mehr an Schlagkraft. Echte, neue Ergebnisse zur Krisenbekämpfung dürften erst beim Treffen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer zu erwarten sein, wenn sich in knapp vier Wochen die G-20 im mexikanischen Los Cabos treffen.
Weltpolitische Themen auf dem G-8-Gipfel waren der Atomstreit mit dem Iran sowie die Lage in Syrien. Auch hier gab es keine Beschlüsse oder neue Ansagen. Afghanistan sagten die G-8 weitere Unterstützung beim Aufbau eines demokratischen Staates zu. In der Abschlusserklärung wurden - auch mit Blick auf den folgenden NATO-Gipfel in Chicago - allerdings keine Beträge genannt.
Ergebnisse im Detail
WIRTSCHAFT: Wachstumsimpulse oder Sparen? Beides! So beendeten die G-8 vorerst ihre Debatte über den Kurs angesichts der Sorgen um Konjunktur und Euro. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel dringt auf Budgetsanierung, US-Präsident Barack Obama und sein französischer Kollege Francois Hollande wollen Programme für mehr Wachstum.
ÖLRESERVEN: Gegen die hohen Ölpreise sollen notfalls strategische Ölreserven freigegeben werden. Obama wollte das mit Blick auf seine Wähler und setzte sich durch. Deutschland war lange zögerlich.
EURO: In der europäischen Schuldenkrise lehnt die G-8-Gruppe einen Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone ab. Allerdings müsse das Land auch seine Pflichten bei Sparen und Reformen erfüllen.
AFGHANISTAN: Afghanistan bekommt weiter Unterstützung beim Aufbau einer Demokratie. Konkrete Beträge wurden nicht genannt. Das soll im Juli bei einer Geberkonferenz in Tokio entschieden werden.
IRAN: Im jahrelangen Atomstreit gibt es zarte Hoffnung. Die G-8 und Teheran äußerten sich demonstrativ optimistisch. Obama ließ auch Einigkeit mit Russland durchblicken. Den Gesprächen ab Montag sehe man zuversichtlich entgegen.
SYRIEN: Alle sind für den Friedensplan des UNO-Sondergesandten Annan mit Stationierung von Beobachtern. Beim politischen Wandel tritt Russland auf die Bremse: Ein Regimewechsel sei nicht zu erzwingen.
HUNGERHILFE: Die G-8 verbünden sich im Kampf gegen den Hunger mit Konzernen. 50 Millionen Menschen sollen in den nächsten zehn Jahren durch höhere Einkommen genug zu essen haben. Etwa 45 Firmen sollen drei Milliarden Dollar einbringen. Aber: Die G-8 selbst haben ihre letzte Zusage von 22 Milliarden Dollar noch nicht erfüllt.
GIPFEL 2013: Das nächste G-8-Treffen findet in Großbritannien statt. Wo genau, wurde noch nicht bekanntgegeben.
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