Fekter: "Der Staat ist deftig im Geldbörsel drinnen"

Ein Eingangssteuersatz von 25 Prozent, späteres Greifen des Spitzensteuersatzes und 7000 Euro Freibetrag pro Kind sind die Eckpunkte von Fekters Steuerplänen.
KURIER: Frau Finanzministerin, wollen Sie die Steuerreform noch vor der Nationalratswahl präsentieren?
Maria Fekter: Ja. Diese Reform muss die Probleme in unserem Steuersystem angehen. Derer haben wir mehrere. Das erste ist der hohe Eingangssteuersatz . Fast die Hälfte der Erwerbstätigen zahlt keine Steuer, und dann aber sofort gute 36 Prozent. Eine Teilzeit-Beschäftigte erlebt böse Überraschungen, wenn sie ein bisschen mehr arbeitet, weil sofort die Steuer enorm zuschlägt. Dann haben wir eine sehr steile Progression und treffen die mittleren Einkommen mit Spitzensteuersätzen wie nirgendwo sonst so hart in ganz
Europa.
Weil bei uns der Höchststeuersatz schon ab 60.000 Euro greift?
Ja. Man zahlt bei uns schon bei mittleren Einkommen bereits mehr als vierzig Prozent. Nur Steuer, die Sozialabgaben kommen noch dazu. Der Staat ist schon sehr, sehr deftig im Geldbörsel der Menschen drinnen. Und wir haben die kräftigste Reichensteuer von ganz Europa.
Interessant – alle Studien besagen genau das Gegenteil.
Die deftigste Reichensteuer! Wir erlauben ab einem Ministergehalt keine Sechstelbegünstigung bei Weihnachts- und Urlaubsgeld. Das gibt es in der Schärfe – das habe ich eingeführt, dazu stehe ich – in ganz Europa nirgends. Aber kaum war das erledigt, kam wieder eine neue Reichensteuer-Idee.
Wo fängt Vermögen für Sie an?
Unser Steuersystem belastet den Mittelstand.
Wie definieren Sie Mittelstand?
Diejenigen, die Einkommen- und Lohnsteuer zahlen.
Auch der Generaldirektor?
Der von der Sparkasse von Attnang-Puchheim gehört zum Mittelstand. Der fällt aus den großzügigen Transferleistungen heraus. Die niederen Einkommen rüsten wir durch Transfers sehr großzügig auf bis zum Medianeinkommen. Bei den Transferleistungen liegen wir im OECD-Schnitt im obersten Drittel. Die ganz niedrigen Arbeitseinkommen haben genau so viel im Geldbörsel wie die mittlere Einkommensebene, wo die Transferleistungen wegfallen. Der Mittelstand fliegt hier heraus, muss deftig Steuern zahlen und darüber hinaus treffen gewisse Steuern nur den Mittelstand.

Welche sind das?
Wertpapierertragssteuer und Sparbuchsteuer treffen nicht den Arbeitslosen. Wir belasten den Mittelstand exorbitant. Dieser Mittelstandsbuckel, wie ihn die Wissenschaft nennt, gehört beseitigt. Als weiteres Problem haben wir die Schwerlastigkeit des Faktors Arbeit gegenüber der Ökologie. Es gibt seit Längerem den Konsens, dass wir unser Steuersystem moderat in Richtung Ökologie drehen. Bis vor Kurzem waren auch die vermögensbezogenen Steuern unterrepräsentiert, das wurde aber beseitigt, mit der Wertpapier-Kest, mit der Bankenabgabe, mit der Immobilien-Kest, mit der Anhebung der Umwidmungssteuern bei Immobilien. Wir haben bei den vermögensbezogenen Steuern alle Erträge erfasst. Alle.
Erbschaften nicht, die sind auch ein Vermögenszuwachs ohne Leistung.
Erbschaften sind ein Substanzübergang und kein Ertrag. Daher erkenne ich kaum, wo wir hier noch Spielraum haben sollten. Sparbücher dürfen nicht vermögensbesteuert werden auf die Substanz, das ist verfassungswidrig. Wertpapiere auch nicht. Betriebsvermögen? Das ist der größte Unsinn. Das hatten Vranitzky und Lacina erkannt und abgeschafft. So was gibt’s nur noch in Frankreich. Und Frankreich ist ein grottenschlechtes Beispiel. Ich werde nicht den Hochofen der Voest oder die Labors von Universitäten der Vermögensbesteuerung unterwerfen. Ein Hotel hat schnell einmal einen Wert von einer Million. Wenn ich denen auch noch eine Vermögenssteuer aufs Aug’ drücke für jede Neuanschaffung, wird nicht mehr investiert. Das kostet Arbeitsplätze. Daher ist das ein ökonomischer Unsinn.
Diesen ökonomischen Unsinn, wie Sie es bezeichnen, vertritt aber Ihr SP-Staatssekretär Schieder.
Das kommentiere ich nicht. Wenn man ideologisch verblendet ist und Neiddebatten am Biertisch bedient, ist das noch lange nicht klug für den Standort und die Menschen. Weil mit Neid und Gier habe ich noch keine Armut bekämpft.
Was wäre mit den Hausbesitzern?
Wenn wir die Substanz besteuern, wird das umgewälzt auf die Mieter. Das könnten wir verhindern, aber das wäre wiederum verfassungswidrig. Wenn ich sage, die Hausherren müssen Vermögenssteuern zahlen, dann ist der größte Hausherr die Gemeinde Wien – das schaue ich mir an. Wenn wir das nur den privaten Hausherren aufs Aug’ drücken, ist es gleichheitswidrig, also wieder verfassungswidrig. Allein daran erkennen Sie, dass das Ganze nur eine Blendgranate der
SPÖ ist.
Die Erbschaftssteuer-Antwort sind Sie schuldig geblieben. Erben ist keine Leistung.
Die Erbschaftssteuer hat 140 Millionen gebracht und war sehr ungerecht. Sie hat nicht die Reichen betroffen, sondern Familien, die nicht gewusst haben, wie sie diese Steuer zahlen. Der Tod als Ereignis erlaubt keine Gleichmäßigkeit, sondern schafft ungerechte Zufälle. Außerdem hat die Steuer zu 80 Prozent investitionshemmend die Übergaben bei Betriebsvermögen betroffen.
Und die Reichen?
Die Reichen haben die Erbschaftssteuer auch nicht gezahlt. Die vermögende Frau K. hat zwar in Salzburg ein Haus, aber die Erbschaft ist in der Schweiz angefallen. Die Vermögenden sind so mobil, dass sie der Steuer entkommen können. Übrig bleiben würden wieder nur der Mittelstand und jene Betriebe, die nicht den Standort verändern können. Daher werde ich das nicht zulassen. Wir haben ja schon die Stiftungen ramponiert bis umgebracht – das war der Kaufpreis für diese Regierung.
Wie erklären Sie das einem Mittelständler? Der muss die volle Steuerlast tragen, und die wirklich Reichen bedauern Sie, weil der Steuersatz bei den Stiftungen angehoben wurde.
Ich bedaure, wenn man Stifter durch die Neiddebatte vertreibt.

Im deutschen Stiftungsrecht gibt es ein Gemeinnützigkeitsgebot. In
Österreich sind Stiftungen Steuerminimierungs-Konstruktionen.
Das ist richtig. Das war auch ein Standortvorteil. Warum glauben Sie, geht es uns unvergleichlich besser als anderen? Weil wir alles getan haben, was Investoren und Headquarters anlockt. Peter Pühringer war ein Investor in Österreich, er hat das Coburg umgebaut. Jetzt ist er abgewandert und fördert die ETH-Zürich.
Wir wiederholen unsere Frage: Sie wollen noch vor der Wahl den Mittelstand entlasten, aber die Gegenfinanzierung darf nicht aus Vermögenssteuern kommen?
Es gibt viele Ideen für die Gegenfinanzierung. Wir haben 560 Ausnahmen in unserem Steuersystem, die zünftlerischen Privilegien. Jede Zunft hat ein Privileg, auch Ihre, meine lieben Damen.
Das wissen wir.
Die Bauarbeiter haben eines der größten Privilegien, die haben eine starke Gewerkschaft.
Welche besonderen Privilegien haben Bauarbeiter?
Steuerfreiheit der Taggelder. Oder die Montage-Regelung, wo Einkommen von mehreren Tausend Euro pro Monat praktisch steuerfrei sind. Diese Privilegien kann man schon durchforsten. In Summe machen diese 560 Ausnahmen 3,5 Milliarden Euro aus. Und damit man sich diese Ausnahmen leisten kann, fährt man dann gleich einmal mit 36 Prozent Eingangssteuersatz hinein. Es wäre vielleicht gerechter, die Ausnahmen zu durchforsten und den Eingangssteuersatz zu senken.
Auf wie viel? Auf Kapitalerträge zahlt man 25 Prozent.
Das ist richtig. Wenn man sagt, man will die hohe Steuerbelastung auf Arbeit senken, wäre das gerecht.
Also wir halten fest: Sie peilen einen Eingangssteuersatz von 25 Prozent an. Wie sieht es mit dem Spitzensteuersatz aus? Das von Ihnen verteufelte Frankreich führt jetzt 45 Prozent ab Einkommen von 145.000 Euro ein. Können Sie sich vorstellen, dass der Spitzensteuersatz später wirkt?
Wenn man den Mittelstand entlastet, muss man auch die Bemessungsgrundlage anschauen.

Wollen Sie die Familien-Entlastung auch noch durchbringen?
Ja, das ist Konsens in der ÖVP. Deutschland hat 7000 Euro Freibetrag pro Kind. Mir schwebt vor, die Familien signifikant von der Steuerpflicht zu entlasten, damit sie das Geld für die Kinder verwenden können. Die Menschen, die Kinder aufziehen, leisten einen enormen Beitrag für die Gesellschaft.
Aber wir haben doch ohnehin schon die höchste Familienförderung in der
OECD.
Bei den Familientransferleistungen liegen wir im oberen Drittel der OECD. Dann aber reißt es total ab, dann haben wir keine steuerlichen Entlastungen mehr.
Soll das auch als Negativsteuer ausbezahlt werden an jene, die keine Steuer zahlen?
Nein, nicht schon wieder Transferleistungen und Negativsteuer! Wir wollen den Mittelstand entlasten.
Wann werden Sie die Steuerreform präsentieren?
Wir entwickeln das Modell gerade. Der Herr Vizekanzler und ich werden es gemeinsam präsentieren.
Und vor der Wahl im Parlament beschließen?
Wir werden sehen, ob sich Mehrheiten dafür finden, jedenfalls werden wir darum kämpfen.
Was heißt das? Wollen Sie es auch ohne die SPÖ beschließen?
Es kann ja so toll sein, dass wir es einstimmig beschließen. Ans Koalitionsabkommen halte ich mich.
Wo holen Sie sich die Gegenfinanzierung?
Wie gesagt: Durchforsten der Ausnahmen. Bei den Öko-Steuern ist die Mineralölsteuer am Limit. Die kann man nicht noch weiter erhöhen, sonst lassen die Leute das Auto stehen. Außerdem will ich nicht die Inflation anheizen. Bei der Ökologisierung gibt es Steuern auf Treibstoff, Verschmutzung, Ressourcenverbrauch, Entsorgung usw. Da gibt es sehr viele Varianten.
Wie werden Sie mit Frank Stronach umgehen? Er nimmt auch der ÖVP Stimmen weg.
Einige Dinge, die er sagt, sind gar nicht so weit weg von der ÖVP. Aber andere Dinge, etwa der hanebüchene Unsinn von einem eigenen Euro für jedes Land, macht ihn für uns zu einem nicht akzeptablen Mitbewerber. Wir werden der Bevölkerung erläutern, dass es ohne Europa nicht geht.
Wissen: Steuertarif mit Bocksprüngen

Österreichs Steuersystem ist sozial gestaffelt: Wer weniger als 11.000 Euro brutto pro Jahr verdient, ist von der Lohn- bzw. Einkommenssteuer befreit. Davon profitieren in Österreich 2,6 Millionen Menschen. Aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit steigt mit dem Einkommen auch der Steuersatz – jedoch in Stufen. Kaum ein Land hat jedoch einen so hohen Eingangssteuersatz wie Österreich (36,5 Prozent) – nur in Island ist er höher.
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