Feigheit in der Anonymität

Selten hat ein Medium so zur Verrohung der Sitten beigetragen wie das Internet. So groß die Vorteile dieser Medientechnologie auch sind: Was sich unter dem Schutz der Anonymität an "öffentlichem Diskurs" im Netz abspielt, ist wahrlich atemberaubend. Unterzeichner eines Aufrufs zur Wahrung des immer noch gültigen Urheberrechts werden durch Bekanntgabe privater Daten unter Druck gesetzt und mit Hass-Mails bombardiert. Cyber-Mobbing und Shitstorms sind offenbar Eckpfeiler der sogenannten Netzkultur.
Und was in diversen Posting-Foren zu lesen ist, ist an Niveaulosigkeit mitunter kaum zu unterbieten. Dass sich eine politische Öffentlich keit nicht durch das Meinen von jedermann, sondern, wie es Immanuel Kant formulierte, durch öffentlichen Vernunftgebrauch konstituiert, scheint vergessen. Öffentlichkeit braucht Rahmenbedingungen, die den Diskurs, nicht die Empörung, die das Argument, nicht die Emotion, die die Auseinandersetzung, nicht die Denunziation schärfen. Unter dem Schutz der Netz-Anonymität, dieser zum Prinzip erhobenen Feigheit, geschieht genau das Gegenteil.
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