Fakten-Check: So reich sind die armen Italiener

Fakten-Check: So reich sind die armen Italiener
Ricchi e Poveri: Beim Vermögen hängen die Euro-Sorgenkinder sogar Deutsche und Österreicher ab

Sie suchen nicht zufällig ein mediterranes Ferienhäuschen? „Rund um Rom gibt es echte Schnäppchen“, riet jüngst ein begeisterter Banker aus Übersee. Viele Römer hätten sich nämlich nach der Krise von ihren Zweitwohnsitzen getrennt. Und dieses Überangebot drücke die Preise. Ein toller „Geheimtipp“, für rot-weiß-rote Normalverdiener bleibt das ein sonniger Traum. Es zeigt aber, dass ziemlich viele Italiener Immobilien besitzen. Oder besaßen. Denn nach der Krise wachsen die Zypressen nicht mehr in den Himmel.

Seit die Populisten, die künftig in Rom regieren, den Schuldigen für Italiens Wirtschaftsmisere im Euro und den Sparvorgaben aus Brüssel und Berlin suchen, stellt sich mehr denn je die Frage: Wie arm oder reich sind die Italiener wirklich?

Wohlhabendes Erbe

Die Statistiken haben dabei eine Überraschung parat: Die Italiener sind wohlhabender als die Deutschen und Österreicher. Laut Allianz-Wohlstandsbericht ist ihr Geldvermögen pro Kopf gerechnet um ein paar Tausender höher (siehe Grafik). Diese Zahlen sind netto, also Guthaben abzüglich der Schulden. Und weil die Italiener aus Vorkrisenzeiten relativ hohe Ersparnisse und wenige Kredite haben, stehen sie besser da. Zumindest auf dem Papier, denn kaum ein Italiener fühlt sich wirklich reich. Was psychologisch nachvollziehbar ist: Während sich das Gros der Deutschen und Österreich über langsam, aber stetig steigende Vermögen freut, ging es für die Italiener seit 2006 fast nur bergab.

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Hauseigentümer

Sogar noch größer wird die Vermögenskluft, wenn man Immobilien einbezieht. Knapp 70 Prozent der Italiener sind nämlich im Besitz ihres Eigenheimes. In Österreich beträgt der Anteil nicht einmal die Hälfte. Und, da mag die Miete bei uns dank des sozialen Wohnbaus noch so günstig sein: Immobilienbesitz macht einen gewaltigen Unterschied aus.

Gesamtschulden

Italiens größtes Problem sind exorbitant hohe Staatsschulden (132 Prozent des BIP), die noch aus der Lira-Zeit rühren. Ganz anders ist das Bild aber, wenn man die Gesamtschulden ansieht – also jene von Unternehmen und Privaten einbezieht. Dann liegt Italien im Schnitt der Eurozone (Grafik). Die wahren EU-Schuldenkaiser sind dann Luxemburg, Belgien und Irland.

Die Misere

Im Moment sieht Italiens Budgetlage gar nicht so schlecht aus. Der Staat hat aber wegen der hohen Fix-Ausgaben für Zinsen und Pensionen kaum Spielräume, um in Bildung, Forschung oder Infrastruktur zu investieren. Zudem schleppen die Banken viele faule Kredite mit sich. Das, kombiniert mit der Bürokratie im Norden und Korruption im Süden, hält die Wirtschaft im Würgegriff. Die Schattenwirtschaft macht satte 13 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Jeder dritte Jugendliche ist ohne Job. Eine verlorene Generation fühlt sich im Stich gelassen – ein Nährboden für EU-Feindlichkeit. Ein Umbau der Steuern und des Sozialstaates wären längst überfällig und über mehrere Jahre durchaus machbar, heißt es in Brüssel. Die Einheitssteuer und das Grundeinkommen, wie sie die Populisten versprechen, seien so jedoch unfinanzierbar. Und würden ein unfaires System noch verschlechtern.

Raus aus der Krise

Viele Italiener sehen die Spanier als Vorbild: Sie hätten auf die EU-Budgetziele gepfiffen und so ihr Wachstum angekurbelt. Was teils sogar stimmt. Die Spanier waren aber geschickt, das nicht an die große Glocke zu hängen. „Wer laut posaunt: ‚Wir halten keine Regeln ein‘, darf sich über harsche Reaktionen nicht wundern“ , heißt es in Brüssel. Obendrein hätten die Iberer dringende Reformen durchgeboxt. Mit mehr Kooperation statt Konfrontation könnten die Italiener auch Wohlwollen erwarten – etwa Flexibilität im Maastricht-Pakt für Investitionen oder Geld aus dem EU-Kohäsions- und Migrationstopf.

Harakiri

Bei einer Rückkehr zur Lira würden die privaten Vermögen rasch dahinschmelzen. Das ist der Mehrheit der Italiener bewusst: 59 Prozent sind für den Euro, 30 Prozent dagegen. Lega-Chef Salvini erwähnte einen „Italexit“ zuletzt zwar nicht mehr. Ob sein Meinungswandel ernsthaft ist, ist aber die Frage: In der Vergangenheit hatte er betont, Italien solle austreten, ohne das Volk zu befragen.

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