EZB-Reform: Die offizielle Inflation und das Bauchgefühl

EZB-Reform: Die offizielle Inflation und das Bauchgefühl
Bis Jahresende will EZB-Chefin Christine Lagarde die Überprüfung der Strategie, Ziele und Maßnahmen tunlichst beendet haben.

Stabile Preise für den Euroraum: So lautet seit 1998 die Zielvorgabe für die Europäische Zentralbank (EBZ). Aber was genau ist darunter zu verstehen? Bei welcher Inflationsrate sind Preise stabil? Und wie wird das berechnet?

Genau solchen Fragen wird sich die Strategie-Überprüfung widmen, welche EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag offiziell gestartet hat. Prinzipiell solle diese bis Jahresende fertig sein, allerdings sei das keine starre Deadline, so Lagarde: „Sie wird beendet sein, wenn sie beendet ist.“ Zuvor hatte sie in Aussicht gestellt, es werde „jeder Stein umgedreht“. Dazu zählten auch die Nebenwirkungen des Zinstiefs.

Überfällige Reform

Das ist höchst an der Zeit. Andere Notenbanken überdenken ihre Ziele in viel kürzeren Abständen. Bei der EZB war das zuletzt 2003 der Fall. Damals wurde Preisstabilität in die bis heute gültigen Formel gegossen: eine mittelfristige Inflationsrate von „unter, aber nahe bei zwei Prozent“.

Seit damals hat sich aber einiges verändert. Während die EZB im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens gegen zu hohe Inflation kämpfen musste, steuert sie seit der Finanzkrise von 2008 primär gegen schwaches Wachstum und in der Folge zu niedrige Teuerungsraten oder gar Deflationsängste an. Mit zuletzt überschaubarem Erfolg: Das Erreichen ihres offiziellen Zwei-Prozent-Ziels ist für die EZB in weite Ferne gerückt. Das habe auch strukturelle Gründe, so Lagarde – etwa die älter werdende Gesellschaft, die mehr spart, oder die sinkende Produktivität.

Problemfall Mietkosten

Christine Lagarde hat freilich versprochen, sie wolle die EZB-Maßnahmen der Bevölkerung besser erklären. Das wird eine Mammutaufgabe. Denn während die offiziellen EZB-Daten eine zu geringe Inflation signalisieren, beschleicht viele Bürger genau das gegenteilige Gefühl: Dass die im Alltag erlebte Teuerung viel höher ist, als die EZB-Zahlen suggerieren. Ein Teil mag der Psychologie geschuldet sein: Die Güter des täglichen Einkaufs beeinflussen die Preiswahrnehmung stärker als langfristige Anschaffungen. Werden Flugtickets oder TV-Geräte billiger, so blendet man das oft aus.

Die Inflationsmessung weist aber konkrete Probleme auf: Etwa die Untertreibung der Immobilienpreise und Mietkosten, die zuletzt besonders in die Höhe geschossen sind. Weil nach Eurostat-Definition ein Hauskauf als Investition und nicht als Konsum gilt, fließen Kosten für „eigentümergenutztes Wohnen“ nicht in die EU-Inflation ein.

Und in Österreich machen im Warenkorb, mit dem der Verbraucherpreisindex (VPI) berechnet wird, die Mietkosten mickrige 5,3 Prozent aus. Jeder Mieter wird bestätigen, dass seine Ausgaben um vieles höher sind. Der Grund: Etwa die Hälfte der Haushalte wohnt in Eigentum und der Warenkorb bildet den Durchschnitt der Bevölkerung ab. Er passt also für keine der beiden Gruppen so recht.

Auch über Immobilienpreise werde diskutiert, so Lagarde. Das Thema sei aber sehr komplex, da solle man bis Jahresende keine Resultate erwarten.

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