EZB: Draghi löst Trichet ab

Mit 1. November gibt der langjährige oberste Währungshüter aus Frankreich die Staffel an den Italiener weiter. Wird er an der Zinsschraube drehen?

Es ist eine Herkulesaufgabe, die auf Mario Draghi in Frankfurt wartet: Mitten in Europas Schuldenkrise übernimmt der Italiener den Posten des obersten europäischen Währungshüters. Er löst am Dienstag (1. November) den bisherigen EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet ab, der nach acht Jahren turnusgemäß aus dem Amt scheidet.

Der ehemalige Präsident der italienischen Notenbank muss den Euro-Raum durch die Schuldenkrise steuern, die auch nach den jüngsten Gipfel-Beschlüssen nicht ausgestanden ist.

Was macht Draghi?

Beobachter spekulieren bereits darüber, mit welchen Instrumenten die Euro-Hüter unter Draghis Führung künftig die Brände der Krise löschen werden.

Eine Zinswende wird der Italiener nach Ansicht von Experten bei seinem ersten Auftritt als Nachfolger von Jean-Claude Trichet noch nicht wagen. Gegen eine Zinssenkung spricht trotz der Konjunktursorgen in der Euro-Zone, dass der Preisdruck noch immer hoch ist.

Fachleute erwarten daher, dass Draghi zunächst nahtlos an den Kurs seines französischen Vorgängers anknüpfen wird.

"Sündenfall" unter Trichet

Der Kauf von Anleihen europäischer Schuldenstaaten unter Trichet gilt als Sündenfall, weil die Notenbank damit für die unsolide Politik der Regierungen geradesteht. Vor allem aus Deutschland hagelte es Kritik, aber auch innerhalb des EZB-Rates sind die milliardenschweren Ankäufe umstritten.

Zwar soll demnächst der europäische Rettungsschirm EFSF Anleihen von Euro-Krisenländern erwerben. Nach Einschätzung verschiedener Ökonomen ist die Notenbank als Krisenfeuerwehr aber weiter unverzichtbar. Damit die auf dem Gipfel beschlossenen Maßnahmen Wirkung zeigten, müsse die Notenbank weiter Anleihen kaufen, argumentieren die Experten. Wie Draghi mit dem Thema umgeht, muss sich noch zeigen.

Trichet sagte der Bild am Sonntag: "Die EZB trifft ihre Entscheidungen in vollkommener Unabhängigkeit. Das haben wir mit teilweise umstrittenen Zins- und anderen Entscheidungen immer wieder unter Beweis gestellt." Auch Sondermaßnahmen wie der Ankauf von Staatsanleihen habe der EZB-Rat "aus geldpolitischen Gründen und in voller Unabhängigkeit beschlossen".

Einen grundsätzlichen Kurswechsel der EZB unter dem neuen Präsidenten erwarten Beobachter nicht. Oberstes Entscheidungsgremium in Sachen Zinspolitik und Krisenmanagement ist ohnehin der EZB-Rat, dem unter anderem die 17 Vertreter der nationalen Notenbanken angehören.

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