Expertengremium will Bankenwelt umkrempeln

Die spektakuläre Doppelturm-Konstruktion wächst unaufhörlich in den Frankfurter Himmel. 2014 sollen die EZB-Banker in den neuen Tower einziehen. Doch wesentlich entscheidender ist der durch die Finanzkrise notwendig gewordene Umbau der europäischen Bankenwelt, der in diesen Tagen heftig debattiert wird und bald beschlossen werden soll.
Eine von der EU-Kommission eingesetzte Expertengruppe legt heute Mittag Vorschläge für Reformen im Bankensektor vor. Die Fachleute unter Leitung des finnischen Zentralbankchefs Erkki Liikanen wollen Empfehlungen dafür geben, wie die Branche krisenfest zu machen ist. Liikanen wird gemeinsam mit EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier den Bericht in Brüssel vorstellen - mit brisantem Inhalt.
"Trennbanken"

Die Experten schlagen vor, dass Europas Banken künftig hohe Mauern um ihre Handelsaktivitäten ziehen sollen, um Auswirkungen möglicher Verluste auf den Rest der Bank zu begrenzen, wie etwa die Süddeutsche berichtet.
In dem Konzept dürfte eine Abschirmung oder Abtrennung des Privatkundengeschäfts vom riskanten Investmentbanking auftauchen. Die Idee dahinter ist, das klassische Kredit- und Einlagengeschäft vom Investmentbanking zu trennen, um zu verhindern, dass Verluste aus dem riskanteren Investmentteil die ganze Bank belasten.
Doch die Chancen auf Umsetzung dieses Plans, der auch vom SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück vorangetrieben wird, sind in Europa derzeit sehr gering. Denn mit Aufspaltungen von Banken will man sich in Brüssel aktuell nicht so recht befassen. Für derartige radikale Reformen fehlt der politische Wille und auch die Zeit. Die EU-Kommission kann bei ihren Gesetzgebungsvorschlägen den Empfehlungen folgen, muss es aber nicht.
Zahlreiche Experten haben auch Zweifel, dass die Abspaltung des Investmentbankings vom Privatkundengeschäft Banken wirklich sicherer macht. Sie argumentieren, dass isolierte Kapitalmarkthäuser viel krisenanfälliger seien, wie das Beispiel Lehman Brothers gezeigt hat.
Absolute Priorität haben die Pläne zur sogenannten Bankenunion, mit der das Finanzsystem in Europa krisenfester gemacht werden soll, ohne die Geldhäuser aufzuspalten. Alles andere steht hinten an.
Zuerst der Notfallplan mit Bankenunion
"Ich habe große Zweifel, dass sich kurzfristig etwas tun wird angesichts der Priorität für die Bankenunion", sagt Nicolas Veron, Regulierungsexperte des Forschungsinstituts Bruegel. "Europa muss sich jetzt zunächst um unmittelbares Krisenmanagement kümmern."
Mit dem Start der neuen Bankenaufsicht soll es dem Euro-Rettungsfonds ESM möglich werden, kriselnde Banken direkt zu refinanzieren. Bislang sind dem Fonds nur Hilfen an Mitgliedstaaten erlaubt, die die Gelder jedoch - wie im Falle Spaniens - an die heimischen Banken weiterleiten können. Dieses Verfahren erhöht die Staatsschuld des betroffenen Landes, weswegen eine direkte Bankenrefinanzierung durch den ESM aus Sicht der jeweiligen Länder lukrativer wäre.Hieran wird in Brüssel gerade unter Hochdruck gearbeitet. In einem ersten Schritt soll die EZB 2013 die Aufsichtsaufgaben bekommen. Dann soll ein Fonds zur Abwicklung strauchelnder Banken aufgebaut werden und drittens ist ein europäisches System zur Sicherung der Spareinlagen im Gespräch. Vieles davon ist in Europa noch hoch umstritten und längst nicht in trockenen Tüchern. "Das bindet enorm Ressourcen", sagt ein Insider.
EZB-Chef: "Reputation nicht aufs Spiel setzen"

EZB-Direktor Jörg Asmussen hat jedenfalls für die geplante gemeinsame Bankenaufsicht im Euroraum das Prinzip Genauigkeit vor Geschwindigkeit unterstrichen. Wichtiger als Schnelligkeit sei es, die neue Bankenaufsicht auf ein stabiles und tragfähiges Fundament zu stellen, sagte das deutsche Direktoriumsmitglied der EZB am Montag in Wien. Die neue Struktur müsse funktionieren können, sonst sei nichts gewonnen. Zudem stehe für die EZB ihre Reputation auf dem Spiel.
"Es reicht nicht, wenn wir an den Eurotower in Frankfurt ein neues Schild mit der Aufschrift `Europäische Zentralbank und Europäische Bankenaufsicht` nageln können, sich in der Sache aber noch nichts Substantielles geändert hat", unterstrich Asmussen. Deshalb sei zweifelhaft, ob das von der EU-Kommission geplante Startdatum der Bankenaufsicht Anfang 2013 zu halten sei.
"All jenen, die auf die baldige Möglichkeit einer direkten Bankenrekapitalisierung durch den ESM schielen, und es dafür in Kauf nehmen würden, mit einem Schnellschuss und einer halbgaren Lösung bei der Bankenaufsicht zu starten, möchte ich deshalb klar sagen: nicht mit uns, dafür riskieren wir nicht die Reputation der EZB", unterstrich Asmussen.
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