EU-Zeugnis: Tadel und auch Lob für Österreich

EU-Zeugnis: Tadel und auch Lob für Österreich
Brüssel hält allen EU-Staaten den Spiegel vor. Der Appell an die Bundesregierung in Wien. Kurs halten und noch mehr Reformen.

Im Kampf gegen die Finanz- und Schuldenkrise hat sich die EU strenge Regeln und Kontrollen zur Einhaltung von Haushaltsdisziplin und die Durchführung von Reformen verordnet.

Die Maßnahmen der Länder werden von der EU-Kommission nun jährlich überprüft. Am Mittwoch wurden in Brüssel die Bewertungen vorgelegt. Pro Land wurden auf Dutzenden Seiten Wirtschaftsindikatoren analysiert, Strukturreformen bewertet, Konjunkturentwicklungen prognostiziert und Empfehlungen abgegeben.

Genau haben die Brüsseler Prüfer zwölf Länder angeschaut, darunter die Sorgenkinder Frankreich, Italien, Spanien und Griechenland. Österreich fällt nicht in diese Gruppe. Es gibt einige Kritikpunkte, im Vergleich zu anderen Ländern ist das Brüsseler Urteil aber milde.

 

Unsichere Einnahmen

Als "besondere Herausforderung" bezeichnet die Kommission das hohe Bankenrisiko in Mittel- und Osteuropa. Das gesamte Exposure betrug im dritten Quartal 2011 rund 236 Milliarden Euro. Ein weiteres Risiko stellen die Fremdwährungskredite – vor allem in Schweizer Franken – dar. "Höchst unsicher" seien im Budgetbereich Einnahmen aus dem noch nicht abgeschlossenen Steuerrückführungsabkommen mit der Schweiz. "Zweifelhaft" seien auch die geplanten Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer, für die es noch keine Gesetzesgrundlage gibt.

"Ambitioniert" wird der Budgetfahrplan bis 2016 zum Abbau der Staatsschulden bezeichnet. Positiv sei die Lage am Arbeitsmarkt mit der geringsten Arbeitslosenrate in der EU, sie gilt als "vorbildhaft". Als wenig modellhaft wird das Zusammenspiel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden beschrieben. Eine Föderalismusreform sei nötig.

Ausführlich behandelt der Bericht die Zukunft.Wegen der demografischen Entwicklung wird in Österreich das Arbeitskräftepotenzial ab 2020 schrumpfen. Die Empfehlung: Die Arbeitskraft älterer Menschen, von Migranten und Frauen muss besser genützt werden. Die EU-Kommission rügt die "viel zu hohe" Teilzeitbeschäftigungsquote von Frauen. Auch das unterschiedliche Pensionsantrittsalter müsse rasch angeglichen werden.

Um die Teilzeit-Jobs zu reduzieren, verlangt die Kommission von der Bundesregierung, die Ganztagsbetreuung in Kindergärten und Pflichtschulen auszubauen.

Steuern auf Eigentum

Nicht zufrieden ist die Kommission mit der Steuerpolitik. Die effektive Steuer- und Sozialversicherungsbelastung solle reduziert, dafür Steuern auf Eigentum, besonders auf Grundstücke, erhöht werden. Das gelte auch für Umwelt-Abgaben.

Dringend empfehlen die Prüfer die "ungerechtfertigten Beschränkungen" von Gewerbe und Berufen zu beseitigen sowie "mehr Wettbewerb" im Telekom-, Transport- und Energiebereich zuzulassen.

Warnung an Spanien

Große Sorgen gibt es klarerweise über die Finanzlage Spaniens, die Kommission will aber Madrid ein Jahr länger Zeit zum Sparen geben: Spanien muss bis 2014 das Defizit unter Kontrolle bringen.

Selbst die größte Ökonomie Europas, Deutschland, wird gerügt: Der Bankensektor muss stabiler werden, zur Wachstumssicherung sind Reformen im Bildungs- und Arbeitsmarktbereich nötig.

Tumpel: "Sparen uns in die Krise"

Herbert Tumpel, Präsident der Arbeiterkammer, verlangt mehr Investitionen in soziale Dienstleistung, Kinderbetreuungs­einrichtungen und Bildung, um den aktuellen Sparkurs mit Wachstumsimpulsen zu unterstützen, die Jobs schaffen. Dies würde auch die Arbeitslosigkeit senken. Die Gelder dafür sollten aus einer höheren Besteuerung auf Vermögen eingenommen werden. Tumpel: "Europa spart sich gerade in die Krise hinein. Man kann da herauskommen, wenn man sich herausinvestiert."

Androsch: "Retten Banken, nicht Griechen"

Die Griechenland-Rettung ist eine Bankenrettung. Kein einziger Cent ist bisher bei den Griechen selbst angekommen", kritisiert der Industrielle Hannes Androsch die "unüberlegte Therapie" des Euro-Patienten Griechenland. Ohne Ursachentherapie könne der auferlegte Sparzwang das Land nicht aus der Krise führen. Die europäischen Banken hätten durch eine lose Kreditvergabe am Schuldenberg selbst mitgewirkt: "Die Frage ist: Wer ist der Schuldige? Der, der den Kredit vergibt oder der, der ihn nimmt?" Für Androsch sind beide Teile "gleichermaßen verantwortlich". Man habe es aber bisher verabsäumt, die Banken "wetterfest" zu machen. Bei Österreichs Problembanken sei zwar das Personal, nicht aber die Strukturen verändert worden, so Androsch: "Statt eines neuen Konzepts herrscht das Prinzip Hoffnung

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