EU: Sparen, bis die Balken krachen

EU: Sparen, bis die Balken krachen
Eine Regierung nach der anderen stolpert über die Schuldenkrise. Und dennoch bleibt auch den Neuen nur eines: Sparen, sparen, sparen.

Der Freitag war, wenn man so will, europäischer Weltspartag. Gleich in drei EU-Statten wurden Kataloge der Grausamkeit aufgelegt. Auswahl daraus haben die Bevölkerungen in Italien, Griechenland und Polen nicht, ihnen wird das gesamte Paket zugestellt. Wobei die Grundlinie jedenfalls in Rom und Warschau dieselbe ist: Einschnitte im Sozialwesen, vor allem im Pensionssystem, und teils massive Steuererhöhungen.

Hinsichtlich des Rückbaus des Staatsapparates ist es völlig egal, ob Experten die Zügel übernommen haben, wie die Wirtschaftsprofessoren Mario Monti in Italien beziehungsweise Lucas Papademos in Griechenland, oder "gelernte" Politiker, wie Polens Premier Donald Tusk.

Dessen neue Regierung wurde am Freitag vereidigt. Wobei Tusk ein Unikat in Europa ist. Trotz Krise schaffte er mit seiner konservativ-liberalen Partei die Wiederwahl bei den Parlamentswahlen im Oktober. Das ist vor ihm noch keinem amtierenden Regierungschef in Polen nach der Wende 1989 gelungen.

Davon können die spanischen Sozialisten nur träumen, sie werden bei der morgigen Parlamentswahl von der konservativen Opposition laut Prognosen vernichtend geschlagen. Doch die, das haben sie im Wahlkampf, wenn auch vorsichtig, angekündigt, wollen einen noch härteren Sparkurs einschlagen.

Italien: Später in Rente und höhere Immo-Steuer

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Der neue Premier Mario Monti hat am Freitag die letzte Hürde gemeistert. Wie erwartet stimmte die Abgeordnetenkammer dem rigorosen Sanierungsplan zu, mit dem der Schuldenberg von 1,9 Billionen Euro abgebaut werden soll. Das als rechts-liberal eingestufte Reformprogramm sieht Kürzungen der Staatsausgaben, eine Einschränkung der Arbeitnehmerrechte, ein höheres Pensionsalter sowie Steuererhöhungen vor. Am Donnerstag protestierten Tausende Studenten in Mailand und Rom gegen die " Regierung der Banker".

Im Zuge der Steuerreform sollen Lohnsteuern gesenkt, Immobiliensteuern und Verbrauchersteuern jedoch erhöht werden. Die Wiedereinführung einer Immobiliensteuer auf das erste Eigenheim sorgt besonders in Berlusconis Partei für Diskussion. Der zurückgetretene Cavaliere rühmte sich stets, die Immobiliensteuer (ICI) abgeschafft zu haben, was Monti als eine "italienische Anomalie" bezeichnete. Der ehemalige EU-Kommissar will zudem schärfer gegen Steuerhinterziehung vorgehen.
Hoffnungen werden in Montis Versprechungen gesetzt, sich um Frauen und Jugendliche - "die beiden großen verschwendeten Ressourcen Italiens" - zu kümmern. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei fast 30 Prozent. Während Millionen junge Arbeitnehmer bestenfalls prekäre Jobs haben, profitieren wenige Privilegierte von einem stark abgesicherten System. Der 68-jährige Monti versprach, auch bei den Privilegien der Politiker anzusetzen.

Griechenland: "Nationaler Neubeginn" mit einem neuen Budget

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Kaum hatte sich die Dunkelheit über das Zentrum von Athen gelegt, flogen sie wieder, die Brandsätze wütender Bürger, die Spezialpolizei reagierte mit Tränengas. Ausnahmsweise waren es nicht von Gewerkschaften angeführte Demonstranten gegen die vielen griechischen Sparpakete, sondern 300 Autonome. Sie erinnerten mit ihrem feurigen Auftritt vom Donnerstag an den 38. Jahrestag des von Sicherheitskräften blutig niedergeschlagenen Studentenaufstands gegen die rechte Militärjunta.

Auch für den Freitag waren wieder Proteste - und in deren Windschatten Randale vermummter Autonomer - erwartet worden. Denn am Nachmittag wollte Finanzminister Evangelos Venizelos den Haushalt für 2012 präsentieren. Es ist zugleich der erste, für den der neue Premier und Finanzexperte Papademos, der eine Übergangsregierung anführt, verantwortlich zeichnet.

Privatisierungen Das Budget sieht Mehreinnahmen von 57 Milliarden Euro im Vergleich zu 2011 vor, unter anderem durch ein strengeres Steuerregime im Land, in dem traditionell nur jene Abgaben leisten, die als Angestellte gar nicht anders können. Außerdem soll es Privatisierungen geben von der staatlichen Lotteriegesellschaft über Häfen bis zu regionalen Flughäfen.

Die Ausgaben sollen von 71 auf 66 Milliarden Euro gedrückt werden. Die elf Milliarden, die von den Griechen eingespart werden sollen, dürften auch Tausende Staatsbedienstete betreffen, deren Entlassung im Raum steht.

Venizelos sprach von einem "nationalen Neubeginn", für den das Land keine weiteren Einsparungen brauche, wenn es die bisher beschlossenen umsetze - wohl aber den diskutierten Schuldenschnitt griechischer Anleihen in Höhe von 50 Prozent. Zugleich prognostiziert Venizelos ein weiteres Schrumpfen der maroden Wirtschaft um 2,8 Prozent.

Polen: Rotstift bei Bauern, Klerus und Rentnern

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In seiner Vorstellung des Regierungsprogrammes hatte der am Freitag als neuer polnischer Premier vereidigte Donald Tusk eine gute und eine schlechte Nachricht: Das Bruttosozialeinkommen sei in der Zeit zwischen 2008 und 2011 um 15,4 Prozent gestiegen - ein Spitzenplatz, der europäische Durchschnitt liege bei vier Prozent.

Die schlechte Nachricht: Es stünden noch "harte Arbeit und schwierige Herausforderungen" bevor. Der Liberale plant, das Haushaltsdefizit des Jahres 2010 von 7,9 für Ende 2012 auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken, im Jahr 2015 soll ein Prozent erreicht werden. Tusk will in vier Jahren den Euro einführen, ohne sich auf das Datum festzulegen. Das Maastricht-Kriterium für den Euro-Beitritt verlangt, dass das Haushaltsdefizit drei Prozent nicht übersteigt.

Finanziert werden soll dies durch viele Maßnahmen: Vor allem die stufenweise Anhebung des Rentenalters von 60 für Frauen und von 65 für Männer auf 67 Jahre sorgte für Aufsehen. Aber auch die vom Staat finanzierten Krankenversicherungen für Geistliche sowie Landwirte will er kappen, zudem Frühpensionen bei den gern rebellierenden Bergleuten beschneiden. Gerichte sollen um ein Drittel schneller agieren als bisher. Nur so könnten die Renten gesichert sein.

Der polnische Premier ließ jedoch konkrete Zahlen vermissen. Nach Finanzminister Jacek Rostowski sollen die Reformen erst 2013 in Kraft treten.

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