EU-Gipfel: Tag der Entscheidung für Europa

EU-Gipfel: Tag der Entscheidung für Europa
Krisengipfel voll Dramatik in Brüssel: Bringt er wieder keine Resultate, droht eine Kettenreaktion auf den Weltmärkten.

Mittwochabend müssen die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten und anschließend der 17 Euro-Länder in Brüssel Farbe bekennen. Beim entscheidenden Gipfel über die Euro-Krise geht es um nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft der gemeinsamen Euro-Währung und der Europäischen Union.

Österreich geht mit einer so klaren Forderung wie noch selten in den EU-Gipfel: "Unverzichtbar" ist für die Bundesregierung eine Lösung der Griechenland-Krise, deponierte Bundeskanzler Werner Faymann. Er warnt vor einem Scheitern des Gipfels: "Die negativen Auswirkungen könnten in einer Kettenreaktion auch zu uns kommen."
Nicht nur in Wien, in allen Hauptstädten Europas ist man sich der Dramatik bewusst: Scheitert der Krisengipfel am Mittwochabend, könnten alle Dämme brechen - Europa könnte in eine schwere Rezession schlittern.

Als schlechtes Vorzeichen wurde gewertet, dass das Treffen der EU-Finanzminister vor dem Gipfel kurzfristig abgesagt wurde. Zu viele technische Fragen seien offen, hieß es. Prompt drehten die europäischen Aktienmärkte in die Verlustzone.

Kanzler Faymann dämpfte Dienstagabend die Erwartungen: Vor allem zeige sich derzeit keine Bereitschaft des privaten Sektors, also der Banken und Versicherungen, Griechenland die Hälfte der Schulden zu erlassen.

Spekuliert wurde, dass sich die Staats-und Regierungschefs nur auf eine politische Paket-Lösung einigen, offene Sachfragen aber an die Finanzminister weiterreichen.

Folgende Positionen zu den großen Themen des Gipfels zeichnen sich ab:

Griechenland-Hilfe Der Bericht der Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF zeigt, dass das Land im schlimmsten Fall weitere 444 Milliarden Euro benötigt. Nur wenn die privaten Kreditgeber auf bis zu 60 Prozent ihrer Forderungen verzichten, kann Athen mit den 109 Milliarden Euro des zweiten Hilfspakets auskommen.

Euro-Rettungsschirm Er wird wohl auf mindestens eine Billion Euro ausgeweitet. Nach Berechnungen der deutschen Commerzbank benötigen die fünf Krisenländer Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien bis 2014 rund 900 Milliarden Euro. Der aktuelle Schutzschirm ist mit 440 Milliarden Euro dotiert - er muss daher entsprechend erweitert werden. Fällt auch der Staat als Kreditgeber aus, soll der Euro-Rettungsschirm herhalten. Etwas mehr als 100 Milliarden Euro sollen dafür bereit gestellt werden.

Bankenhilfe
Um Banken krisenfester zu machen, müssen sie ihre Rücklagen (Kernkapitalquote) deutlich erhöhen. Wer das nicht auf dem freien Markt kann, weil Geldgeber misstrauisch sind, muss sich an den Staat wenden.

EU-Vertrag Fraglich ist die von Deutschland geforderte EU-Vertragsänderung. Defizitsünder sollen per Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zum Sparen gezwungen werden können. Doch der Großteil der EU-Staaten will diese Debatte derzeit nicht führen.

Die EU-Kommission dürfte der große Verlierer im Kompetenzstreit sein. Nicht sie, sondern ein eigener Ratspräsident der Eurozone soll die wirtschaftspolitische Steuerung im Euroraum übernehmen. Erster Euro-Vorsitzender soll Herman van Rompuy sein, der bereits jetzt EU-Ratspräsident ist.

Wie schwer es die Regierungen haben, in Zeiten der Krise ihre Europa-Politik durchzusetzen, zeigt sich nicht nur in Italien und Deutschland. Zwar hatte sich Montagabend kurz vor Mitternacht Premierminister David Cameron im britischen Unterhaus in einer wichtigen Parlaments-Abstimmung durchgesetzt: Mit 483 gegen 111 Stimmen wurde der Antrag abgelehnt, ein Referendum über einen Austritt Großbritanniens aus der EU abzuhalten.

Euro-Rebellen

Es war aber ein Pyrrhus-Sieg für Cameron. 81 Abgeordnete seiner konservativen Partei hatten für das Referendum gestimmt: Die bisher größte Rebellion gegen einen konservativen britischen Regierungschef in Sachen Europa-Politik. Umfragen geben den Euro-Gegnern recht: Derzeit sind 49 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU, 40 Prozent wollen in der EU bleiben. Ein schwerer Rucksack, mit dem Cameron am Mittwoch nach Brüssel fährt.

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