Erdrückende Last für US-Studenten
Die Lust aufs College ist Rebekah Reagan gleich wieder vergangen – und zwar beim Ausfüllen des Antragsformulars für einen Studentenkredit. Im Herbst möchte sie an der Georgia State University in Atlanta Soziologie studieren. 2000 bis 3000 Dollar pro Jahr fehlen ihr dazu, die sie über einen Kredit finanzieren will – "in Summe aber nicht mehr als 10.000 Dollar", sagt die angehende Studentin im Gespräch mit dem KURIER: "Mir in so jungen Jahren eine finanzielle Bürde aufzulasten, bereitet mir Sorgen. Was, wenn ich nach dem Studium keinen angemessenen Job finde, wo die Lage am Arbeitsmarkt ohnehin nicht rosig ist? Ich habe Zukunftsängste und das, obwohl ich dank eines Stipendiums doch weniger Schulden machen muss als viele meiner Kollegen."
Tatsächlich hat der Durchschnitts-Student im Lauf seines Studiums 29.400 Dollar Schulden angehäuft. Seit Mitte 2012 ist das Volumen der ausfallsbedrohten Studentendarlehen sprunghaft angestiegen. "Die wachsende Zahl an Studenten, die mit ihren Raten im Verzug sind, ist beunruhigend", räumte US-Bildungsminister Arne Duncan Ende 2013 ein. Und so werden Studentenkredite seit geraumer Zeit als die nächste Kreditblase angesehen, die in Übersee anschwillt und zu platzen droht.
Schuldeneintreiber

Und auch die in den USA so wichtige Kreditwürdigkeit schmilzt dahin. Manche gehen sogar so weit, ihre Krankenversicherung zu kündigen. Denn eine Privatinsolvenz ist nicht möglich: Studentenkredite sind von dieser ausgenommen – sie müssen also in jedem Fall zurückgezahlt werden.
Wenn Absolventen ihre Raten bedienen können, fehle ihnen das Geld woanders, warnen Wirtschaftswissenschaftler: Junge Amerikaner würden mehr und mehr davor zurückschrecken, Häuser oder Autos zu kaufen. Auch die Start-up-Szene leidet.
Zahlt sich da Bildung überhaupt aus? Die Gehaltskurve der Uni-Absolventen sinkt seit etlichen Jahren, während die Schuldenbelastung steigt.
Zinsen steigen

Weit sind die privaten US-Haushalte nicht mehr von ihrem historischen Schuldenrekord entfernt. Der lag im Herbst 2008 bei unfassbaren 12.700 Milliarden Dollar.
Danach zwang die Krise die US-Bürger, ihre Verschuldung zurückzufahren. Viele Eigenheimkredite standen unter Wasser – und die machen mit 70 Prozent den größten Teil der Finanzverpflichtungen aus. Die gängige Praxis, das Haus als Sicherheit zu nehmen und sich mit geborgtem Geld ein schönes Leben zu machen, war abgestellt. Aber nicht sehr lange.
Weit sind die US-Bürger mit dem Schuldenabbau jedenfalls nicht gekommen. Der ab 2003 (siehe Grafik) angehäufte Schuldenberg hat sich nur minimal verringert. Und seit Sommer 2013 steigt er überhaupt wieder an.
Viele US-Ökonomen und auch der Internationale Währungsfonds (IWF) werten das sogar positiv: Schließlich hängt das US-Wachstum stark von der Nachfrage der Haushalte ab. Und die sind auf dem Papier wieder "reicher", weil die Aktienkurse gestiegen sind und sich die Hauspreise erfangen haben.
Der IWF analysiert zwar, dass dieser Vermögenszuwachs nur bei den obersten zwanzig Prozent angekommen ist, begrüßt aber dennoch, dass die Kreditvergabe in Gang kommt. Nur: Warum sollten die US-Bürger jetzt Schulden schultern können, die noch vor fünf Jahren untragbar waren und zur Immobilienkrise geführt haben?
Kein Job? Neues Auto!
Besonders bedenklich sind Kreditexzesse wie vor dem Platzen der Blase 2007. Der Anstieg der Studentenkredite ist schwindelerregend: 2003 waren es 240 Milliarden, mit denen die US-Bildungselite in der Kreide stand, mittlerweile sind es fast 1200 Milliarden Dollar. Davon sind bei gut elf Prozent – oder 125 Milliarden – Raten 90 Tage oder mehr überfällig.
Noch irrwitziger sind die Praktiken bei Automobilkrediten: Rodney D., seit 1991 arbeitslos und Sozialhilfe-Empfänger, erhielt 15.000 Dollar für den Kauf eines gebrauchten Mitsubishi, schilderte die New York Times. Kein Einzelfall. US-Konsumenten können Kredite aufnehmen, die den Wert des gekauften Gefährtes weit übersteigen. Der "Subprime"-Anteil, also für Menschen mit extrem schlechter Bonität, macht gut ein Viertel der Autokredite aus. Tendenz steigend. Für die Autokäufer sind die Zinsen zwar horrend, viele werden die Schulden bis an ihr Lebensende nicht los. Den Anbietern ist das egal: Kann ein Kreditnehmer nicht zahlen, wird ihm per Fernsteuerung die Zündung abgestellt. Und das Auto weiterverscherbelt.
Die US-Regierung schraubt ständig an den Darlehen herum, sodass US-Studenten vor einem Dickicht an Zahlungsoptionen stehen: Klassisch ist die fixe Monatsrate (Minimum 50 Dollar) über (je nach Kredithöhe) einen Zeitraum von 10 bis 30 Jahren. Bei gestaffelter Rückzahlung ist die Rate anfangs niedrig, steigt aber alle zwei Jahre an. Für Geringverdiener gibt es einkommensabhängige Varianten, wo zum Beispiel 15 Prozent des Einkommens über 25 Jahre oder "nur" 10 Prozent des Einkommens über 20 Jahre Laufzeit retourniert werden müssen. Am Ende der Laufzeit verfällt die Restschuld, allerdings können Steuerzahlungen fällig werden. Bei problematischer Finanzlage können Raten ausgesetzt werden – bei Arbeitslosigkeit bis zu drei Jahre. Wer in öffentlich-rechtlichen Behörden oder NGOs arbeitet, darf nach zehn Jahren um Erlass der Restschuld ansuchen.
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