Elektronische Dampf-Revolution

Elektronische Dampf-Revolution
Dampfen statt rauchen: Der Trend erobert Österreich – an die zehn Shops allein in Wien.

Samstag, kurz vor zehn Uhr: In wenigen Minuten öffnet Manfred Achleitner seinen Dampfershop am Rennbahnweg, in dem er E-Zigaretten und Zubehör verkauft. Draußen warten bereits die ersten Kunden. Wenig später haben seine Mitarbeiter alle Hände voll zu tun. Das Geschäft läuft. An die 45 Modelle stehen zur Auswahl, von 15 bis 180 €. Die Liquids tragen ausgefallene Namen wie "Drachenblut", "Punschmix" oder "Bubblegum". 90 Sorten werden angeboten.

Elektronische Dampf-Revolution
Seit sechseinhalb Jahren betreibt Achleitner einen Laden für E-Zigaretten. Die Umsätze wachsen stetig. Etwa 15 Mitarbeiter sind teilzeitbeschäftigt. An guten Tagen kommt die Filiale Rennbahnweg auf fünfstellige Umsätze – über das Jahr gerechnet sind es etwa eine Million Euro. Alleine in Wien gebe es bereits an die zehn Shops für E-Zigaretten, weiß Achleitner. Demnächst will er in der Simmeringer Hauptstraße ein weiteres Geschäft eröffnen.
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Alternative zum Qualm

Der 43-Jährige ist eigentlich Softwareentwickler für die Medizinbranche. Bei einer Dienstreise in die USA entdeckte der ehemalige Kettenraucher die elektrischen Zigaretten. Achleitner schaffte prompt den Umstieg. Von zweieinhalb Packungen täglich auf null. Seine Lebensqualität habe sich seither rapide verbessert. Die Geschmacksknospen auf der Zunge haben sich regeneriert, die Lungenfunktion hat sich gesteigert. Wie er benutzen viele seiner Kunden das Dampfen, um vom Tabakrauchen loszukommen.

Michael Kunze, Professor am Institut für Sozialmedizin der Medizinischen Universität Wien, sieht die E-Zigaretten eindeutig als das geringere Übel an. "Die E-Zigaretten sind nach unserem Wissensstand weniger gefährlich als die üblichen – das heißt aber nicht, dass sie ungefährlich sind." Die Langzeitfolgen seien bisher zu wenig erforscht. Der Arzt rät von einer Entwöhnung mithilfe von E-Zigaretten ab. "Es ist ein erster Schritt, den wir aus medizinischer Sicht durchaus begrüßen. E-Zigaretten sind dennoch kein wissenschaftlich erprobtes Mittel, um mit dem Rauchen aufzuhören. Wir empfehlen zur Entwöhnung weiterhin die Kombination von psychologischen Verfahren mit nikotinhaltigen Medikamenten."

Noch keine Regulierung

Obwohl Manfred Achleitner leidenschaftlich über E-Zigaretten philosophiert, gibt er ehrlich zu: "Rückblickend wäre mir lieber, ich hätte mir das Rauchen und somit das Ganze erspart."

Das Gesundheitsministerium und die EU arbeiten daran, dem ungehemmt wachsenden Geschäft einen Riegel vorzuschieben – und E-Zigaretten dem Tabakgesetz unterzuordnen. "Dieser Wildwuchs an Vertriebsmöglichkeiten – über Shops und Internet – wird aufhören müssen. E-Zigaretten sollen besteuert werden wie Tabak und auch nur in Trafiken verkauft werden", fordert Kunze. Einer Reglementierung steht auch Manfred Achleitner aufgeschlossen gegenüber – vor allem bei den Shops. "Wichtig ist, dass nur dort verkauft werden darf, wo fachkundig beraten wird." Einer steuerlichen Mehrbelastung blickt er gelassen entgegen. "Ich bin mir sicher, dass eine Steuer wie für Tabak die Konsumenten nicht stören würde – weil das Dampfen immer noch besser ist als der Tschik."

Die Idee einer elektrischen Zigarette mit Wasserdampf anstelle von Tabakrauch ist über 50 Jahre alt. 1963 reichte ein US-amerikanischer Erfinder ein Patent ein. In Serie ging seine Vision nie. Erst vier Jahrzehnte später kamen die ersten E-Zigaretten in China auf den Markt. Seither verbreiten sie sich über den Globus.

E-Zigaretten bestehen im Wesentlichen aus einem Mundstück, einem Tank, einem Verdampfer und einem Akku (siehe Grafik oben). Über einen Schalter erhitzt sich eine Heizspule im Verdampfer auf über 70 Grad Celsius. Das Liquid (flüssige Mischung aus Propylenglykol – wird auch für Nebelmaschinen verwendet – und Glyzerin, wahlweise mit Aromen und Nikotin versetzt) verdunstet. Der entstehende Dampf ist vergleichsweise schadstoff- und geruchsarm.

Nikotinhaltige Liquids dürfen wie Tabak erst ab 16 Jahren erworben werden. Bis zu einer Dosis von 20 Milligramm pro Liter sind sie im freien Verkauf erhältlich. Darüber fallen die Liquids unter das Arzneimittelgesetz – der Verkauf ist nur Apotheken gestattet. Im öffentlichen Verkehr (inklusive Flugverkehr) ist das Dampfen praktisch überall untersagt. In der Gastronomie unterliegt die Entscheidung dem Betreiber.

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