Drinnen Party, draußen Protest: Chaostag in Frankfurt
Schwarze Rauchschwaden schlängeln sich träge und schwer um Frankfurts Hochhaustürme. Hubschrauber kreisen über der deutschen Bankenmetropole, unten, auf den Straßen brennen Mülltonnen und Autos, heulen Polizeisirenen. Was am Mittwoch aussah wie ein Kriegsschauplatz, war der seit Langem angekündigte Protest der kapitalismuskritischen „Blockupy“-Bewegung, die schon am frühen Vormittag in heftige Zusammenstöße zwischen Protestierern und Polizisten mündete. Pflastersteine und Böller flogen gegen die Sicherheitskräfte. Die wiederum antworteten mit Tränengas und Wasserwerfern. Schon am frühen Nachmittag musste die Polizei eine erste, blutige Bilanz ziehen: An die hundert Sicherheitskräfte wurden verletzt.
Bilder aus Frankfurt
Anlass der "Blockupy"-Proteste, zu denen aus ganz Europa Demonstranten angereist waren: Die offizielle Eröffnung des 1,3 Milliarden Euro teuren Neubaus der Europäischen Zentralbank. (Mehr zu dem Gebäude erfahren Sie hier).
Drinnen, im glänzenden neuen Stahl- und Glaskoloss der Euro-Gralshüter, hatte man die Feierlichkeiten bewusst bescheiden gehalten. In seiner Festrede vor knapp hundert geladenen Gästen ging EZB-Präsident Mario Draghi kurz auf die Demonstrationen draußen vor der Tür ein: Viele unzufriedene Menschen im Euro-Raum hätten in den vergangenen Jahren der Wirtschaftskrise Einkommen und Wohlstand verloren. Als eine Institution, die in der Krise eine zentrale Rolle spiele, sei die EZB in den Fokus der Frustrierten geraten, sagte Draghi: "Möglicherweise ist dieser Vorwurf nicht fair. Denn unser Handeln zielt genau darauf ab, die wirtschaftlichen Schocks abzufedern."
Widerstand gegen die Sparpolitik
Draußen, auf der Straße, inmitten eines mehrere Tausend Menschen zählenden Demonstrationszuges sieht dies Lisa Mittendrin ganz anders. „Wir sind heute hier, um unseren Widerstand gegen die Krisen- und Kürzungspolitik zu zeigen. Diese Politik, die auch von der EZB forciert wird, hat in vielen europäischen Ländern die Sozialsysteme zerschlagen“, sagt das Vorstands-Mitglied von Attac Österreich zum KURIER. „Und wir sind hier, weil die EZB ihre neue Zentrale eröffnet. Und so, wie sich diese Politik auswirkt, glauben wir, dass dies kein Tag zum Feiern ist.“
Die Zusammenstöße mit der Polizei, die fliegenden Pflastersteine, so Lisa Mittendrin, dies seien nur „einzelne, bedauerliche Aktionen“. Am Nachmittag hatte sich die Lage in der Stadt wieder weitgehend beruhigt, zwei Demonstrationszüge bewegten sich friedlich durch die Altstadt. Das Gelände der EZB blieb hingegen weiträumig abgesperrt.
Im Hubschrauber zur Eröffnung
OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny musste per Hubschrauber vom Frankfurter Flughafen zum neuen EZB-Gebäude geflogen werden: In der Stadt war alles abgeriegelt, der öffentliche Verkehr stand still. Nowotny: „Es ist sehr bedauerlich, dass so etwas passiert“, sagte Nowotny zum KURIER. „Die EZB ist immer bereit zum Dialog, aber hier wird das Demonstrationsrecht missbraucht.“
So wie die EZB europäisch ist, war auch der Protest ein europäischer: Österreichische Teilnehmer hatten sich ebenso eingefunden wie spanische. An den brennenden Mülltonnen wurde italienisch gesprochen, auch griechische Demonstranten gingen rund um die Hochhäuser der Bankenmetropole auf die Straße. Die Mehrheit friedlich, ein kleiner Block vermummt und aggressiv.
Für den Deutschen Gewerkschaftsbund, Veranstalter einer der Protestzüge am Mittwoch, ist die EZB nur eines von vielen möglichen Symbolen für den Protest gegen die europäische Krisenpolitik. „Man könnte genauso gut vor dem Kanzleramt, den Großbanken oder der EU-Kommission demonstrieren“, sagt Frankfurts DGB-Chef Harald Fiedler. Der mächtige EZB-Neubau biete sich jedoch besonders an.
Kommt hinzu, dass Frankfurt ein symbolträchtiger Schauplatz ist: Bereits vor drei Jahren hatten bei der ersten Demo des linken, bankenkritischen Blockupy-Bündnisses rund 20.000 Menschen friedlich demonstriert. Und schon vom November 2013 an hatte man geplant: Der Tag der Eröffnung des EZB-Neubaus sollte ein Tag des Protestes werden.
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