Die NOHAS: Die Gutmensch-Konsumenten

Wenn Natalie Herzlieb und Herbert Bren von „Green Wedding“ sprechen, denken sie nicht an ein Heiratsversprechen zwischen einem Rapid-Spieler und seinem weiblichen Fan. Die grüne Hochzeit, ein Trend aus den USA, steht für eine Öko-Feier abseits von Jutekleid und Barfuß-Trauung und ist „Thema des Monats“ auf der neuen Internet-Plattform für Nachhaltigkeit.
Bindungswillige erhalten dort Anregungen, wie sie schön feiern und gleichzeitig etwas für die Umwelt tun können: Wasserlösliches und biologisch abbaubares Konfetti; Champagner aus Demeter-Trauben, gewachsen am biodynamisch betriebenen Weinberg; regionale und saisonale Blumen für die Tisch-Deko und selbige Spezialitäten für die Festtafel; Trauringe aus recyceltem Gold; ein Brautkleid aus Fair-Trade-Baumwolle. Und keinesfalls vergessen: Online-HochzeitsEinladungen sparen Papier und der Honeymoon im Eco-Resort befriedigt auch die Moral.
Der Spleen einer Randgruppe? Mitnichten. Immer mehr Konsumenten verlangen nach ökologischen, sozial fairen sowie nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen. 70 Prozent, so aktuelle Umfragen, begrüßen, wenn sie mit dem Kauf eines Produkts gleichzeitig etwas Gutes für die Gesellschaft tun können. Gleichzeitig wird von den Unternehmen derartiges Engagement eingefordert. Das Motto lautet: Sozial ist das neue Bio.
Echte Weltverbesserer

„Ob Bio-Produkte oder ökologisches Wohnen – diese Entwicklung ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, sagt Harry Gatterer vom Zukunftsinstitut Österreich. „Die LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability, Anmerkung) sind da. Und erzeugen auch schon eine ,nächste Generation‘“. Die Trendforscher bezeichnen sie als NOHAS: Not only Health and Sustainability. „Die nächste Avantgarde kümmert sich dabei weniger um schicke grüne Labels und Öko-Versprechen, sondern fordert echtes Interesse an der Welt.“
Eine Umfrage in Deutschland unter 5026 Frauen im Alter zwischen 14 bis 70 Jahren illustriert den Bewusstseinswandel: Bei ihren Kaufentscheidungen stehen transparente, faire und verantwortungsbewusste Produktionsbedingungen im Vordergrund, so die Analyse. 71 Prozent der Frauen sagten, sie würden keine Produkte von Unternehmen kaufen, die Waren unter bedenklichen Bedingungen wie Kinderarbeit herstellen. 47 Prozent nähmen sogar Qualitäts- und Komforteinbußen in Kauf, wenn sie von der Nachhaltigkeit eines Produktes überzeugt sind.
Sozial- und Öko-Marketing sind also auf dem Vormarsch: Es gibt klimaneutrale Flüge und Mineralwasser-Firmen, die Brunnen in Äthiopien bauen, Fischstäbchen-Hersteller, die den Fisch-Bestand und Eis-Produzenten, die die Bienen retten wollen. Die freiwillige Verantwortung der Unternehmen, gerne auch Corporate Social Responsibility oder Nachhaltigkeit genannt, könne „zu einem entscheidenden Imagefaktor und damit zum Treiber wirtschaftlichen Erfolgs werden“, sagt Dietmar Pech-Lopatta von der deutschen Gesellschaft für Konsumforschung. Die Zahl der Investmentfonds, die in nachhaltige Produkte investieren, nimmt zu, Ethikbanken gewinnen neue Kunden.
Ego-Schweine
Ob diese Kunden für die vermeintlich moralischeren Produkte aber auch mehr Geld zahlen wollen, ist noch unklar. „Konsumenten sind genauso häufig oder genauso selten Ego-Säue wie Unternehmen“, sagt der deutsche Konsumpsychologe Jens Lönneker. „Wir saufen das Krombacher-Bier, weil sie den Regenwald unterstützen und sitzen dabei auf einer Bank, für die Holz aus dem Regenwald geschlägert wurde.“ Wenn man potenziellen Kunden allerdings ein Spektrum ähnlicher Dinge offeriert, biete das Gutsein einen zusätzlichen Kaufanreiz.
Das Fatale für die Marktforscher: Diese Konsumenten sind nur schwer festzumachen. Gatterer: „Man findet Menschen mit ökologisch-korrektem Einkaufsverhalten in allen Schichten der Bevölkerung. In der Stadt sind es vielleicht die hippen, jungen Typen, die gern in Bio-Läden einkaufen. Am Land kann es die Oma von nebenan sein. “
International geschürt wurde diese Bewegung von Stars wie DiCaprio, der vor einigen Jahren mit einem Hybrid-Auto zur
Oscar-Verleihung fuhr. „Da ging es dann ganz stark um Image“, ergänzt der Trendforscher. „In Zukunft, bei den NOHAS, wird das Image weniger wichtig sein.“
Orientierungslos
Mittlerweile gehöre es zum guten Ton, sich durch den Einkauf zu engagieren. Allerdings: 61 Prozent der potenziellen Umdenker sind mit der Fülle der medialen Informationen schlicht überfordert, hat die Trendstudie „Verbraucherverhalten 2011“ ergeben. Und hier hakt die eingangs erwähnte Online-Plattform für Nachhaltigkeit ein: „Wir haben die Idee aus einem eigenen Bedürfnis heraus entwickelt“, sagt Mit-Gründerin Natalie Herzlieb. Nach sechs intensiven Recherche-Monaten sei ihre Orientierungsplattform für nachhaltigen Lebensstil aber jetzt online.
Die Kommunikationsexpertin hat einen bewusst positiven Zugang zum Thema gewählt: „Verurteilende Berichte und negative Zukunftsszenarien für den Planeten wirken kontraproduktiv. Wir möchten uns auf die positiven Beispiele konzentrieren und zeigen, wie viel Spaß es macht, nachhaltig zu leben.“
„Im Zentrum dieser Entwicklung geht es letztlich um Echtheit und Haltung. Und nicht um Schein und Marketing“, sagt Trendforscher Gatterer. Und erzählt von einer Druckerei in Melk, die sich seit Jahren auf Nachhaltigkeit spezialisiert hat. „Als ich das letzte Mal dort war, musste der Firmenchef, Herr Gugler, weg, weil er noch rasch 200 Bäume pflanzen ging. ,Damit die Webseiten, die vom Unternehmen betreut werden, klimapositiv sind‘, wie Herr Gugler dies nennt.“ Nachhaltig durchsetzten werden sich nämlich nur jene Unternehmen, die es ernst meinen.
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