Die Iren – ein Vorbild für die Griechen?

Ein Barkeeper steht hinter der Theke in einem Pub mit Zapfhähnen für Guinness und Bulmers.
Referendum über den Fiskalpakt in Irland: Eine Umfrage-Mehrheit will strengere Budgetregeln.

Am kommenden Donnerstag wird ausnahmsweise nicht Griechenland, sondern Irland im Fokus der EU-Granden sein. An diesem Tag stimmen die Bürger auf der Grünen Insel über den EU-Fiskalpakt ab. Dieser zwingt die beteiligten Länder zu mehr Budgetdisziplin. Im Gegenzug können sie im Krisenfall mit vergleichsweise billigem Geld aus dem Euro-Rettungsschirm rechnen.

Irland ist das einzige EU-Land, in dem eine solche Abstimmung stattfindet. Bereits 2001 und 2008 hatten die Iren bei wichtigen EU-Abstimmungen Nein gesagt – und damit EU-Reformen blockiert. Erst im zweiten Anlauf stimmten sie für die Verträge von Nizza bzw. Lissabon.

Diesmal ist es anders: Der EU-Fiskalpakt tritt auch in Kraft, wenn Irland Nein sagt.

Horrorszenario

Ein Taxifahrer lehnt an seinem blauen Taxi.

Davor warnt Premierminister Enda Kenny. Er wirbt seit Wochen für ein Ja seiner Landsleute beim Referendum am 31. Mai: "Der Fiskalpakt ist im nationalen Interesse Irlands." Ein Nein würde Investoren abschrecken. Ein Austritt aus der Euro-Zone und eine neue Rezession würden drohen.

Irland wurde von der Finanzkrise im Jahr 2008 besonders hart getroffen. Die Rettung wichtiger Banken ließ das Budgetdefizit 2010 auf 30 Prozent (!) steigen.

Im Gegenzug zu anderen EU-Problemländern ist Irland aber wieder auf dem Weg aus der Krise. Die strengen Sparvorgaben von EU, IWF und EZB wurden bisher allesamt umgesetzt. Trotz der Einschnitte wächst die Wirtschaft derzeit leicht.

Nein zum Fiskalpakt sagen die meisten Gewerkschaften und die links-nationalistische Oppositionspartei "Sinn Féin" (sie galt lange als politischer Arm der Terrororganisation IRA). Die Fiskalpakt-Gegner warnen vor noch mehr Einschnitten – und punkten damit bei der leidgeprüften Bevölkerung.

"Ich werde mit Nein stimmen. Wir hatten schon so viele Sparpakete in den vergangenen Jahren. Mit dem Fiskalpakt wird es noch härter", sagt Peter Conway, der in einem Pub in Norddublin arbeitet, zum KURIER. Das Geschäft gehe schlecht, klagt der Vater zweier Kinder. "Die Menschen trinken jetzt mehr Zuhause."

Conway glaubt nicht, dass Irland den Euro verlieren würde, wenn die Bevölkerung den Fiskalpakt ablehnt: "Das ist Angstmache der Regierung."

Auch die Hausfrau und dreifache Mutter Breda O’Connell will mit Nein stimmen: "Nach dem Führungswechsel in Frankreich wird der Fiskalpakt sicher aufgeschnürt. Da wären wir doch blöd, wenn wir jetzt Ja sagen." Eines stimmt sie nachdenklich: "Dass nur die Verrückten für Nein kampagnisieren." – Womit sie "Sinn-Féin" meint.

Unentschlossene

Laut einer aktuellen Umfrage im Auftrag der angesehenen Irish Times ist noch mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten unentschlossen. Die Befürworter sind aber in der Mehrheit.

Einer von ihnen ist Taxi-Unternehmer Gerard Doorley. "Jeder, der seine Sinne halbwegs beieinander hat, muss mit Ja stimmen. Ich traue den Politikern generell nicht – in Dublin wie sonstwo in Europa. Die haben keine Ahnung vom Wirtschaften und Haushalten", erklärt er. Die Regeln des Fiskalpakts würden die Regierenden dazu zwingen, nicht mehr auszugeben, als sie einnehmen."

Doorley glaubt, dass Irland EU-weit Vorbild sein könnte: Als Land, das spart, aber trotzdem ein Wirtschaftswachstum hat.

Die vielen Klagen seiner Landsleute über zu große Einschnitte sind für Doorley nicht immer nachvollziehbar: "Schauen Sie da hinüber. Die Menschen kaufen sich immer noch ein Eis."

Wirtschaft: Erst Boom, dann Crash

Aufstieg Bis zum Jahr 2008 erlebte Irland einen 20 Jahre dauernden Wirtschaftsboom. Er brachte dem Land die Bezeichnung "Keltischer Tiger" und viel Bewunderung ein.

Absturz Dann kam die Finanzkrise. Sie traf Irland besonders hart. Eine riesige Immobilienblase platzte, die Regierung musste wichtige Banken notverstaatlichen. Im Dezember 2010 musste Irland als erster Staat Geld aus dem Euro-Rettungsschirm beantragen (70 Milliarden Euro).

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