Deutschland: Streik der Lokführer wird beendet

Aufatmen am Bahnsteig: Die deutsche Lokführergewerkschaft GDL hat sich mit der Deutschen Bahn überraschend auf eine Schlichtung geeinigt und beendet ihren neunten Streik bei dem Konzern noch vor Pfingsten. Darauf verständigten sich beide Seiten am Donnerstag. Die GDL benannte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) als Schlichter. Die Deutsche Bahn entschied sich für den brandenburgischen Ex-Regierungschef Matthias Platzeck (SPD). Mit Ramelow ist erstmals ein regierender Spitzenpolitiker Schlichter in einem großen Tarifkonflikt. Linken-Politiker Ramelow warf der Bahn unmittelbar nach seiner Nominierung "unprofessionelles Verhalten" in dem festgefahrenen Tarifkonflikt vor und kritisierte auch den Bund als Eigentümer.
Trotz der Schlichtung mit der GDL ist die Streikgefahr bei der Bahn keineswegs gebannt: Denn die größere Gewerkschaft EVG drohte der Bahn ihrerseits vor dem Beginn "finaler Verhandlungen" am (heutigen) Donnerstag mit einem Arbeitskampf. "Die Chancen stehen fünfzig zu fünfzig", sagte EVG-Verhandlungsführerin Regina Rusch-Ziemba in Berlin, wo die Gewerkschaft mit der Bahn verhandelte. Die streikenden GDL-Lokführer werden sich laut Gewerkschaftschef Claus Weselsky am Donnerstag um 19.00 Uhr wieder zum Dienst melden. Es sei Sache der Bahn, den Verkehr dann möglichst schnell wieder zum Laufen zu bringen. Der Konzern betonte, die notwendigen Maßnahmen für die Kunden seien bereits am Vormittag angelaufen. Die Bahn arbeitet nach eigenen Angaben "mit Hochdruck" daran, zum normalen Fahrplan zurückzukehren.
Durchbruch
Die Schlichtung soll am kommenden Mittwoch (27. Mai) beginnen und ist für drei Wochen vorgesehen. Bis Mitte Juni sind Streiks damit ausgesetzt, denn während des Verfahrens herrscht Friedenspflicht. "Schlichten und Schweigen ist das Gebot", sagte Platzecks Referent Wieland Eschenburg in Potsdam. Ramelow betonte, er sehe gute Chancen auf eine Lösung im seit Monaten tobenden Tarifstreit. Mit der Einigung auf ein formelles Schlichtungsverfahren sei ein zentraler Durchbruch gelungen, sagte er in Erfurt.
An die Adresse der deutschen Regierung sagte Ramelow dem rbb-Inforadio, sie habe mit der geplanten Gesetzesänderung freie Tarifverhandlungen reglementieren wollen: "Da muss ich als Gewerkschafter sagen: Das kann man nicht tun. Man kann Gewerkschaften per Gesetz nicht die freien Verhandlungen verbieten." Die Bahn ihrerseits habe keine Grundlagen für eine Tarifvereinbarung geschaffen. Die Streiks im Güterverkehr hatten nach Angaben von Wirtschaftsvertretern Hunderte Millionen Euro Schaden verursacht.
Unterschiedliche Tarife
Mit der Einigung auf eine Schlichtung sind nach Ansicht der GDL nun unterschiedliche Tarifabschlüsse bei den konkurrierenden Bahn-Gewerkschaften möglich. Die Deutsche Bahn habe zugesagt, dass die von der GDL vertretenen Mitglieder auch dann Tarifverträge bekämen, wenn es keine Tarifeinheit gebe, sagte GDL-Chef Weselsky. Das sei schriftlich festgehalten worden.
Dem Sender hr-1 sagte er, die Einigung auf eine Schlichtung sei "ein wichtiger Zwischenschritt". Zwar werde auch die GDL in der anstehenden Schlichtung "Kompromisse machen müssen". Aber letztlich habe sich die Gewerkschaft mit ihrer Kernforderung, nicht nur für Lokführer, sondern auch für andere Berufsgruppen wie Zugbegleiter oder Bordgastronomen verhandeln zu können, durchgesetzt. Das Ringen zwischen den Tarifparteien um den Beschluss einer Schlichtung hatte laut GDL bis in die Morgenstunden gedauert. Die Gewerkschaft hatte den jüngsten Streik am Dienstag im Güterverkehr begonnen, seit Mittwoch wurde auch im Personenverkehr gestreikt.
Für die Arbeitsniederlegungen war kein Ende angekündigt worden. Nach früheren Äußerungen Weselskys sollten sie noch länger dauern als der vorangegangene rund sechstägige Streik Anfang Mai. Am Pfingstwochenende drohten damit massive Behinderungen, wegen voller Straßen wurden "Superstaus" befürchtet. Am Dienstag hatten Vorgespräche zwischen Bahn und GDL begonnen, die der frühere Bundesarbeitsrichter Klaus Bepler moderiert hatte.
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