Deutschland: Immer mehr Strafzinsen auf Guthaben

Ein 50-Euro-Schein steht in Flammen.
Die Commerzbank hebt Gebühren für hohe Einlagen ein. "Kein Thema", heißt es von Österreichs Banken.

Als erste deutsche Großbank führt die Commerzbank Strafzinsen für einige Kunden ein. „Bei einzelnen großen Firmenkunden mit hohen Guthaben sowie bei Großkonzernen und institutionellen Anlegern behalten wir uns vor, für hohe, aus überschüssiger Liquidität bei uns geparkte Einlagen, eine Guthabengebühr zu berechnen“, erklärte ein Sprecher des teilverstaatlichten Frankfurter Instituts. Damit würde sich Geld auf dem Konto nicht mehr vermehren, sondern weniger werden. Der Sprecher versicherte: „Für Privat-, Geschäfts- und mittelständische Firmenkunden sind grundsätzlich keine negativen Zinsen geplant.“

Das Logo der Commerzbank an einem Geldautomaten.
Die deutsche Commerzbank ist von einem Datenleck betroffen
Die Commerzbank begründete den Schritt mit den negativen Einlagenzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Notenbank verlangt von Finanzinstituten, die Geld bei ihr bunkern, derzeit 0,2 Prozent Zinsen - anstatt selbst Zinsen zu zahlen. Das soll Banken anhalten, überschüssiges Geld als Kredit an Unternehmen und Verbraucher zu geben und so die Konjunktur zu fördern.

Die genossenschaftliche Deutsche Skatbank aus Thüringen hatte kürzlich für Aufregung gesorgt, weil sie den Negativzins seit November an Kunden weitergibt - allerdings nur bei Gesamteinlagen von mehr als drei Millionen Euro. Nun zieht die Commerzbank nach – die genaue Höhe werde individuell mit betroffenen Kunden vereinbart, erklärte der Bank-Sprecher. Auch die Deutsche Bank soll sich bereits mit dem Thema auseinandersetzen.

In der Eurozone erhebt die luxemburgische DZ Privatbank Strafzinsen für Fonds-Kunden. Außerhalb des Euroraums haben nach Angaben von "Wallstreet Online" bis jetzt einige US-Banken wie Goldman Sachs und J.P. Morgan Chase sowie die Schweizer Credit Suisse und die britische HSBC einigen Kunden angekündigt, für hohe Einlagen negative Zinsen zu verlangen.

"Bei uns sind Einlagen herzlich willkommen." Erste-Sprecher

Österreichische Großbanken wollen von solchen Strafzinsen vorerst nichts wissen. "Bei uns sind Einlagen herzlich willkommen", sagte ein Sprecher der börsenotierten Erste Group am Donnerstag. "Sparer, ob private oder Firmen, werden bei uns ihre Einlagen verzinst bekommen." Ähnlich tönt es aus der Raiffeisen Bank International (RBI), aus der BAWAG PSK und der Bank Austria. "Derzeit kein Thema", oder "Es bestehen derzeit keine diesbezüglichen Pläne", heißt es unisono.

Lange galten Strafzinsen in der Branche als Tabu. Doch nach der bis dato kaum bekannten Thüringer Skatbank führt jetzt die zweitgrößte deutsche Bank, die Commerzbank, Gebühren für hohe Geschäftsguthaben ein. Ein Trend?

Drohen Millionen Sparer jetzt negative Zinsen?

Nein, meint Branchenkenner Max Herbst von der Finanzberatung FMH: "Es dürfte Jahre dauern, bis Einlagen unter 250.000 Euro betroffen sein werden." Spareinlagen bis 100.000 Euro hält der Frankfurter Experte für gänzlich ungefährdet von den aktuellen Beschlüssen einzelner Banken: "Der Kleinsparer muss keine Angst haben, dass morgen sein Sparbuch mit 30.000 Euro mit Negativzinsen belastet wird." Auch die Commerzbank versichert: Privatkunden und Mittelstand würden von der Strafgebühr verschont.

Wie sieht es in der Branche insgesamt aus?

"Die Deutsche Kreditwirtschaft erwartet nicht, dass es zu negativen Einlagenzinsen für Privatkunden kommen wird", sagt BVR-Präsident Uwe Fröhlich als Sprecher der Deutschen Kreditwirtschaft. Branchenprimus Deutsche Bank plant nach Angaben eines Sprechers derzeit nicht, "im breiten Kundengeschäft" Gebühren für Einlagen einzuführen. Der Sprecher erklärt: "Für institutionelle Kunden mit zusätzlichem Bedarf an Einlageprodukten bietet die Bank verschiedene Anlagealternativen an, um auf das geänderte Zinsumfeld reagieren zu können."

Welche Kunden sind von Strafzinsen betroffen?

Die Commerzbank behält sich eine "Guthabengebühr" nach Angaben eines Sprechers "bei einzelnen großen Firmenkunden mit hohen Guthaben sowie bei Großkonzernen und institutionellen Anlegern" vor. Greifen soll das ab Dezember. Die Deutsche Skatbank - eine Direktbank-Tochter der Volks- und Raiffeisenbank Altenburger Land in Thüringen - erhebt seit November für Beträge auf Tagesgeldkonten von mehr als 500.000 Euro einen Negativzins von 0,25 Prozent. Dieser wird aber erst fällig, wenn die Gesamteinlagen des Kunden 3 Mio. Euro überschreiten.

Warum verlangen Banken plötzlich Geld für Guthaben ihrer Kunden?

Die Institute begründen das mit der Zinspolitik der EZB. Als erste größere Notenbank der Welt bittet die EZB seit Juni Geschäftsbanken zur Kasse, wenn diese Geld bei ihr parken. Zunächst waren es 0,1 Prozent, im September erhöhten die Währungshüter den Strafzins auf 0,2 Prozent. Diese Gebühr geben erste Banken nun weiter - etwa an Unternehmenskunden, für die sie große Geldbestände vorhalten. "Großinvestoren legen ihr Geld auch wegen der üppigen Einlagensicherung in Deutschland an", erklärt Branchenkenner Herbst. Er hält Gebühren für gerechtfertigt: "Sicherheit kostet halt Geld."

Trifft das nicht letztlich doch alle Bankkunden?

Auf Umwegen könnten Strafzinsen durchaus bei Kleinsparern und Verbrauchern ankommen: Zu den Großkunden der Banken mit teils gewaltigen Anlagesummen zählen auch Fondsgesellschaften. Denkbar ist, dass Fonds für Anleger weniger Rendite abwerfen, weil deren Anbieter bei ihrer Bank Gebühren für die Geldanlage zahlen müssen. Die Fondsgesellschaft Union Investment erklärt, sie halte ohnehin möglichst nicht mehr Liquidität vor als unbedingt notwendig und versuche aktuell, Gelder zum Beispiel in Festgeld umzuschichten.

Was soll der EZB-Strafzins überhaupt bezwecken?

Die Währungshüter wollen Banken dazu bringen, überschüssiges Geld nicht zu horten, sondern mehr Kredite an Unternehmen und Verbraucher zu geben. Das könnte die lahmende Konjunktur im Euroraum ankurbeln und die für den Wirtschaftsaufschwung gefährlich niedrige Inflation wieder in Richtung der EZB-Zielmarke von knapp 2,0 Prozent heben.

Geht das Kalkül der Währungshüter auf?

Banken haben ihre Übernacht-Einlagen bei der EZB kräftig verringert. Nach jüngsten Daten parken die Institute noch gut 25 Mrd. Euro bei der EZB. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, als das Misstrauen der Banken untereinander groß war, waren es mehr als 800 Mrd. Euro. Die Kreditvergabe jedoch ist nicht so angezogen wie erhofft. Viele deutsche Mittelständler etwa haben ausreichend eigene Gelder, um neue Maschinen und Fabrikhallen zu finanzieren. Und weil die konjunkturelle Lage insgesamt unsicher bleibt, stehen viele Manager beim Thema Investitionen grundsätzlich auf der Bremse.

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