Deutsche Industrie knickt ein, Österreich will Hoch prolongieren

Deutsche Industrie knickt ein, Österreich will Hoch prolongieren
Deutschland erlebt größten Rückgang seit Anfang 2017, Österreich will sich davon entkoppeln.

Der deutschen Industrie sind die Aufträge im Juni so stark weggebrochen wie seit rund eineinhalb Jahren nicht mehr. Das Neugeschäft schrumpfte um vier Prozent im Vergleich zum Vormonat, teilte das deutsche Wirtschaftsministerium am Montag mit. Erwartet wurde ein Rückgang von nur 0,4 Prozent. „Bei der Entwicklung dürften auch Verunsicherungen durch die Handelspolitik eine Rolle gespielt haben“, heißt es aus dem Ministerium mit Blick auf den Zollstreit mit den USA. Der Auftragsbestand sei jedoch weiterhin hoch und das Geschäftsklima im positiven Bereich. Viele Ökonomen gehen davon aus, dass der Aufschwung in Deutschland den Höhepunkt hinter sich hat.

Eine Sicht, die auch Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung, teilt: „Die Konjunktur hat in Europa einen Wendepunkt erreicht und kühlt sich ab, was auch Österreich betreffen wird.“ Es handle sich nicht um ein österreichspezifisches Phänomen, sondern um eine Entwicklung, die von den internationalen Märkten käme.

Konkret liege das an den protektionistischen Tendenzen im Welthandel, dem unklaren Ausgang der Brexit-Verhandlungen und am langen Wirtschaftsaufschwung, der langsam eine nicht unerwartete Ermüdung zeige. Deutschland befinde sich je nach Interpretation im fünften beziehungsweise neunten Jahr des Aufschwungs, Österreich erst im dritten.

Kein Parallellauf

Obwohl Österreichs Wirtschaft stark mit der deutschen verbunden sei, müsse die kommende Entwicklung kein Parallellauf sein. „Österreich ist stärker mit Zentral- und Osteuropa verwoben. Wenn dort die Konjunktur so dynamisch bleibt, wird das auch Österreich guttun“, sagt Helmenstein. Für heuer rechnet er noch mit einem BIP-Wachstum von drei Prozent, ehe es sich in den kommenden Jahren auf 1,6 bis 1,8 Prozent normalisieren werde. Würde die Regierung entsprechende Maßnahmen setzen, könnte es sogar höher, bei zwei bis 2,25 Prozent liegen. Dafür müsse Bürokratie abgebaut, Steuern und Abgaben gesenkt und in Digitalisierung und Bildung investiert werden.

Beim großen Minus in Deutschland könne es sich auch um natürliche Schwankungen oder einzelne Großaufträge handeln, heißt es aus der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Jede Verunsicherung, wie der Zollstreit mit den USA, sei zwar negativ, die Auswirkungen dürften jedoch nicht überschätzt werden.

Juni-Zahlen liegen für Österreichs Industrie noch keine vor, jene der ersten vier Monate 2018 zeigen jedoch eine stabile Aufwärtsentwicklung. Von Jänner bis April stieg die Industrieproduktion um 11,7 Prozent gegenüber den ersten vier Monaten des Vorjahres. Im Gesamtjahr 2017 waren es 10,7 Prozent. „Die Entwicklung im In- und im Ausland verhält sich ähnlich“, so ein Experte der WKO. Auch der Produktionswert ist in den ersten vier Monaten 2018 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 um 8,8 Prozent gestiegen, im Gesamtjahr 2017 waren es 8,9 Prozent.

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