Deutsche Bank stutzt Geschäft radikal zurück
Die neue Devise der Deutschen Bank heißt Schrumpfen und Sparen: Die Tochter Postbank soll bis Ende 2016 an die Börse gebracht oder verkauft werden, das verbleibende „blaue“ Filialnetz wird massiv ausgedünnt und die Investmentbank abgespeckt. „Wir bleiben global, aber wir müssen uns auf Länder konzentrieren, die für unsere Kunden die wichtigsten sind“, sagte Vorstandschef Anshu Jain am Montag. Sein Kollege Jürgen Fitschen erklärte die Abmagerungskur so: „Wir werden nicht mehr versuchen, alles für jeden zu sein.“
Doch keine Aufspaltung
Deutschlands größtes Geldhaus bleibe aber eine Universalbank. Börsianer zeigten sich enttäuscht, die Aktie lag am Montag gut 4 Prozent im Minus. Viele Aktionäre hätten sich erwartet, dass die Deutsche Bank sich völlig aufteilt - in eine Filialbank für Privatkunden und eine Investmentbank. Dazu kommt es jetzt nicht: Der Aufsichtsrat entschied sich für die „kleine“ Lösung - nur die Postbank wird verkauft.
Der bis 2020 geplante Konzernumbau kostet zunächst etwa 3,7 Milliarden Euro. Allein das Zurückfahren der Investmentbank verschlingt 800 Millionen Euro. Die Renditeziele werden gleichzeitig weniger ambitioniert: Zehn Prozent nach Steuern peilen Jain und Co-Vorstandschef Fitschen nun nur noch an; bisher waren es zwölf Prozent. Allein: erreicht hatte die Deutsche Bank diese Marke nie. Das Frankfurter Institut ächzt unter immer höheren Regulierungskosten, die im Branchenvergleich mageren Gewinne reichen den Investoren nicht mehr. „Die Deutsche Bank war in den letzten 30 Jahren ein mäßiges Investment. Ich weiß nicht, warum sich das ändern sollte“, äußerte sich ein Fondsmanager ernüchtert.
200 Filialen sperren zu
Von den verbliebenen 700 „blauen“ Filialen der Deutschen Bank auf dem Heimatmarkt
Deutschland sollen 200 bis 2017 geschlossen werden. Aus bis zu zehn Ländern
will sich die Bank ganz oder teilweise zurückziehen. Die Präsenz in fünf europäischen Märkten soll erhalten bleiben. Wie viele Stellen das kosten wird, darüber hielten sich das Geldhaus bedeckt.
Offen ist auch die Zukunft der Postbank. Der für den Umbau zuständige Vorstand Stefan Krause schloss nicht aus, sie statt eines Börsengangs an einen Konkurrenten zu verkaufen. Der „sicherste Weg“ sei derzeit aber der Börsengang, der Ende 2016 stattfinden soll, sagte Krause. Über kurz oder lang wolle die Deutsche Bank dann komplett aussteigen. Die Hoffnungen, die die Deutsche Bank mit dem Einstieg verbunden hatte, hatten sich nie erfüllt. Vielmehr belastet sie heute den Mutterkonzern, weil die Spareinlagen der Postbank, Hypotheken- und Wohnungskredite der Bausparkasse BHW die Bilanz aufblähen. Das steht Jains Ziel entgegen, die Verschuldungsquote auf fünf Prozent von zuletzt 3,4 Prozent zu verbessern.
Investmentbank schrumpft
Die Investmentbank soll sich aus margenarmen Geschäftsfeldern zurückziehen, die Bilanz der Sparte von bisher 900 Milliarden Euro um etwa 200 Milliarden reduziert werden. Bisher macht sie fast die Hälfte der Konzern-Bilanzsumme aus. Die Kostenbasis soll um 3,5 Milliarden Euro sinken - zusätzlich zum laufenden Sparprogramm. Stattdessen sollen 1,5 Milliarden Euro in den risikoarmen Zahlungsverkehr und die Vermögensverwaltung investiert werden. Dennoch sollen in drei bis fünf Jahren mindestens 50 Prozent des Gewinns übrigbleiben, um sie als Dividende oder über Aktienrückkäufe auszuschütten.
Rückzug aus 7 bis 10 Ländern
Die Deutsche Bank will im Zuge ihres Schrumpfkurses auch im Ausland sparen. Das Institut kündigte am Montag an, sich aus sieben bis zehn Ländern zurückziehen zu wollen. Derzeit ist die Deutsche Bank in 70 Ländern vertreten. In Europa will sich das Institut neben Deutschland auf fünf Märkte konzentrieren, in denen es bereits jetzt über fünf Millionen Kunden hat.
Damit dürfte ein Rückzug aus Italien und Spanien vom Tisch sein. Welche Länder die Deutschen Bank aufgibt, ließ der Konzern zunächst offen. Auch zum möglichen Verkauf der Beteiligung an der chinesischen Hua-Xia-Bank wollte sich der Vorstand nicht äußern. Co-Chef Anshu Jain betonte aber, dass der Konzern in China ebenso wie in Indien weiter investieren wolle. Zudem bekannte sich die Bank zu seinem starken Geschäft in den USA trotz des heftigen Gegenwinds der dortigen Aufsichtsbehörden.
Die richtige Balance zwischen Privatkunden und Investmentbanking - diese Frage zieht sich wie ein roter Faden durch die 145-jährige Geschichte der Deutsche Bank. Nach monatelangen Beratungen zieht sie sich aus Teilen des Investmentbanking zurück und trennt sich von der Postbank. Ein Überblick über die Weichenstellungen seit der Gründung des Instituts:
DIE ANFÄNGE: 1870 BIS 1886
Gründung der Deutschen Bank in Berlin durch den Privatbankier Adelbert
Delbrück und den Politiker
Ludwig Bamberger. Erster Vorstandssprecher ist
Georg von Siemens. Im Gründungsstatut wird die Bedeutung des Auslandsgeschäfts unterstrichen: „Der Zweck der Gesellschaft ist der Betrieb von
Bankgeschäften aller Art, insbesondere Förderung und Erleichterung der Handelsbeziehungen zwischen Deutschland, den übrigen Europäischen Ländern und überseeischen Märkten.“
Weiteres Standbein ist von Beginn an das Einlagengeschäft. Bis 1873 eröffnet die Bank Filialen in Bremen, Hamburg, Yokohama, Schanghai und London. London ist schon damals die wichtigste Auslandsniederlassung. Die Filiale in Frankfurt am Main, heute der Hauptsitz, öffnet erst 1886.
ERSTE KONSOLIDIERUNG: 1929 BIS 1932
Die Deutsche Bank schließt sich 1929 mit der Konkurrentin Disconto-Gesellschaft zusammen. Acht Jahre lang firmiert das fusionierte Geldhaus unter dem Doppelnamen Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft, danach wieder unter Deutsche Bank.
WIEDERAUFBAU UND NEUORIENTIERUNG: 1947 BIS 1957
Nach Kriegsende wird die Deutsche Bank in den westlichen Besatzungszonen in zehn Regionalinstitute aufgespalten. Erst nach Gründung der Bundesrepublik werden die Einzelteile wieder zusammengesetzt. 1957 entsteht die Deutsche Bank AG mit Sitz in Frankfurt.
EXPANSION UND INTERNATIONALISIERUNG: ab 1959

1979 beginnt mit der Eröffnung einer Filiale in New York die Präsenz der Deutschen Bank in den USA unter eigenem Namen. 1989 markiert die Übernahme der britischen Investmentbank Morgan Grenfell den Startschuss der Expansion im internationalen Kapitalmarktgeschäft.
1999 schluckt die Deutsche Bank die New Yorker Investmentbank Bankers Trust. Das soll die Tür für einen breiteren Einstieg in den US-Markt öffnen.
Auf dem Heimatmarkt wird derweil das Geschäft mit einfachen Privatkunden in die „Deutsche Bank 24“ (
DB 24) ausgegliedert. Sie geht mit 17.500 Mitarbeitern, 6,8 Millionen Kunden und einer Bilanzsumme von 43 Milliarden Euro an den Start und soll das Filialgeschäft mit dem Online-Banking verzahnen. Die Deutsche Bank liebäugelt damit, die Gesellschaft ganz oder teilweise über die Börse zu verkaufen. Die Deutsche Bank selbst will sich auf
das gehobene Privatkundengeschäft und die Vermögensverwaltung sowie das Firmenkundengeschäft und Investmentbanking fokussieren.
2000: Der Plan, mit der Dresdner Bank zu fusionieren, um die Kräfte im Investmentbanking zu bündeln, scheitert. Die Gespräche platzen wegen Meinungsverschiedenheiten über die künftige Machtaufteilung.

Vermögensverwaltung - auch über Zukäufe.
2006: Das Privatkundengeschäft wird durch die Übernahme der
Berliner Bank und der
Norisbank gestärkt.
2007: Start des Privatkundengeschäfts der Deutschen Bank in China. Der Anteil an der chinesischen
Hua Xia Bank wird nach und nach auf knapp 20 Prozent erhöht.
2010: Übernahme der Postbank und der kriselnden Privatbank Sal. Oppenheim. Die Postbank wird ganz auf das Massengeschäft mit Kleinsparern und kleineren Firmen ausgerichtet und soll technisch in das Privatkundengeschäft der Deutschen Bank integriert werden. Das Kölner Institut Sal. Oppenheim wird Teil der Vermögensverwaltung und verfolgt kurz darauf einen radikalen Sanierungs- und Sparkurs.
2011: Die Bank stellt Teile ihrer Vermögensverwaltung zum Verkauf. Die lukrative Publikumsfondsgesellschaft DWS ist davon ausgenommen.
2012: Die Bank erklärt, die Vermögensverwaltung bleibe doch zentraler Bestandteil des Konzerns. Ihre Einzelteile sollen zu einer Einheit (Deutsche Asset and Wealth Management) werden und Synergien mit dem Investmentbanking heben. Im Privatkundengeschäft werden die Norisbank-Filialen in die
Postbank eingegliedert. Die Norisbank soll fortan eine reine Online-Bank sein.
2015: Die Deutsche Bank beschließt die Abspaltung von der Postbank. Sie soll vorzugsweise bis Ende 2016 an die Börse gebracht werden. Aber auch ein Verkauf an einen Rivalen ist nicht ausgeschlossen. Am Ende will sich die Deutsche Bank komplett von ihr trennen. Eine alternativ geprüfte Abspaltung
des gesamten Privatkundengeschäfts wird aber verworfen.
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