Der italienische Schuldenturm wankt

Eine Menschenmenge versammelt sich vor dem Schiefen Turm von Pisa.
Italien gerät verstärkt ins Visier der Finanzmärkte. Der Reformeifer lässt nach. Maria Fekter schürt zusätzlich das Feuer.

Ist die Kuh erst einmal aus dem Stall, kann sie nur noch schwer eingefangen werden. Eine ähnliche Erfahrung musste Finanzministerin Maria Fekter machen. Sie hatte am Montagabend davon gesprochen, dass nach Spanien auch Italien Finanzhilfe benötigen könnte. Am Dienstag versuchte sie zurückzurudern. Es gebe "keine Anzeichen", dass Italien einen Antrag auf Finanzhilfen stellt. Italien sei eine starke Volkswirtschaft. Der Staat erhalte Geld am Kapitalmarkt, wiewohl zu "sehr sehr hohen Zinsen". In der Tat stiegen die Renditen für Laufzeiten mit zehn Jahren wieder über 6,0 Prozent.

Bundeskanzler Werner Faymann versuchte ebenfalls gegenzusteuern. Es sei nicht so, dass Italien schon am nächsten Tag vor der Tür stehe. Gleichzeitig betonte der SPÖ-Chef, dass man sich sehr wohl darauf vorbereite, bei Problemen einzugreifen. Man solle sie aber nicht herbeireden.

Schwer verärgert über Fekter ist Italiens Regierungschef Mario Monti. "Ich halte es für völlig unangebracht, dass sich eine Finanzministerin aus der EU zu der Lage in einem anderen Mitgliedsland äußert – und insbesondere so äußert, wie sie es getan hat", sagte Monti am Dienstag in Rom. "Ich für mich halte mich jetzt lieber zurück, meinerseits die Worte der Ministerin zu kommentieren."

Die Ratingagentur Fitch stellt sich auf Montis Seite. Italien befinde sich in einem besseren Zustand als Spanien und brauche daher voraussichtlich keine Hilfe.

Fitch bewertet die Kreditwürdigkeit Italiens derzeit mit "A-", jene Spaniens mit "BBB". Zwar habe Italien hohe Staatsschulden (1,9 Billionen Euro) und es gebe nur einen sehr geringen Spielraum, um weitere negative Schocks zu verkraften. Jedoch habe das Land nur ein kleines Haushaltsdefizit und ein viel geringeres Leistungsbilanzdefizit als Spanien. Zudem seien die italienischen Banken robuster.

Verletzlich

Eine Karte Europas zeigt die Budgetdefizite und Staatsschulden ausgewählter Eurozonen-Länder im Jahr 2012.

Die Ratingagentur Moody’s bewertet die Lage der Banken jedoch ganz anders. Mitte Mai stufte sie 26 Institute herab, darunter auch die Bank-Austria-Mutter UniCredit. Die durch Problemkredite und zurückgehende Gewinne belasteten Banken seien "verletzlich".

Italiens Industrieminister Corrado Passera versuchte am Montag die Probleme klein zu reden: "Die Situation in Italien ist nicht mit Griechenland und Spanien zu vergleichen."

Die Experten-Regierung von Premier Monti hat harte Sparmaßnahmen eingeleitet, um das Land mit eigener Kraft aus der Krise zu retten. Durch die Schäden in Milliardenhöhe infolge des schweren Erdbebens in der Emilia-Romagna komme aber, so Passera, eine weitere Budgetbelastung hinzu.

Weiters leidet das Land unter zahlreichen strukturellen Schwächen: Zu viele nicht verabschiedete Reformen, eine hohe Steuerhinterzieherrate und Bürokratie blockieren das Wirtschaftswachstum. Schon vor dem Beben brach es im ersten Quartal um 0,8 Prozent ein. Das war der dritte Rückgang in Folge. Von dem groß angekündigten Reformpaket wurde bisher nur die Arbeitsmarktreform (die Arbeitslosigkeit beträgt mehr als zehn Prozent) und eine höhere Immobiliensteuer umgesetzt.

Heftig diskutiert wird derzeit in der Regierung die sogenannte "Spending Review". Mit umfassenden Rationalisierungsmaßnahmen in der Verwaltung soll der Staat bis Jahresende fünf Milliarden Euro einsparen. Besonders in Süditalien sind die Verwaltungsausgaben im Vergleich zum Norden des Landes extrem hoch. Der Industrieverband Confindustria lobt die geplanten Einsparungen: Nur so ließe sich schrittweise der Steuerdruck reduzieren. Kann der Plan nicht umgesetzt werden, muss die Mehrwertsteuer ab Herbst von derzeit 21 Prozent auf 23 Prozent angehoben werden.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Bilder

Kommentare