Der Club der 100-Jährigen: Diese Firmen feiern Geburtstag

Ein verziertes Schild zeigt die Jahreszahl 1919.
Erfahren und innovativ. Unternehmen, die der jungen Konkurrenz ein Jahrhundert voraus sind.

Die Torte für den runden Geburtstag kam mit Hilfe einer Backform der Firma Kaiser zustande. Beim Fest stieß man dann mit Aperol-Cocktails an. Als Bekleidungscodes waren weiße Hemden und Blusen von Seidensticker ausgegeben worden.

So könnte standesgemäß das Geburtstagsfest von Hundertjährigen ablaufen. Denn die genannten Unternehmen und Marken haben eines gemeinsam: Sie wurden vor hundert Jahren gegründet.

Backhelfer von Kaiser waren früher in praktisch jedem heimischen Haushalt zu finden. Das deutsche Unternehmen brachte unter anderem weltweit die ersten Backformen mit Antihaftbeschichtung auf den Markt. Seit 2002 gehört Kaiser übrigens zum WMF-Reich.

Der italienische Likör Aperol wiederum ist eine Marke der Campari-Gruppe. Entwickelt wurde das Getränk mit dem bittersüßen Aroma für die Internationale Messe 1919 in Padua. Seither ist das Rezept unverändert.

Der deutsche Hemden- und Blusenspezialist Seidensticker ist nach wie vor im Familienbesitz. Zum heurigen runden Geburtstag hat sich das Unternehmen eine ganz besondere Kampagne ausgedacht. Geworben wurde nicht mit jungen Models, sondern mit fünf Frauen und Männern im Alter von 100 bis 103 Jahren – die naturgemäß mit weißen Blusen und Hemden des Auftraggebers bekleidet waren.

Auch Bauknecht, einst ein führender Haushaltsgeräte-Hersteller Deutschlands, wurde 1919 gegründet. Seit 1989 gehört das Unternehmen zur US-Gruppe Whirlpool.

Der Getränke- und Lebensmittelriese Danone wurde ursprünglich in Barcelona ins Leben gerufen. Heute ist die Zentrale in Paris angesiedelt.

Ein Stück weit „Made in Austria“ ist auch Electrolux: Die entscheidende Eingebung kam dem jungen Schweden Axel Wenner-Gren nämlich bei einem Wien-Besuch. In einem Schaufenster in der Kärntner Straße entdeckte er einen 20 Kilo schweren Staubsauger. Er entwickelte daraufhin den ersten leichteren, modernen Staubsauger: der Grundstein für einen Weltkonzern.

In der heutigen Wirtschaftswelt ist viel von Start-ups die Rede. Um die „Jungspunde“ ist geradezu ein Hype entstanden. Wie viele von ihnen (er-)wachsen werden, ist offen. Die Unternehmensgeneration „gegründet 1919“ hat dagegen längst bewiesen, dass sie Jahrzehnte hindurch erfolgreich sein kann. Wie vier Beispiele aus Österreich.

Ein historisches Gebäude mit Weinfässern im Außenbereich.

Rauch Fruchtsäfte aus Vorarlberg

Der Grundstein für den internationalen Erfolg von Rauch wurde am 1. September 1919 in der Langgasse 1 in Rankweil gelegt, wo sich heute noch der Hauptsitz des Unternehmens befindet. Damals ahnte Firmengründer Franz Josef Rauch nicht, dass sich aus der kleinen Mosterei  ein global agierendes Familienunternehmen entwickeln würde.  Die Mosterei zur Lohnabfüllung für die umliegenden Bauern sollte lediglich als zweites Standbein neben einer Stickerei  dienen.  Heute erzielt das Unternehmen einen Umsatz von 981 Millionen Euro und verkauft weltweit seine Fruchtsaftkreationen. Das Familienunternehmen in vierter Generation ist laut eigenen Angaben der größte private Fruchtsafthersteller Österreichs und zählt mehr als 2000 Mitarbeiter.

Ein Mitarbeiter in einem Werk prüft eine Packung „Happy Day“-Saft auf einem Förderband.

Und die nächsten 100 Jahre?  Auf der einen Seite  ist Rauch stolz auf seine Vergangenheit, gleichzeitig aber immer auf der Suche nach Innovationen, so das Unternehmen.  Man setze auf das Wechselspiel zwischen Tradition und Moderne, auf Bodenständigkeit und, dass man trotz zunehmender Internationalität immer näher zusammenwachse.

Gaulhofer Fenster aus der Steiermark

In einer Fabrik arbeiten Arbeiter an der Herstellung von Fensterrahmen.

Es begann 1919 mit einer  bescheidenen Tischlerwerkstätte im steirischen Frohnleiten. Nach dem Krieg sattelte Firmengründer Karl Gaulhofer mit seinem Sohn, einem Architekten, auf Bau- und Möbeltischlerei um. In den 1970-er Jahren wurde der Schwerpunkt auf  Holzfenster gelegt und es entstand eine der größten Fensterproduktionen Österreichs. Mit dem Kauf eines Werks in Mäder/Vbg. kam das Kunststoffsegment dazu.

Heute hat Gaulhofer die Fertigung am Stammsitz in Übelbach zentriert,  wo 360 Mitarbeiter beschäftigt sind. Die Produktpalette reicht von Holzfenstern, Kunststoff-Alu-Fenstern bis zu Haustüren und Sonnenschutz.

Wie wird man 100 Jahre? Manfred Gaulhofer,  neben der Austro Holding von Erhard Grossnigg noch immer Miteigentümer, nennt sein Erfolgsrezept: „Schwierige Zeiten gibt’s immer, aber es geht darum, seine Energie in Lösungen zu investieren. Dann kommt man wieder auf die Überholspur.“ Die ersten 100 Jahren wären ja die schwersten, habe ihm kürzlich ein langjähriger Mitarbeiter gesagt.

Die ersten 100 Jahren sind ja die schwersten!"

von Ein Mitarbeiter von Gaulhofer

zu seinem Chef Manfred Gaulhofer

Bäckerei Guschlbauer  in Oberösterreich

Historische Aufnahme der Bäckerei Karl Suschbauer mit Belegschaft vor dem Gebäude.

1919 stand der Name Guschlbauer für eine kleine Dorfbäckerei in Pram im oberösterreichischen Innviertel. Es war der Urgroßvater von Robert Guschlbauer, der zusammen mit seiner Frau Elisabeth heute die inzwischen auf mehr als 100 Mitarbeiter angewachsene Großbäckerei betreibt. Wie schafft es ein Familienbetrieb 100 Jahre lang zu bestehen und sogar durch den Zweiten Weltkrieg zu komme? „Brot braucht man immer“, sagt Robert Guschlbauer. Er erinnert sich an die Erzählungen seines Großvaters. „Im Krieg haben wir Brot gegen Mehl oder Eier getauscht.“

Bäckerinnen bereiten Teigtaschen an einem Förderband in einer Bäckerei zu.

Aber das Wichtigste sei der Zusammenhalt der Familie. Sie habe die Tradition von einer Generation auf die nächste weitergeben. Das hat auch Robert Guschlbauer. Seine beiden Kinder arbeiten bereits im Betrieb. „Die fünfte Generation steht schon in den Startlöchern“, sagt er. Guschlbauer ist inzwischen zu einem Großproduzenten von Tiefkühlbackwaren gewachsen, der  25 Millionen Euro im Jahr umsetzt, 20 Prozent davon stammen aus dem Export.

EVVA Schließsysteme aus Wien

In einer Fabrikhalle arbeiten Menschen an Tischen mit kleinen Metallteilen.

Dem Ingenieur ist nichts zu schwer, lautet ein Kalauer: Am 22. Juli 1919 gründete Ludwig Tschörner, Lehrer an der „Graphischen“ in Wien, mit dem Chemiker  Richard Plischke und Mechaniker Theodor Hala  das „Erste Versuchslaboratorium für Erfindungen“. Im August 1920 wurde daraus die „Erfindungs-, Versuchs-, und Verwertungs-Anstalt“, kurz EVVA – bis heute der Name. Innovation war dem Unternehmen, das seinen Sitz in Wien-Meidling hat, also in die Wiege gelegt. Im März 1923 bewirbt ein Zeitungsinserat das Patent-Rollbalkenschloss „Evva“. Zwischenzeitig, Ende des 2. Weltkrieges und in den 1970ern, wird das Unternehmen zum Sanierungsfall.

Heute zählt die EVVA-Gruppe 750 Mitarbeiter in zehn Ländern, hat 280 Patente angemeldet und ist ein Digitalisierungsvorreiter – Stichwort Handy als Schlüssel. „Zwei Elemente haben seit jeher die 100-jährige Geschichte von EVVA laufend geprägt: mutiges und vorausschauendes Unternehmertum und das Streben nach Innovation“, sagt Firmenchef Stefan Ehrlich-Adám. Dann würden auch  Rückschläge zur Quelle schöpferischer Kraft.

Eine Frau bedient eine Maschine in einer Fabrikhalle.

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