Debatte um Recht auf das Sozialsystem
Mit Jahreswechsel steht auch Rumänen und Bulgaren der EU-Arbeitsmarkt vollständig offen. Dass die Schranken fallen, hat in den vergangenen Tagen vor allem in Deutschland zu hitzigen Debatten über befürchteten Sozialmissbrauch geführt. Vor allem die in Deutschland mitregierende CSU fordert eine härtere Gangart. Eine deutsche Expertengruppe prüft etwa nun, ob Zuwanderern aus Rumänien und Bulgarien das Kindergeld gestrichen werden kann, wenn das betreffende Kind noch im Heimatland lebt.
Radi Naidenov, der bulgarische Botschafter in Deutschland, hat die Debatte über Armutszuwanderung aus seinem Land und aus Rumänien am Dienstag scharf kritisiert. „Wer Vorurteile bedient und populistisch argumentiert, schadet der europäischen Idee insgesamt und damit uns allen“, wird er in der Zeitung Die Welt zitiert.
"Es gibt ein Recht auf Freizügigkeit, aber kein Recht auf Einwanderung in die nationalen Sozialsysteme"
EU-Justizkommissarin Viviane Reding warnte davor, in der Debatte um Armutszuwanderung der EU die Schuld zu geben. „Das EU-Recht sagt ganz klar: Es gibt ein Recht auf Freizügigkeit, aber kein Recht auf Einwanderung in die nationalen Sozialsysteme“, so Reding. Laut EU-Recht hätten nur arbeitende EU-Bürger Anspruch auf Sozialleistungen. Wenn nationale Sozialsysteme zu großzügig seien, wäre es Sache der Mitgliedsstaaten, das zu ändern.
Wer das Thema „Armutswanderung“ anspricht, gerät schnell unter Verdacht, ein rechter Hetzer zu sein. In Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden wird seit einigen Wochen emotional, aber immerhin offen darüber diskutiert. Genau betrachtet, haben aber auch hierzulande schon politisch unverdächtige Leute darüber geklagt: Sowohl die Wiener Grünen als auch die Caritas meinen, dass man die Stadt bzw. die Hilfsorganisation mit der „zunehmenden Armutsmigration innerhalb Europas“ nicht allein lassen könne. Die Zahl der Notschlafquartiere in Wien wird ständig erhöht, und immer mehr Bettler sind in den Städten sichtbar.
Wobei der „Sozialtourismus“ nicht so einfach funktioniert, wie es uns die FPÖ glauben macht. Zwar stimmt es, dass ein hier lebender EU-Bürger Anspruch auf die österreichische Mindestpension hat. Aber dass man die weiterhin im Ausland lebende bulgarische Omi in der eigenen Wohnung anmeldet – und flugs kriegt sie nicht nur die Ausgleichszulage, sondern auch die Segnungen des heimischen Gesundheitssystems: Das ist unwahr. Hier wird ziemlich penibel geprüft. Wäre es leichter, würden weit mehr „Ausländer“ einen Differenzbetrag auf die Mindestpension bekommen. Trotzdem kann man nicht verschweigen, dass Österreich mit seinem großzügigen Sozialsystem ein attraktives Einwanderungsland ist. Wir haben das nur teilweise im Griff.
Aber deswegen Zuwanderung prinzipiell zu verteufeln, ist dumm: Etliche Branchen – Gastronomie, Altenpflege, Spitalswesen – wären ohne Ausländer längst zusammengebrochen. Schauen wir also, dass wir genügend Jüngere, Gebildete holen und nicht nur attraktiv für „Sozialtouristen“ erscheinen.
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