Coronavirus: 2020 schlimmstes Jahr für Osteuropa seit 2009

Coronavirus: 2020 schlimmstes Jahr für Osteuropa seit 2009
Wirtschaftsforscher erwarten einen massiven Wachstumseinbruch. Die Aussichten für EU-Mitglieder in der Region sind etwas besser

Das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) erwartet für Osteuropa heuer wegen der Coronavirus-Krise die schlimmsten wirtschaftlichen Auswirkungen seit der globalen Finanzkrise. Die Experten sehen einen massiven Wachstumseinbruch, aber vorerst keinen generellen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Effekte werden von der Dauer der Pandemie sowie dem Wirken von fiskal- und geldpolitischen Gegenmaßnahmen abhängen.

"Die Lage ist nicht rosig", so WIIW-Geschäftsführer Mario Holzer am Dienstag bei der Präsentation der aktuellen Prognose. Für Osteuropa werde 2020 das schlimmste Jahr seit 2009 erwartet. Von den BIP-Rückgängen des Jahres 2009 von mehr als 5 Prozent gehe man momentan noch nicht aus. Die Effekte hätten sich aber bereits über die Produktionsketten ausgewirkt, Sektoren wie Tourismus, Luftfahrt, Energie und die Industrieproduktion seien erheblich betroffen. Ein wesentlicher Punkt ist der erwartete massive Einbruch der heimischen Nachfrage.

Mehrere Szenarien

Für Mittel-, Ost- und Südosteuropa (MOSOE) gehen die Wirtschaftsforscher für heuer in ihrem aktuellen "realistischen pessimistischen" Szenario von einem Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent aus, nach rund 3 Prozent im Jahr 2019. Das "pessimistische" Szenario - man hat auch noch ein "optimistisches" und ein "mittleres" erstellt - sei aber mittlerweile vermutlich schon zum optimistischen geworden, meinten die Experten des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) heute.

Innerhalb der Region entwickeln sich die einzelnen Länder unterschiedlich: Am stärksten betroffen sein werden die GUS und Ukraine sowie die Türkei. Die Aussichten für die mittel- und osteuropäischen EU-Mitglieder sind relativ gesehen etwas besser, weil sie generell wohlhabender sind, bessere Gesundheitssysteme und mehr fiskal- und geldpolitischen Spielraum haben. Die Möglichkeiten, dem Abschwung entgegenzuwirken, seien in der Türkei, der GUS und der Ukraine eingeschränkt, vor allem wegen mangelnder makrofinanzieller Stabilität, eines geringen fiskalischen Spielraums sowie eines schlechteren Gesundheitssystems. In Russland und Kasachstan wirkt sich als Ansteckungskanal für die Wirtschaft vor allem der Energiebereich aus, in anderen Ländern wie Kroatien, Montenegro, der Türkei oder Slowenien ist der Tourismus betroffen. Die Wirtschaftsintegration mit China und Italien spielt in manchen Ländern eine größere Rolle als in anderen.

Stark verunsichert

Die Prognosen seien mit großer Unsicherheit behaftet, hieß es heute. Angenommen wurde, dass die Ausbreitung des Coronavirus im ersten Halbjahr stark eingeschränkt werden kann und in den großen Volkswirtschaften der Welt entschlossene und koordinierte Maßnahmen ergriffen werden. Wenn die Pandemie allerdings bis Anfang nächsten Jahres das öffentliche Leben zum Stillstand bringe, werde man wohl von ganz anderen Auswirkungen sprechen, so Holzer.

Anders als bei der Finanzkrise dürfte die Erholung nach einer Gesundheitskrise aber relativ rasch und schnell erfolgen, meinen die Wirtschaftsforscher. Eine Finanzkrise wie 2008 sieht man nicht. Bei der Geldpolitik hofft man auf eine stärkere Reaktion der EZB. Zu den Auswirkungen auf Österreich meinte Holzer, es sei von Vorteil, wenn man kein Nachbarland habe, das noch kein negatives Wachstum habe.

Eine Lösung für die Region könnte die Digitalisierung sein, sowohl kurz- als auch längerfristig. Für Jahre 2021 bis 2022 bleiben die Aussichten vorerst unverändert. Längerfristig ein Problem bleibt nach WIIW-Einschätzung der Arbeitskräftemangel, der sich noch verschärften dürfte.

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