Corona verändert Wohnbedürfnisse: Leben am Land wird immer beliebter
Die Coronapandemie wirkt sich auch auf die Wohnbedürfnisse aus - Leben am Land wird beliebter, Balkon, Platz fürs Arbeiten zu Hause, Renovieren und Wohneigentum sind gefragt, wie aus einer Studie im Auftrag der österreichischen Bausparkassen hervorgeht. Die Bausparkassen sehen eine hohe Nachfrage nach Wohnraumfinanzierungen, "was Eigentum und neuen Wohnraum im Grünen betrifft - auch ein Trend, der sich weiter fortsetzten wird", sagte Wüstenrot-Chefin Susanne Riess zur APA.
Wohnen sei für die Österreicher immer sehr wichtig gewesen. Die Coronazeit habe noch einmal den Fokus und das Augenmerk darauf gelegt, "wie wichtig das eigene Lebensumfeld ist". Das werde zunehmen, auch jetzt im Winter, wo man wieder mehr zu Hause sein wird, erwartet Riess, die derzeit auch Vorsitzende im Bausparkassenverband ist. Die Bedürfnisse veränderten sich. Mit vermehrtem Einsatz von Homeoffice etwa möchte man auch einen adäquaten Arbeitsplatz haben und nicht, "dass man den Laptop aufs Bügelbrett stellen muss".
Homeoffice auch nach Corona wichtige Rolle
Wichtig sei, dass man auch von politischer Seite auf diese Bedürfnisse eingeht. Das könne einerseits Konjunkturmotor sein, andererseits müsse man auch für eine Arbeitswelt der Zukunft vorsorgen - Homeoffice werde auch nach Corona eine wichtige Rolle spielen. Man müsse aber schauen, dass man sich auch im öffentlich geförderten Wohnbau dezidierter darauf ausrichtet, "welche Wohnungen bauen wir eigentlich, wie schaut das Wohnen der Zukunft aus". Auch Klimaschutz und Green Finance etwa im Bereich der Wohnbauförderung müssten eine größere Rolle spielen.
Stadtnähe bevorzugt
Am liebsten Wohnen würden die Befragten am Land, aber in Stadtnähe (38 Prozent). Am Stadtrand und am Land weg von größeren Städten kamen auf je rund ein Viertel. Der Stadtrand wird nun im Vergleich zu den Ergebnissen der Bausparkassen-Studie von Februar etwas weniger attraktiv eingeschätzt (27 nach 32 Prozent), das Leben am Land hat an Beliebtheit zugelegt (24 nach 17 Prozent). Zentral in der Stadt wollen weiterhin nur 12 Prozent wohnen, vor allem die 16- bis 29-Jährigen (rund ein Fünftel). 7 Prozent gaben an, dass sich ihre bevorzugte Wohnlage wegen Corona verändert hat.
Der Traum vom Eigenheim
Am liebsten Wohnen würden die Österreicher im eigenen Haus (65 Prozent) oder in der eigenen Wohnung, auch die jungen Menschen. Insgesamt ist dies für 84 Prozent die bevorzugte Wohnform Bei den 16- bis 29-Jährigen gaben 56 Prozent das eigene Haus an, bei den 30- bis 49-Jährigen waren es sogar 72 Prozent. Ein Viertel der Befragten hat vor, in den nächsten Jahren Wohneigentum zu erwerben - 15 Prozent wollen ein Haus bauen oder kaufen. Ein Haus steht vor allem bei den in Wien Befragten hoch im Kurs. Der Hauptgrund, warum man nicht kaufen will, ist, dass man bereits Eigentümer ist (rund 50 Prozent). An zweiter Stelle lagen die Kosten. Ihr Haus oder ihre Wohnung sanieren will rund ein Drittel der Befragten.
Man sollte die Menschen ermutigen, Eigentum zu erwerben und sich überlegen, wie man junge Menschen dabei unterstützen könne, so Riess. Kredite seien wegen der niedrigen Zinsen derzeit sehr günstig, zudem könnte man Klima- und Energieeffizienz fördern.
53 Prozent der Befragten besitzen ihre Wohnimmobilien, 40 Prozent haben ein Haus. In einer Mietwohnung lebten 26 Prozent, in einer Genossenschaftswohnung 12 Prozent. Im europäischen Vergleich liegt Österreich beim Wohneigentum ebenso wie Deutschland und die Schweiz am unteren Ende. Riess spricht sich für einen Anteil in Österreich von 70 Prozent aus.
Bei Green Finance gebe es beim Bauen und Wohnen Möglichkeiten bei Klima- und Energieffizienz . Es wäre jetzt die Zeit zu sagen, "nehmen wir Geld in die Hand für die Unterstützung von Häuslbauern und auch Wohnbauträgern, die in diesem Bereich verstärkt Akzente setzen" - im Rahmen der Wohnbauförderung der Länder und auch von Seiten des Bundes. Die Rede sei dabei nicht von Riesensummen. "Da kann man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, nämlich einerseits den Green-Finance-Aspekt und andererseits die Konjunktur zu beleben." Riess spricht sich dabei für eine Subjektförderung aus. Unterstützungen könnten steuerlich, mit Direktzusagen oder über spezielle Förderungen erfolgen.
Schwierige Kreditvergabe an Senioren
Ein weiterer Punkt sei, dass Senioren großes Interesse an Sanierungen hätten, aber schwer Kredit bekämen. Die Leute würden älter als früher und man müsse überlegen, ob diesbezügliche gesetzliche Beschränkungen noch zeitgemäß seien. Bausparkassen gewähren auch älteren Menschen Kredite, abhängig natürlich von Einkommen und hypothekarischen Sicherheiten. Das Darlehen muss aber bis zum 80. Lebensjahr abbezahlt sein. Der Erwerb von Wohneigentum sei auch ein wichtiger Vorsorgeaspekt. Das Pflege- und Bildungssparen werde bei den Bausparkassen "eingeschränkt" angenommen. In der Pflege müsse man sich etwas überlegen, denn die öffentliche Hand werde sich Pflege und Pensionen auf Dauer nicht leisten können. Wichtig sei daher eine Unterstützung der Pflege auf privater Ebene.
Das Geschäft der Bausparkassen insgesamt sei aktuell nicht sehr stark von Corona betroffen. Das Neugeschäft bei den Bausparverträgen liege unter Vorjahr, es gebe aber keinen dramatischen Rückgang. "Die Leute wollen sich in unsicheren Zeiten einen Polster schaffen", so Riess. Die Corona-Stundungen bei Darlehen, an denen die Bausparkassen ebenso wie die Banken teilnehmen, wirken sich bisher noch nicht stark aus. Bei Wüstenrot seien die Stundungen wieder auf normaler Ebene, längerfristig werde man sie aber erst nächstes Jahr beurteilen können. Das werde auch sehr stark von der Entwicklung der Arbeitslosigkeit abhängen. Das Zinsniveau erwartet die Wüstenrot-Chefin noch längere Zeit so niedrig. Gefragt sind bei den Kunden vor allem Kredite mit fixen Verzinsungen, sie dürften rund 80 Prozent des Neugeschäfts ausmachen. Bei Wüstenrot liegt der Nominalzinssatz für ein Darlehen mit einer Laufzeit von 20 Jahren aktuell bei 1,60 Prozent.
Österreicher mit Wohnsituation relativ zufrieden
Die Umfrage hat auch ergeben, dass die Österreicher mit ihrer Wohnsituation relativ zufrieden sind, allerdings weniger als vor dem Lockdown: Gaben im Februar noch 55 Prozent an, mit ihrer Wohnsituation sehr zufrieden zu sein, waren es im August 50 Prozent. 39 Prozent sind aktuell "eher zufrieden", nach 36 Prozent. 10 (nach 8) Prozent gaben an, "eher weniger zufrieden" zu sein, "überhaupt nicht zufrieden" war unverändert 1 Prozent. Sechs von zehn Befragten gaben an, mit ihrer Wohnsituation genauso zufrieden zu sein wie davor. Drei von zehn waren zufriedener, vor allem Personen, die in einem Haus wohnen.
Bei den Kriterien für die Wohnungs- oder Hauswahl stehen die Kosten bzw. die Leistbarkeit an erster Stelle (rund 60 Prozent), gefolgt von der Größe (rund 40 Prozent), dem Angebot an Grünfläche (30 Prozent), Balkon/Terrasse (28 Prozent) und Anbindung an den öffentlichen Verkehr (22 Prozent).
Bei Frage nach der Belastung durch Wohnkosten gab es eine leichte Verschiebung von eher nicht belastet (39 nach zuvor 45 Prozent) hin zu eher belastet (30 nach 26 Prozent). Insgesamt fühlen sich aber rund zwei Drittel nicht bzw. eher nicht belastet, bei Haus- und Wohnungseigentümern sind es sogar rund drei Viertel. Bei den Mietern (inklusive Genossenschaftswohnungen) fühlte sich fast die Hälfte sehr oder eher belastet.
Das Meinungsforschungsinstitut Integral hat für die aktuelle Wohnstudie der Bausparkassen im Zeitraum Ende Juli bis Mitte August 1.000 Personen befragt.
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