Buenos Aires: Teure Lebensmittel treiben Zehntausende auf Straße

Inflation, Währungsabsturz, Schulden: Argentinien steht wieder vor der Pleite. Die Menschen verschaffen sich bei Großdemos Luft.

Zehntausende Argentinier haben in der Hauptstadt Buenos Aires gegen rasant steigende Lebensmittelkosten demonstriert. Sie fordern die Ausrufung eines Notstandes, um die Versorgungslage zu sichern.

Bei der von verschiedenen sozialen Gruppen organisierten Kundgebung vor dem Ministerium für soziale Angelegenheiten im Zentrum der Millionenmetropole wurden vor allem Hilfen für arme Bevölkerungskreise gefordert.

Die Organisatoren kündigten an, die Menschen würden solange vor dem an der Prachtstraße Nueve de Julio gelegenen Ministerium zelten, bis ihre Forderungen erfüllt sind.

Run auf die Banken

Argentinien, das Anfang des 20. Jahrhunderts zu den reichsten Staaten der Welt zählte, befindet sich wieder einmal in einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise.

Eine giftige ökonomische Mischung hat das Land an den Rand der Staatspleite gebracht - es wäre bereits die neunte. Der dramatische Kursabsturz der Landeswährung Peso, die Hyperinflation von mehr als 55 Prozent, schlechte Ernteergebnisse und dazu noch die Aussicht auf einen baldigen Präsidentenwechsel haben das Vertrauen der Investoren erodieren lassen.

Der eigentlich wirtschaftsliberale Präsident Mauricio Macri musste deshalb den in Argentinien verhassten IWF um Hilfe anrufen. Der Großteil der im Vorjahr anfänglich zugesagten 50 Milliarden und danach sogar auf 57 Milliarden Dollar aufgestockten Notkredite ist bereits geflossen, konnte die wirtschaftliche Talfahrt aber nicht aufhalten.

Deshalb kündigte Macri - entgegen früherer Versprechungen - Ende der Vorwoche Kapitalkontrollen an, um den Absturz der Landeswährung aufzuhalten. Sofort bildeten sich am Montag lange Schlangen von Sparern vor den Banken, die ihre Einlagen abheben und in Dollar wechseln wollten. Das ist für Privatpersonen nur noch in Tranchen von 10.000 Dollar möglich.

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Pleite droht

Obendrein kündigte die Regierung an, eine "freiwillige" Umschuldung von Anleihen anzustreben.

Das wurde von den Märkten als Ankündigung eines Zahlungsausfalls verstanden. Die vorgeschlagenen längeren Laufzeiten für Anleihen könnten nämlich nur funktionieren, wenn sich Argentinien lediglich in einer Liquiditätskrise befinde, sagte Hontao Jiang, Experte bei der Deutschen Bank.

Doch danach sehe es nicht aus. „Man darf das jetzt nicht falsch verstehen, dies wird ein Zahlungsausfall bei den Auslandsschulden.“ Am Markt wird die Wahrscheinlichkeit, dass es in den kommenden zwölf Monaten dazu kommt, auf 50 Prozent beziffert - und auf mehr als 80 Prozent binnen fünf Jahren.

Zuletzt 2001

Für Argentinien wäre es nicht das erste Mal: 2001 hatte eine Staatspleite Schockwellen auch in die Depots vieler europäischer Kleinanleger geschickt, die die relativ hoch verzinsten Papiere gekauft und von dem Risiko auf dem falschen Fuß erwischt worden waren.

Den größeren Preis zahlte die Bevölkerung: Die Wirtschaftsleistung schrumpfte, die Inflation schnellte nach oben, die Arbeitslosigkeit stieg, Armut machte sich breit. 2015 schaffte es Argentinien, sich wieder am Markt zu finanzieren.

Bei der Fondsgesellschaft BlackRock steht das Land aber auf dem 57. Platz von 60, was Risiken wie die Zahlungsbereitschaft, Haushaltsspielraum, Gesundheit des Finanzsektors und Finanzierungsposition angeht. Damit wird das Risiko nur in Venezuela, dem Libanon und Ägypten höher eingeschätzt.

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"Miserabel gemanagt"

„Das ist eines der am schlechtesten regierten, miserabel gemanagten, unvorhersehbaren und vermasselten Länder der Welt“, sagte Jan Dehn, Analysechef beim Investmentmanager Ashmore Group. „Es hat eines der höchsten Pleiterisiken überhaupt. Der Grund, warum wir die Schwankungen hinnehmen ist, weil wir am Ende doch noch glauben, dass Argentinien noch zukunftsfähig ist.“

Bei der Präsidentenwahl am 27. Oktober zeichnet sich ein Sieg des Oppositionskandidaten Alberto Fernández ab, seine Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin ist die linksperonistische die Ex-Staatschefin (2007-2015) Cristina Kirchner. Fernández gilt als gemäßigter Mitte-Links-Politiker.

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