Britische Wirtschaft 2020 mit stärkstem Einbruch der Nachkriegszeit

London hat nach Brexit den Spitzenplatz eingebüßt
Das BIP sank um satte 9,9 Prozent, durch den aktuellen Lockdown wird die Konjunktur erneut gebremst.

Trotz eines Schlussspurts zum Jahresende ist die britische Wirtschaft 2020 so stark geschrumpft wie mindestens seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) brach um 9,9 Prozent ein, wie das nationale Statistikamt am Freitag mitteilte. "Die heutigen Zahlen zeigen, dass die Wirtschaft durch die Pandemie einen schweren Schock erlitten hat, den Länder auf der ganzen Welt gespürt haben", sagte Finanzminister Rishi Sunak.

Die Konjunktur zog zwar zwischen Oktober und Dezember mit plus 1,0 Prozent doppelt so stark an wie von Ökonomen erwartet. Allerdings dürfte der aktuelle Lockdown Firmen und Verbrauchern wieder bremsen. So rechnet die britische Notenbank für das laufende Quartal mit einem BIP-Rückgang um 4 Prozent.

Die britische Wirtschaft schrumpfte im vergangenen Jahr doppelt so stark wie die deutsche, die nur um 5 Prozent einbrach. Das BIP im gesamten Euroraum fiel 2020 um 6,8 Prozent. Großbritannien muss nicht nur die Folgen des EU-Austritts wegstecken, sondern auch die Auswirkungen der Viruspandemie. Bisher starben über 115.000 Menschen, die positiv auf Corona getestet worden waren - so viele wie in keinem anderen europäischen Land.

Die laufenden Einschränkungen wegen der zweiten Coronawelle dürften der Wirtschaft erneut einen Dämpfer verpassen. "Es gibt zwar einige positive Anzeichen für die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft über den Winter", sagte Finanzminister Sunak. "Aber wir wissen, dass der aktuelle Lockdown weiter erhebliche Auswirkungen auf viele Menschen und Unternehmen hat." Ökonomen rechnen mit einer spürbaren Erholung der Wirtschaft ab Frühjahr, wenn mehr Menschen geimpft sind und die globale Konjunktur anzieht. "Dann werden die Konsumenten deutlich mehr ausgeben", sagte Kallum Pickering von der Berenberg Bank.

Der Produktionsrückgang 2020 war der größte seit Beginn der offiziellen Aufzeichnungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Länger zurückreichende historische Daten der Bank von England deuten darauf hin, dass es sogar das größte Minus seit 1709 war, als Großbritannien einen "Großen Frost" erlitt.

Das Wirtschaftswachstum von 1,0 Prozent im Schlussquartal 2020 profitierte vom Schwung durch Dienstleister, die Produktion der Unternehmen und die Baubranche. Zudem erholten sich laut Statistikamt der Staatskonsum und - in geringerem Maße - die Investitionen der Firmen. Zum Vergleich: Die deutsche Wirtschaft war Ende 2020 leicht um 0,1 Prozent zum Vorquartal gewachsen, während die gesamte Euro-Zone um 0,7 Prozent geschrumpft war.

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