Bewusster "Wille zur Idylle": Mehr Grün beim Ackerbau

Bewusster "Wille zur Idylle": Mehr Grün beim Ackerbau
Die Rücksicht auf Fauna und Flora steht im niederösterreichischen Betrieb Hardegg im Zentrum.

Die Fasane im Grünstreifen neben dem Getreidefeld lassen sich vom nahenden Auto nicht aus der Ruhe bringen. Labrador Quincy schaut den Vögeln von der hinteren Sitzbank aus interessiert zu.

„Wir nennen unser Programm gelebte Artenvielfalt am Gut Hardegg“, erklärt Maximilian Hardegg sein Konzept zur Erhaltung der Biodiversität.

Langsam rollt der von ihm gesteuerte geländegängige Wagen die Schotterstraße entlang. „Artenvielfalt ist ein Ziel mit besonderer Relevanz für die Gesellschaft. Eckpunkte sind eine wildfreundliche Bewirtschaftung, ganzjährige Fütterung der Vögel sowie die Erhaltung der Lebensräume und deren Betreuung. Ein Erfolg in der Artenvielfalt stellt sich nur ein, wenn man alle vier Bereiche kombiniert.“

Bewusster "Wille zur Idylle": Mehr Grün beim Ackerbau

Hardegg und Labrador Quincy

Breite Blühstreifen

Was das in der Praxis bedeutet, ist unübersehbar. Zwischen den großen Feldern und den Schotterwegen wurden einige Meter breite Blühstreifen angelegt. Auf der anderen Seite wird das große Feld von Weiden und Gebüsch begrenzt. Dazu kommen viele kleine Wasserlöcher mit Blumenwiesen.

Zwischen den intensiv genutzten Agrarflächen wurden bewusst landwirtschaftlich ungenutzte Flächen übrig gelassen. Sie sind für die Biodiversität unerlässlich. Denn auch die Biolandwirtschaft reduziert deutlich die Artenvielfalt. Notwendig sind Flächen ohne Bewirtschaftung. Daher der Wille zur Idylle.

Die Familie Hardegg ist mit der Gegend seit Jahrhunderten verbunden. Seit dem Jahr 1495 sind die Hardeggs Reichsgrafen. Seit 1632 gehören ihnen die Herrschaften Kadolz und Seefeld (Weinviertel) sowie Stetteldorf am Wagram. Vom 2200 Hektar großen Besitz in Niederösterreich sind 650 Hektar Wald und 30 Hektar Weingärten.

Der Wagen hat mittlerweile eine kleine Furt erreicht. Rundherum dichtes Grün. Mehrere Kilometer des Verlaufs der Pulkau wurden renaturiert. Die Böschung ist dicht bewachsen und nicht, wie oft üblich, bis auf einen Zentimeter abgemäht. Dazu kommen begrünte Überschwemmungsgebiete, die im Sommer austrocknen.

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Keine Nachtarbeit

Außerdem wurde am Feldrand weniger Saatgut aufgebracht. Die Halme stehen nicht so dicht. In der Nacht werden keine Feldarbeiten durchgeführt, um die Wildtiere, die sich unter dem Schnittgut verstecken, nicht zu gefährden.

„Das ist meine Vision für eine neue Agrarpolitik in Österreich und in der EU. Das ist für die Landwirtschaft gescheit und für die Gesellschaft wichtig. Schließlich geht es ja auch um unsere Lebensqualität“, sagt Hardegg.

Er hat ein Konzept entwickelt, dieses wissenschaftlich evaluieren lassen und der Bundesregierung sowie der EU-Kommission geschickt. Selbstverständlich wechselt laut Konzept jedes Jahr die Fruchtfolge.

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Antwort von Junker

Vom bisherigen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker hat er ein freundliches Antwortschreiben bekommen. Hardeggs eigentliche Ziel ist es, ein künftiges EU-Fördersystem aufzubauen, das auf die Erhaltung der Artenvielfalt abgestimmt ist.

„Mitten in der Brutzeit der Vögel wird gemulcht“ (Zerkleinerung von oberirdischem organischen Material auf den Feldern, Anm.), ärgert sich Hardegg über das Handeln vieler Landwirte. „Das Naturverständnis ist uns abhandengekommen.“ Auf seinen Feldern werde dies hingegen nicht getan.

Laut wissenschaftlichen Untersuchungen sind die Bestände beim Kiebitz um 51 Prozent gesunken, bei der Turteltaube um 62 Prozent. Daher werden die Vögel ganzjährig gefüttert. Auch wenn das nicht unumstritten ist.

Während wir an einem Sonnenblumenfeld und dann an einem Rapsfeld vorbeifahren, spricht der Gutsbesitzer über seine Zukunftspläne. Sein nächstes Projekt sind die Bienen. Er denkt laut über Kooperationen mit Imkern nach, als wir wieder auf die asphaltierte Straße zurückkehren.

Bioweingut

Ein paar Kilometer weiter steht der Weinkeller des Weinguts Graf Hardegg. Die alten Gewölbe wurden im Jahr 1640 gebaut. Da das Weingut biologisch bewirtschaftet wird, ist Hardegg auch Biobauer. Der Cuvée brut Große Reserve 2014 hat es in den Salon 2019 geschafft, erzählt Hardegg nicht ohne Stolz.

Der Salon ist der größte Wettbewerb mit Blindverkostung für Qualitätsweine und Sekte in Österreich. Der Falstaff Wein Guide widmet dem Weingut in der aktuellen Ausgabe eine Doppelseite.

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