Berufswelt: "Jugendwahn muss aus Köpfen"

Finnland ist bei der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer ein EU-Vorzeigeland. 57 Prozent der 55- bis 65-Jährigen sind erwerbstätig, in Österreich gerade einmal 42 Prozent.
Das war nicht immer so. Die ungünstige Altersverteilung veranlasste die Regierung schon frühzeitig zu einschneidenden Maßnahmen. Sie flexibilisierte das Pensionsantrittsalter, führte ein Bonus-Malus-System mit Zu- und Abschlägen ein, stopfte Schlupflöcher in die Frühpension und forcierte die Rehabilitation.
Zusätzlich zu den gesetzlichen Regelungen gingen die Finnen aber einen ganz neuen Weg – sie setzten stark auf Bewusstseinsbildung. Über mehrere Jahre hinweg wurde ein "nationales Programm für ältere Arbeitnehmer" umgesetzt. "Es ging darum, den Jugendwahn aus den Köpfen zu bekommen und die Einstellung gegenüber Älteren zu verändern", erläutert Arbeitsforscher Juhani Ilmarinen im KURIER-Gespräch. Als Wissenschaftler am finnischen Institut für Arbeitsmedizin war er maßgeblich an der Umsetzung des Programms beteiligt und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet.
Ilmarinen ist überzeugt, dass die in vielen EU-Ländern beschlossene bzw. diskutierte Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalter "der falsche Weg" ist, um die Erwerbsquote zu erhöhen. Zuvor müsse erst der Arbeitsmarkt dafür reif sein und davon sei Österreich noch weit entfernt. "Arbeit ist schließlich für die Menschen da und nicht die Menschen für die Arbeit".
Age-Management
"Der wichtigste Hebel zur Beschäftigung Älterer ist gute, altersgerechte Unternehmensführung", sagt Ilmarinen und setzt dabei auf Aufklärung in den Betrieben.
In Finnland gibt es längst eigene "Age-Management-Kurse" für Führungskräfte. Ziel ist es, durch einen Maßnahmenmix die Arbeitsfähigkeit möglichst lange zu erhalten. Die Firmenchefs haben selbst großes Interesse daran, denn sie müssen sich bei Arbeitsunfähigkeit ihrer Mitarbeiter an den Kosten für Reha oder Frühpension beteiligen.
Wenn das Arbeitsklima stimme, Erfahrung geschätzt werde und ein gesunder Generationenmix im Betrieb herrsche, würden ältere Beschäftigte gerne länger arbeiten, sagt Ilmarinen. Schwieriger ist – auch in Finnland – die Wiedereingliederung über 50-Jähriger nach längerer Arbeitslosigkeit. Der Experte warnt davor, Alt gegen Jung auszuspielen: "Es geht doch einzig um Produktivität und dabei hat jede Generation ihre Stärken. Diese müssen nur besser genutzt werden."
Kostenfrage
Die in Österreich besonders hohen Gehaltsunterschiede zwischen Alt und Jung (Seniorität) hält Ilmarinen für ein Einstellungs-Hemmnis. In Finnland bleibe man ab ca. 50 in etwa auf dem gleichen Gehaltsniveau. Problematisch für das Pensionssystem sei aber auch, dass die Jugend immer später ins Berufsleben einsteige.
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