Baustelle statt Puppenspiel

Iris Ortner, Klaus Ortner
Klaus und Iris Ortner. Wie man einen Konzern aus einem Familienbetrieb formt und dennoch bodenständig bleibt

Sie wirken harmonisch: Der 74-jährige Klaus Ortner und seine dreißig Jahre jüngere Tochter Iris sind geschäftsführende Gesellschafter in der IGO Ortner-Gruppe. Beide haben an der ETH Zürich studiert. Er ist deutlich stolz auf die Tochter, die schon in der Schule ein Ass war. Ortner selbst hat aus dem mittelständischen Tiroler Installationsbetrieb seines Vaters eine international agierende Holding gemacht – mit zahlreichen Beteiligungen (u.a. an der Porr) und riesigen Baustellen bis nach Katar. Auch die zweite Tochter arbeitet im Unternehmen, ist aber gerade in Karenz. Der Vater ist mit 72,1 Prozent Hauptaktionär, die Töchter halten je 12,5 Prozent. Der KURIER traf Klaus und Iris Ortner auf ihrem Firmengelände in Atzgersdorf. Sie haben sich dem Motto verschrieben: „So innovativ wie möglich, so konservativ wie nötig.“

KURIER: Kann man sagen, dass Sie Selfmade-Milliardär sind?

Klaus Ortner: Ich weiß nicht, ob ich Milliardär oder Selfmade bin. Ich habe ja nicht bei null beginnen müssen, es waren Strukturen da. 1968 bin ich in den Betrieb meines Vaters gegangen, der 100 Mitarbeiter hatte. Er war auch Landesrat für Wirtschaft und Finanzen in Tirol und hat mir wenige Jahre später 25 Prozent der Firma überschrieben. Damals haben wir circa 17 Millionen Schilling Umsatz gemacht, heute wären das wahrscheinlich 17 Millionen Euro.

Dennoch ist es ungewöhnlich, dass innerhalb einer Generation aus dem Mittelbetrieb eine internationale Holding wird.

Klaus Ortner: Mein Vater hat schon ein entsprechendes Format gehabt. Er hat mit Kläranlagenbau begonnen und Dinge mutig gewagt, die anderen zu schwer oder zu riskant waren. Es war selbstverständlich, dass ich in die Schweiz zum Studieren geschickt werde. Er hat dann einen großen Auftrag in Wien bekommen und mir gesagt: Wenn du nach Wien gehst, übernehme ich den.

Iris Ortner: Die Firma hat sich einerseits in Nischen gewagt und andererseits immer traditionell gewirtschaftet. Das Geld wurde in der eigenen Firma gelassen und nicht zum Vergnügen ausgegeben.

Klaus Ortner: Ich habe den Töchtern einst gesagt: Wenn du willst, kauf ich dir einen Porsche. Sie haben beide abgelehnt.

Iris Ortner:Die Eltern haben es geschafft, uns zu bodenständigen Menschen zu erziehen.

Es gibt den alten Spruch: Die erste Generation schafft Vermögen, die zweite verwaltet es, die dritte studiert Kunstgeschichte und die vierte verkommt. Sie, Frau Ortner, könnten natürlich auch nur Golf spielen und das Leben genießen.

Iris Ortner: Das Unternehmen ist ganz besonders gewachsen, als ich schon selbst in der Firma und erwachsen war. Ich habe mein ganzes Leben lang mitbekommen, dass es ein wichtiges Anliegen war, dass die Firma funktioniert. Vor dieser Verantwortung läuft man nicht davon. Wir sind als Kinder im Sonntagsmanterl mit dem Vater Baustelle schauen gefahren, was ich immer lustig fand. Ich war nicht so die Puppenspielerin.

Sie haben ja dann später auch an der ETH Zürich studiert – eher ungewöhnlich damals.

Iris Ortner: Wir waren vier Mädels unter 150 Studierenden. Das Technische lag mir immer.

Wie sehr können Sie loslassen, Herr Ortner?

Klaus Ortner: Loslassen tu ich nicht leicht, weil ich es gern mache. Ich habe die ersten 12 bis 15 Jahre meines Berufslebens überhaupt keinen Urlaub gemacht, heute mache ich viel. Um einen tropfenden Wasserhahn in der Holding kümmere ich mich nicht mehr.

Sie aber wahrscheinlich auch nicht, Frau Ortner?

Iris Ortner: Hin und wieder. Wenn er stärker tropft (lacht).

Klaus Ortner: Wir arbeiten vernünftig miteinander, verstehen uns, auch wenn es manchmal Meinungsverschiedenheiten gibt. Wir haben aber auch genügend Möglichkeiten, uns aus dem Weg zu gehen.

Wie grenzen Sie sich vom starken Vater ab?

Iris Ortner: Ursprünglich hatten wir ja den Plan, dass ich erst woanders arbeite – was ich dann später nachgeholt habe. Aber während des Doktoratsstudiums hat er mir angeboten, nach Warschau zu gehen. Dort hatten wir eine große Baustelle. Das habe ich gemacht. Damit war ich in der Firma, durch die große Distanz aber doch nicht in derselben Firma. Da konnte ich schon mit 23 Jahren meinen eigenen Weg gehen.

Klaus Ortner: Wir sind jetzt Marktführer in Polen, und sie spricht perfekt Polnisch.

Was ist das Geheimnis des großen Firmenwachstums?

Klaus Ortner: Als ich nach Wien kam, habe ich bei null begonnen. Die Beziehungen meines Vaters haben mir nicht viel genutzt. Aber ich hatte Ehrgeiz.

Gibt es im Baugewerbe denn nicht auch immer eine zweite Kasse, mit der man Dinge beschleunigen kann?

Klaus Ortner:Nein. Man muss intelligent, fokussiert und fleißig sein. Ich war bis vor zwei Jahren immer um sieben Uhr im Büro. Daheim hatte ich immer vollen Rückhalt. Wir haben ein gutes Familienleben, das ist mir sehr wichtig.

Iris Ortner: Ich habe gelernt: Es geht uns gut, aber da steckt auch viel Arbeit drin. Der Vater war nicht viel da, als ich klein war. Ich habe trotzdem gute Erinnerungen. Unsere Beziehung hat sich erst im Studium intensiviert. Da dachte er sich wohl: „Jetzt macht’s was Gscheits.“ (beide lachen) Das wirkliche Verständnis füreinander ist übers Arbeiten gekommen.

Was ist, wenn die Zinsen wieder steigen? Dann ist der Bauboom gebrochen.

Klaus Ortner: Wir sind ja eher nicht Wohnbauer, sondern errichten mehr Kliniken, Schulen, Industrieanlagen.

Sie sind ja auch am Krankenhaus Nord beteiligt.

Klaus Ortner: Mein ganzes Leben ist begleitet von Großprojekten, zum Beispiel auch dem Flughafen Wien, die oft schiefgelaufen sind, aber nicht aus unserer Schuld. Wir haben gelernt, uns auf sehr schwierigen Baustellen zu behaupten. In Mitteleuropa ist die Abwicklung von Großprojekten vielfach nicht gut. Es wird oft nicht richtig geplant und falsch gebaut. Da sind die Angelsachsen vor allem in der Organisation viel besser.

Weil sich die Politik in solche Projekte zu viel einmischt?

Klaus Ortner: Wir – die Porr, die Vamed und Siemens – haben das KH Nord um 800 Millionen Euro als Generalunternehmer angeboten. Vielleicht hätte es am Ende dann 900 Millionen gekostet (derzeitiger Stand: mindestens 1,4 Milliarden, Anm. d. Red.). Wir hätten es finanziert und gebaut. Dann wollte die Politik ein eigenes Management und alles extra vergeben. Das ist halt leider gescheitert.

Worauf sind Sie stolz?

Klaus Ortner: Auf das, was uns in Polen gelungen ist. Wir sind außerdem führendes Gebäudetechnik-Unternehmen für die pharmazeutische Industrie. Wir sind stolz auf das Stadion von Zaha Hadid und das U-Bahn-Projekt in Katar. Die haben 160 Kilometer in acht Jahren gebaut. Wien 80 Kilometer in 40 Jahren.

Können Sie entspannen?

Klaus Ortner: Ja das habe ich gelernt. Mit Ende zwanzig haben wir einen Betrieb gekauft, mit dem ich vor Sorgen fast untergegangen wäre – aus Nichtwissen um die Schwierigkeiten. So habe ich gelernt, zu hundert Prozent abzuschalten. Ich lese viel und habe eine große Sammlung österreichischer Kunst.

Werden Sie Ihre Sammlung einmal im Museum präsentieren wie derzeit Heidi Horten?

Klaus Ortner: Nein. Aber ich habe immer wieder Bilder in Ausstellungen hängen.

Hat die Politik jemals eine Rolle in Ihrem Leben gespielt?

Klaus Ortner: Nein, sie war nie entscheidend. Der Einzige, für den ich mich engagiert habe, war Sebastian Kurz.

Die Serie wird fortgesetzt.

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