Banken verkaufen Euro-Staatsanleihen

Ehemals sichere Staatspapiere wurden zur Risiko-Anlage. Die Bankenverkaufen sie und schlucken Verluste.

Eine Rendite von gut 30 Prozent - da muss doch ein teuflisches Zockerpapier dahinterstecken, könnte man meinen. Tatsächlich geht es um Staatsanleihen aus Griechenland. Noch vor wenigen Jahren musste das Land nur wenig mehr Zinsen für neues Geld zahlen als etwa Österreich. Seither stürzten die Kurse der Griechen-Anleihen allerdings in den Keller. Im Vergleich zu den jetzigen Kursen (im zehnjährigen Bereich haben sie schon 70 Prozent verloren) nehmen sich die ehemals mageren Zinsen monströs aus.

Im Fall Portugal ist es nicht ganz so schlimm, aber fast. Wer dem Land 100 Euro für zehn Jahre geborgt hat, bekommt jetzt, wenn er die Anleihe verkauft, gerade einmal 55,4 Euro. Bei Spanien wären es noch immer fast 100 Euro, bei Italien allerdings schon weniger als 90 Euro, bei Irland weniger als 80 Euro.

Staatsanleihen werden über Bord geworfen

Der Traum, Griechenland könnte seine Schulden zur Gänze zurückzahlen, ist längst ausgeträumt. Die anderen Euro-Peripheriestaaten gelten auch als Wackelkandidaten. Banken sind daher übergegangen, die Staatspapiere dieser Länder in großem Stil auf den Markt zu werfen und die Kursverluste zu schlucken. Als größter Käufer dieser Papiere gilt die Europäische Zentralbank (EZB). Vor allem bei Anleihen mit kurzen Laufzeiten tummeln sich mittlerweile aber auch reinrassige Zocker wie Hedgefonds.

Jüngstes Beispiel für den Ausverkauf von Euro-Staatsanleihen: Die Commerzbank, das zweitgrößte Geldhaus Deutschlands, hat ihr Engagement in Staatsanleihen der hoch verschuldeten Euro-Staaten heuer bereits um 20 Prozent auf 13 Milliarden Euro zurückgefahren. Der Bestand an betroffenen Anleihen wurde weiter abgewertet. Griechische Staatspapiere wurden allein im dritten Quartal um 798 Millionen Euro abgeschrieben. Unter dem Strich musste die Commerzbank am Freitag einen Quartalsverlust von 687 Millionen Euro vermelden - mehr als befürchtet. Bei der Tochter Eurohypo, auf Staats- und Immobilienfinanzierungen spezialisiert, wird das Neugeschäft so gut wie gestoppt.

Die britische Großbank Royal Bank of Scotland (RBS) geht einen ähnlichen Weg. Anfang des Jahres hatte sie noch Anleihen aus schwer verschuldeten Euro-Staaten im Wert von vier Milliarden Pfund in den Büchern. Jetzt sind es nur noch 773 Millionen Pfund (895 Mio. Euro). Der Großteil der Verkäufe habe im dritten Quartal stattgefunden, so die RBS am Freitag. Für das dritte Quartal meldete die Bank dennoch einen Gewinn, der allerdings auf einen - in Österreich nicht möglichen - Bilanztrick zurückzuführen ist. Auch andere Großbanken setzen den Rotstift an, wenn es um den Bestand an Staatsanleihen geht. Abstoßen oder massiv abwerten steht auf der Tagesordnung.

Erste Group

Quartalsverluste bei großen Banken rufen auch die Ratingagenturen auf den Plan. Sie prüfen, wie es um die Kreditwürdigkeit der Geldhäuser steht. Moody's ist gerade dabei, das Zahlenwerk der Erste Group unter die Lupe zu nehmen, und behält sich vor, die Bewertung der Ersten zu senken. Erste-Boss Andreas Treichl war, wie berichtet, von einem Aktionär wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung angezeigt worden. Die Staatsanwaltschaft Wien hat das Verfahren gegen Treichl "ohne formelles Ermittlungsverfahren" eingestellt, da die Anzeige "zu wenig Substrat" hatte. Das Verfahren könne aber wieder aufgenommen werden, "sollten die Ermittlungen der Finanzmarktaufsicht etwas ergeben".

Staatsanleihen: Viele Kurse im Keller

Marktwert Wer Staatsanleihen kauft, borgt einem Staat für eine festgelegte Zeit Geld und bekommt dafür fixe Zinsen. So wie auch Aktien können diese Anleihen jederzeit ge- und verkauft werden. Der jeweils aktuelle Kurs wird auch als Marktwert bezeichnet. Der unveränderbare Fixzins im Beziehung zum aktuellen Kurs der Anleihe ist die Rendite. Je tiefer der Anleihenkurs, desto höher also die Rendite.

Abschreibungen Banken, Versicherungen oder Pensionskassen, die in Staatsanleihen investiert haben, müssen diese regelmäßig neu bewerten. Haben sie zum Beispiel Griechenland 100 Millionen Euro geborgt, die Anleihen sind jetzt aber auf dem Markt nur noch 30 Millionen Euro wert, muss der Unterschied von 70 Millionen Euro abgeschrieben werden. Bei sofortigem Verkauf wären schließlich auch nur 30 Millionen zu erzielen.

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