AVZ-Stiftung: Unter Verschluss

Diskretion ist für die Privatstiftung zur Verwaltung von Anteilsrechten, kurz AVZ, oberstes Gebot. Man könnte auch weniger freundlich von Intransparenz sprechen. Die unauffällig hinter Tür 5 in der Gölsdorfgasse 3 in der Wiener Innenstadt residierende Stiftung dürfte der Bank-Austria-Konzernmutter UniCredit noch einiges Ungemach bescheren. Und in die öffentliche Diskussion geraten – was die Stiftung gar nicht schätzt.
Die AVZ hält 10.000 Namensaktien der Bank Austria und kann, ebenso wie der Betriebsrat, der 115 Aktien besitzt, die Demontage der Bank Austria verhindern. Laut Satzung ganz einfach durch Nichterscheinen bei der Hauptversammlung, die für die Abspaltung eines so wesentlichen Geschäftsbereiches wie den Verkauf des Privatkunden- und Kleinfirmen-Geschäfts notwendig wäre. Womit der Deal endlos hinausgezögert werden kann.

Die offizielle Bekanntgabe durch die Italiener wird für den 11. November erwartet. Ziemlich wahrscheinlich kommt die Bawag zum Zug, noch aber sind mehrere Optionen offen. 2016 werden wegen der Bankensteuer die Osteuropa-Töchter nach Mailand abgezogen. Stiftungsvorstand Franz Zwickl will sich daher jetzt nicht festlegen. "Erst wenn die konkreten Unterlagen auf dem Tisch liegen, können wir alles prüfen", sagt der ehemalige Bank-Austria-Vorstand. Erst dann könne die Stiftung beurteilen, "was für wen gut und was für wen schlecht ist". Bank-Betriebsratschef Adolf Lehner, ebenfalls im AVZ-Vorstand, hat schon Widerstand angekündigt.
In die eigenen Bücher will sich die AVZ allerdings nach wie vor nicht schauen lassen. Trotz der Nähe zur Gemeinde Wien wehrten sich die Stiftungsvorstände und die Stadtregierung bisher erfolgreich gegen eine Offenlegung. Nur der Wirtschaftsprüfer und der Prüfungsverband der Sparkassen dürfen an die Unterlagen ran.
Die Wiener FPÖ, die in der Vergangenheit immer wieder Transparenz forderte, startet einen neuen Versuch. Die erstarkten Blauen haben nun mehr Rechte und bereiten bereits einen Untersuchungsausschuss über die Finanzen der Stadt vor. Einer der Schwerpunkte dabei werden die AVZ und die Haftungen der Stadt Wien sein, kündigt Klubobmann Johann Gudenus an.
Die Blauen wollen alle ehemaligen und amtierenden Stiftungsvorstände vorladen und die Prüfberichte verlangen. Dass die Zeugen Substanzielles aussagen werden, ist jedoch nicht sehr wahrscheinlich.
Je mehr sich die Stadt weigere, die AVZ-Prüfberichte offenzulegen, "desto mehr erhärtet sich der Verdacht, dass hier einiges im Argen liegt", argwöhnt Gudenus. Laut einem Gutachten liege die Stiftung "sehr wohl im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde Wien". Die AVZ sei also laut Sparkassengesetz dem Gemeinderat "voll rechenschaftspflichtig".
Außerdem will die FPÖ den Rechnungshof anrufen. Ob die Kontrollore tatsächlich prüfen dürfen, ist nicht so einfach. Gudenus beruft sich auf eben dieses Gutachten, das die FPÖ schon länger im Ladl hat.
Sollte sich der Rechnungshof für zuständig erachten, die Stiftung aber blockieren, muss der Verfassungsgerichtshof entscheiden. Wird wohl eher ein Fall für die Richter. "Nur wegen der FPÖ werden wir sicher nicht die Stiftung offenlegen, kommt gar nicht infrage", bunkert man sich in der AVZ ein.
Die 2000 gegründete Stiftung haftet für alle aktuellen Verbindlichkeiten der Bank Austria AG. Diese setzen sich im Großen und Ganzen aus den Einlagen der Kunden, Schuldverschreibungen sowie Interbank-Krediten zusammen und summierten sich zum Ultimo 2014 auf 114,758 Milliarden Euro. Den Verbindlichkeiten stehen Forderungen (Kredite) von knapp 125 Milliarden und 10,2 Milliarden Eigenkapital gegenüber.
Die Haftungen würden freilich nur dann schlagend, wenn die Bank Austria pleiteginge – was aus heutiger Sicht nicht realistisch ist.
Die Stadt Wien wiederum haftet für die alten Verbindlichkeiten der Bank bis zum Stichtag April 2003. Diese lagen ursprünglich bei 120 Milliarden Euro, wurden aber laufend abgeschichtet und hatten sich 2013 auf 6,758 Milliarden reduziert. Im Vorjahr allerdings erhöhten sich die Verbindlichkeiten – und damit die Haftungen der Stadt – um eine Milliarde Euro. Grund sind Pensionsrückstellungen für langgediente Bank-Mitarbeiter. Wegen der niedrigen Zinsen musste die Bank die Rückstellungen aufstocken.
Die AVZ ging aus der Entstehungsgeschichte der Bank Austria hervor, konkret aus der Fusion der damaligen Gemeindesparkasse Z mit der Länderbank. Laut Sparkassen-Gesetz haften die Kommunen für ihre Sparkassen. Um die neuen Verbindlichkeiten von der Stadt wegzubekommen, wurde die Lösung über die Stiftung gewählt.
Diese war ursprünglich richtig reich und hielt mehr als fünf Prozent an der Münchner HypoVereinsbank, die mit der Bank Austria fusioniert hatte. Das Aktienpaket wurde auf 1,7 Milliarden Euro geschätzt.
Dann übernahm die UniCredit die Bayern und damit die Bank Austria – die AVZ tauschte ihre HVB-Papiere gegen Aktien der italienischen Großbank ein. Erst nach dem Kurssturz der UniCredit begann die AVZ nach heftigen internen Diskussionen, ihre Aktien abzuverkaufen. Heute hält die Stiftung nur noch 10 Millionen Stück, macht zum aktuellen Kurs 60,7 Millionen Euro.
Mit dem (mageren) Verkaufserlös der UniCredit-Papiere stieg die AVZ bei der Kontrollbank und dem Kreditkarten-Anbieter card complete ein. Das gewichtigste Asset ist die 61-prozentige Beteiligung am Verkehrsbüro, Österreich größtem Touristik-Konzern. Das gesamte Portfolio der Stiftung dürfte derzeit um die 500 Millionen Euro wert sein – ein Bruchteil des einstigen Vermögens. Inzwischen ist die AVZ wenigstens schuldenfrei.
Pech obendrein, dass die Hotelsparte des Verkehrsbüros schwächelt und die Dividenden nicht mehr so sprudeln. Der Mitaktionär, die Wiener Städtische, würde lieber heute als morgen aus der Touristikgruppe aussteigen. Fragt sich, wer diesen Anteil übernimmt. Die AVZ hat jedenfalls keine Lust darauf.
Ein Drittel bis die Hälfte des Gewinns schüttet die AVZ an den Wiener Technologiefonds aus, bisher insgesamt mehr als 100 Millionen Euro.
Der Vorstand der Stiftung erneuert sich selbst, ähnlich dem viel kritisierten Aufsichtsrats-System der ehemaligen Staatsholding ÖIAG. Politisch ist der 12-köpfige Vorstand rot, schwarz und – auch – blau durchmischt. Erst mit 75 Jahren heißt es für die Vorstände Abschied nehmen, was eine gewisse Überalterung des Gremiums erklären dürfte.
Dass der Niedergang der Bank Austria zum Anhängsel eines italienischen Finanzkonzerns ausschließlich der Wiener SPÖ zu verdanken sei, ist übrigens eine Legende, die von der ÖVP hartnäckig hoch gehalten wird. Die Schwarzen vergessen gerne, dass die ÖVP nicht nur dem Verkauf der Creditanstalt an die Bank Austria zustimmte. Sondern dass der ehemalige Wiener VP-Chef Bernhard Görg gegenüber Bürgermeister Michael Häupl die Privatisierung der Bank Austria zur Bedingung für die rot-schwarze Rathaus- Koalition gemacht hatte und die ÖVP der AVZ-Stiftung zustimmte.
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