Auch Italien hat seine Immo-Krise

Vendesi", "Affittasi" – "zu kaufen, zu mieten": Wer zurzeit durch italienische Städte flaniert, stößt bei vielen Wohnungen und Häusern auf die bunten Schilder mit Kauf- und Mietangeboten. Immer mehr Wohnungsbesitzer sind in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten zum Notverkauf ihrer Investitionen gezwungen.
Die Euro-Finanzkrise hat längst auch den italienischen Immobilienmarkt erreicht. Das eigene Heim galt bisher als wichtiger Sicherheitsfaktor, um für die Zukunft vorzusorgen. Rund achtzig Prozent der Italiener wohnen im Eigenheim. Die derzeitige Situation ist paradox: Steuern und Abgaben für den "Mattone", den Ziegel, wie Immobilien genannt werden, steigen stetig, während die Wohnungspreise weiter sinken.
Steuer

Seit Premier Mario Monti die Immobiliensteuer IMU – sie beträgt jährlich 0,76 Prozent des Kaufpreises – wieder eingeführt hat, sind potenzielle Käufer verunsichert. "Bevor wir Kaufverhandlungen beginnen, wollen unsere Kunden wissen, wie hoch die IMU-Steuer pro Jahr sein wird. Das war früher nicht der Fall", erzählt der Turiner Immobilienmakler Alessandro Berlincioni. Mehr als 9,6 Milliarden Euro wurden landesweit mit der ersten IMU-Rate im Juni eingenommen. Rund 5,6 Milliarden davon flossen in die Gemeinden, knapp vier Milliarden in die Staatskassen.
Zusätzlich belastet der "Credit Crunch" (Kreditklemme) der Banken den Sektor. Heuer wurden um 47 Prozent weniger Wohnungskredite vergeben als im Vorjahr. Besonders schwierig ist die Situation für junge Leute.
Von einer geplatzten Immobilienblase kann jedoch im Gegensatz zu Spanien keine Rede sein. Es wurde, bis auf wenige Ausnahmen nahe der Küste, nicht viel zu viel gebaut wie in Spanien. Die Italiener gingen einen vorsichtigeren Weg: Zuerst wurden die Pläne der Objekte vorgestellt und erst bei entsprechender Nachfrage wurde zu bauen begonnen.
Trotz allem sind die Immobilienpreise um bis zu zwanzig Prozent eingebrochen. Laut Studien des Forschungsinstituts für Immobilienfinanzierung Cesfim muss bis 2017 mit weiteren markanten Preisrückgängen gerechnet werden. "Wir müssen umdenken. Denn es wird nicht mehr gelten, woran wir in den vergangenen Jahrzehnten gewohnt waren: nämlich, dass das Eigenheim langfristig die beste Anlage ist, die nie an Wert verliert", erklärt Cesfim-Gründer Ezio Bruna.
Weil sich die Italiener um ihre Jobs bangen, wird mit dem Immobilienkauf abgewartet. 2012 wurden bisher um zehn Prozent weniger Eigenheime gekauft als im Vorjahr. Dabei war 2011 mit 600.000 weniger verkauften Häusern und Wohnungen schon ein Tiefpunkt.
Trotz sinkender Preise ist Italien aber auch weiterhin kein Billigland. Die Preise für Häuser am Meer, in beliebten Gegenden und Kulturstädten sowie in den Metropolen Rom und Mailand liegen viel höher als in den anderen Mittelmeerländern.
Eine Ausnahme bildet hier nur Südfrankreich. Objekte im Luxussegment wie ein altes Landgut in der Toskana oder eine Strandvilla auf Sardinien können sich auch weiterhin nur ganz wenige leisten.
Attraktive Angebote kann man hingegen noch in unbekannteren Gegenden wie im mittelitalienischen Marken finden: Ein renoviertes Natursteinhaus mit Garten, in der Nähe von Ancona, 30 Autominuten vom Meer entfernt, gibt es um 280.000 Euro. Die Preise in der benachbarten Toskana liegen um rund 30 Prozent höher als vergleichbare Objekte in den Marken. Noch um zehn bis 20 Prozent günstiger als in den Marken ist es in den Abruzzen.
Briten kaufen
Im Süden entwickelt sich Apulien zu einem neuen Geheimtipp. Briten kauften bereits vielerorts Häuser. Beobachter fürchten künftig Preisexplosionen wie im "Chiantishire", der berühmten Chianti-Gegend in der Toskana. Die Quadratmeterpreise für renovierungsbedürftige "rustici", Landhäuser, in der Nähe bekannter Barock-Städte wie Lecce, Otranto und Gallipoli beginnen bei 1000 Euro. Restaurierte Objekte kosten etwa 3000 Euro pro Quadratmeter.
Das günstigste Angebot der Agentur Stile Immobiliare in Nardo beginnt bei 108.000 Euro – für ein renovierungsbedürftiges, zweistöckiges, 175 Quadratmeter großes Stadthaus, das fünf Kilometer vom Meer entfernt liegt.

Käufer für italienische Palazzi gesucht
Etwa 42 Milliarden Euro – soviel sind Immobilien wert, die italienische Behörden zwar besitzen, sie aber nicht oder nur teilweise nutzen. Ein Teil soll nun den Besitzer wechseln. 350 Immobilien sollen demnächst zum Verkauf stehen, berichtet die Agenzia del Demaio, die die staatlichen Immobilien verwaltet. Staat, Regionen und Kommunen rechnen mit Einnahmen von 1,5 Milliarden Euro.
Venedig will 18 Immobilien zu Geld machen. Darunter beispielsweise der Palazzo Diedo aus dem 18. Jahrhundert, der lange als Strafgericht genutzt wurde. Kostenpunkt: 19 Millionen Euro.
Mit 31 Millionen Euro deutlich teurer ist der Palazzo Bolis Gualdo im Mailänder Modedistrikt. Insgesamt will Mailand mehr als hundert Gebäude verkaufen.
Weitere Beispiele: Das prächtige Castello Orsini, das sich rund um 1270 ein Papst bauen ließ. Weit weniger prächtig sind einige Armeebaracken in Bologna.
Laut Alessandro Mazzanti, Geschäftsführer der italienischen Sparte des Immo-Dienstleisters CBRE Group, hätten sich schon der eine oder andere US-Fonds für etliche Objekte interessiert. Namen wollte er jedoch keine nennen.
Andere Immobilienexperten sehen jedoch einen Haken bei der Sache: Die meisten Häuser stehen leer, Mieter müssten erst gefunden werden. Das mögen Großinvestoren gar nicht.
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