Atomenergie gewinnt wieder an Strahlkraft

Ein japanisch-französisches Konsortium baut Meiler in der Türkei. Auch die Briten bauen.

Da war doch was in Fukushima. Japan? - weit weg. Erst kürzlich, am 26. April, jährte sich die bis heute größte Katastrophe in der zivilen Nutzung der Kernenergie zum 27. Mal. Tschernobyl? - lange her.

Die Politik ist schnelllebig, der Energie-Hunger groß. So ist es nicht verwunderlich, dass Atomkraft in Teilen Europas eine Renaissance feiert.

Ein Mann mit hellen Augen gestikuliert vor einem grünen Hintergrund.
Zumindest befürchtet Umweltminister Niki Berlakovich ein Wiedererstarken der Atomkraft in der EU. Ein Mitte April beim informellen Umweltministerrat in Dublin diskutiertes "Grünbuch Klima- und Energiepolitik" öffne nämlich "der Förderung von Atomenergienutzung Tür und Tor", kritisierte der ÖVP-Politiker damals. Dies sei eine "bedrohliche Entwicklung der europäischen Klimapolitik".

"Grünbuch" werden auf EU-Ebene Dokumente genannt, mit denen die EU-Kommission den inhaltlichen Rahmen für spätere Gesetze absteckt.

Länder wie Bulgarien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Großbritannien seien bestrebt, unter dem Deckmantel der Klimafreundlichkeit Förderungen für Atomkraft nach dem Vorbild der erneuerbaren Energieformen erwirken. Zwei Beispiel von Ende dieser Woche zeigen den Trend.

Ein Beispiel liefert die regionale Macht am Bosporus. So hat ein japanisch-französisches Konsortium aus den Konzernen Mitsubishi sowie Areva und GDF Suez hat den Zuschlag für den Bau eines zweiten Atomkraftwerks in der Türkei bekommen. Kosten des Projekts: 15 Milliarden Euro.

Am Freitag wird der japanische Regierungschef Shinzo Abe in der Türkei erwartet. Dabei soll der Vertrag von Abe und seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan unterzeichnet werden.

In der japanischen Wirtschaftszeitung Nikkei begründete Erdogan die Entscheidung für das Konsortium einerseits mit der Erfahrung der Japaner im Umgang mit Erdbeben und andererseits mit der Technologie von Areva. Die Nuklearanlage soll am Schwarzen Meer in einer seismisch sehr aktiven Zone gebaut werden.

Der Bau des Atomkraftwerks soll 2017 beginnen. Die Türkei will so unabhängiger von Gas- und Erdölimporten werden. Im Jahr 2010 hatte Ankara ein Abkommen mit Russland zum Bau eines Atomkraftwerks in Akkuyu im Süden des Landes vereinbart.

Ein ähnliches Bild zeigt sich in England. Das erste einer neuen Generation von britischen Kernkraftwerken soll offenbar 2020 ans Netz gehen. Am Donnerstag veröffentlichte Unterlegen zeigen, dass die Regierung dann einen Sprung in der Atomstrom-Produktion auf 11,3 Gigawatt (GW) von 9,6 GW im Jahr zuvor erwartet. Ein Sprecher des Ministeriums für Energie und Klimawandel sagte, die Schätzungen basierten auf Gesprächen mit dem französischen Versorger EDF. Dieser soll den 1,6 Megawatt-Reaktor Hinkley Point C bauen. Eigentlich sollte er 2018 ans Netz. Als Folge des Atomunglücks im japanischen Fukushima verzögert sich das Projekt jedoch.

Neue Kernkraftwerke sollen Großbritannien dabei helfen, gesetzlich vorgeschriebene Einschnitte beim Ausstoß von Treibhausgasen umzusetzen. Ursprünglich sollten bis 2025 dadurch zusätzliche Kapazitäten von 16 GW bereitstehen. Das war vor Fukushima. Den neuen Daten zufolge geht die Regierung jetzt von weiteren 3,3 GW aus.

Im Oktober 2012 hatten die europäischen AKW-Stresstests erhebliche Sicherheitsmängel in den untersuchten 145 Reaktoren in Europa ans Licht gebracht. Praktisch alle Atommeiler in Europa müssen nach den auf Prüfberichten von EU-Experten aufbauenden Empfehlungen der EU-Kommission in irgendeiner Form nachgerüstet werden. Die "Stresstests" untersuchten aber schwerpunktmäßig Gefahren, die von Naturkatastrophen ausgehen, nicht aber von Terrorismus, Cyber-Attacken, Materialschäden oder menschlichem Versagen.

Eine Karte von Europa, die Standorte von Atomkraftwerken und ihre Sicherheitsmerkmale zeigt.

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