Weiter Kritik an ORF-Gesetzgebung

Die jüngst im Nationalrat beschlossene Änderung des ORF-Gesetzes hinsichtlich der Zusammensetzung der ORF-Gremien sorgt weiterhin für Kritik. In der Mini-Reform war die verfassungswidrige Faxwahl von sechs Publikumsräten endgültig aus dem ORF-Gesetz gestrichen worden. Ebenfalls klargestellt wurde die Entsendung von sechs Publikumsräten in den Stiftungsrat, und zwar ohne weitere Vorgaben. Zuvor waren drei dieser Räte aus den per Fax Gewählten sowie je einer aus den Bereichen Kirche, Kunst und Hochschulen zu wählen. Der Vertreter der Kirchen wird zukünftig auf einem Regierungsticket in den Stiftungsrat geschickt. Die Gruppe der "Unabhängigen" Stiftungsräte schrumpft damit möglicherweise um ein Mitglied auf drei.
Im Namen der Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform übte der frühere ÖVP-Minister und zweite Nationalratspräsident Heinrich Neisser am Freitag Kritik an der Medienpolitik der Regierung. "Die derzeitige Gesetzgebung über den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk in Österreich sowie die Handlungsweisen von Regierung und Parlament widersprechen eindeutig dem Geist der Bundesverfassung, die die Unabhängigkeit des ORF klar postuliert“, erklärte der Obmann der Initiative.
Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger hätten vor zwei Jahren eine ORF-Reform angekündigt, mit dem Ziel, "das oberste Organ des Unternehmens, den Stiftungsrat, so zu gestalten, dass er den Einflüssen von Parteien und Regierungen entzogen wird. Dieses Versprechen wurde leider nicht eingehalten“, betonte Neisser.
"Alles beim Alten"
Die Bundesverfassung enthalte aber den klaren Auftrag an National- und Bundesrat, ein Gesetz zu beschließen, das die Unabhängigkeit der Personen und Organe des ORF gewährleiste. Neisser wies darauf hin, dass von den 35 Mitgliedern des Stiftungsrates derzeit lediglich vier als unabhängig gelten. Faymann habe vor den letzten Wahlen die Entparteipolitisierung des Stiftungsrates versprochen. "Jetzt bleibt wieder einmal alles beim Alten," so Neisser.
Seine Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform fordere daher ein neues Gesetz, "dass es dem ORF ermöglicht, die in der Bundesverfassung geforderte Unabhängigkeit von Parteien und Regierungen auch tatsächlich leben zu können“, erklärte Neisser.
Der Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform gehören neben Neisser weitere prominente Vertreter, wie Gerd Bacher, Kurt Bergmann, Erhard Busek, Franz Fischler, Helga Rabl-Stadler, Markus Hinterhäuser oder Ioan Holender an.
Bischöfe protestierten
Gegen die Gesetzesänderung hatte in der Vorwoche bereits die Österreichische Bischofskonferenz protestiert. Der dadurch zunehmende Einfluss der Regierung auf den öffentlich-rechtlichen Sender sei "grundsätzlich schlecht", kritisierte Kardinal Christoph Schönborn. Wichtige gesellschaftliche Bereiche wie Religion, Wissenschaft und Kultur seien ersatzlos gestrichen. Die Änderung des ORF-Gesetzes ist "aus Sicht der Bischofskonferenz und anderer Kirchen ein Rückschritt" betonte Schönborn. "Dies alles verstärkt den bisher schon sehr ausgeprägten Einfluss der Politik auf die Zusammensetzung der ORF-Gremien", so Schönborn.
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