Standard will nur Medienhaus sein

Zwei Männer sitzen an einem Tisch und unterhalten sich.
atDer Standard soll auch in Zukunft als Medienhaus und in der Alleinstellungsvariante fortbestehen, meinen die beiden Vorstände Alexander Mitteräcker und Wolfgang Bergmann im Interview mit atmedia.at.

atmedia.at: Der Standard machte im Frühjahr Schlagzeilen mit der Ankündigung, dass man zehn Prozent Personalaufwand kürzen müsse. Wie weit sind Sie damit, wie viele Mitarbeiter sind betroffen?
Wolfgang Bergmann: Bei den Einsparungen und Restrukturierungen sind wir noch immer mitten drin. Da geht es uns nicht anders als anderen Medienhäusern. Was die Redaktion betrifft, ist das, was zu machen war, weitgehend abgehakt. Das gilt auch für etwaige Vertragsänderungen oder -auflösungen. Wichtig ist, es wurde keine einzige Kündigung ausgesprochen. Dazu hat auch der mit dem Betriebsrat vereinbarte Sozialplan beigetragen. Ich bitte aber um Verständnis, dass wir über Zahlen oder gar einzelne Personen keine Angaben machen. Was die Zielvorgabe der Einsparungen von zehn Prozent des Personalaufwandes betrifft sind wir jedenfalls auf Kurs.

atmedia.at: Auf Twitter war jüngst das Gerücht zu lesen, der Standard könnte seine Print-Erscheinen auf das Wochenende beschränken. Ist das eine mittelfristige Option?
Bergmann: Nein, das ist nicht in Überlegung und auch nicht geplant. Im Gegenteil, wir haben mit dem Standard kompakt, der Montag bis Freitag erscheint, gerade die Wochentage gestärkt. Wir werden auch die Wochenend-Ausgabe stärken.

atmedia.at: Wie wollen Sie das Wochenende stärken?
Bergmann: Es wird eine optische und inhaltliche Auffrischung kommen. Beim Leseangebot wird es eine stärkere Fokusierung auf Lesegeschichten geben. Das, was wir im September vorstellen wollen, wird aber kein großer Relaunch, sondern relativ sanft, damit ist für die Leser Kontinuität gewährleistet. Die Redaktion hat für diese Verbesserung lange und intensiv gearbeitet. Für uns ist das auch sehr schön zu sehen, dass wir uns beim Standard in Zeiten der Restrukturierungen nicht nur mit uns selbst beschäftigen. Die Umsetzung von Standard kompakt und diese Neuerung der Wochenend-Ausgabe zeigen auch deutlich, dass wir an dieses Produkt glauben.
Mitteräcker: Wir gehen am Wochenende inhaltlich zum Teil weg von der Tagesaktualität und orientieren uns hin zu auf Wochenbasis relevanten Inhalten.

atmedia.at: Wollen Sie den Standard am Wochenende zu einer auf österreichische Verhältnisse herunter gebrochenen Zeit machen?
Mitteräcker: Das ist ein Vergleich, mit dem wir leben können. Natürlich wird es nicht diesen Umfang haben.

Zwei Männer sitzen an einem Tisch und unterhalten sich.
Bergmann: "Bei den Einsparungen und Restrukturierungen sind wir noch immer mitten drin"

atmedia.at: Wie geht es mit dem Standard kompakt weiter? Gibt es dadurch zusätzliche Abonnenten? Was ist die Strategie dahinter?
Bergmann: Wir haben in unserer Zielgruppe immer mehr Menschen, die meinen, der Standard sei toll. Diese Menschen haben aber unter der Woche zu wenig Zeit. Das hat in der Struktur unserer Abonnenten dazu geführt, dass eine ganze Reihe von ihnen nur noch die Samstagsausgabe bekommt. Für diese Zielgruppe ist der Standard kompakt unsere Antwort. Ein hoher Anteil an unserer Leserschaft legt zudem den Weg zu ihrer Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück und auch die schätzen das kompakte Format.

atmedia.at: Wollen Sie sich etwa vertriebsmäßig auch in U-Bahnen und ähnlichem präsentieren, wie es heute und Österreich tun?
Bergmann: Wir haben kein Geschäftsmodell, bei dem der Standard kompakt als Gratiszeitung gedacht wäre. Es gibt lediglich ein-, zweimal im Jahr Marketing-Aktionen, um das Produkt aufmerksam zu machen.

atmedia.at: Wie soll es nach der journalistischen Verschmelzung von Print und Online im digitalen Bereich weitergehen? Sie haben der Belegschaft ja versprochen, dass es keine neuen Geschäftsmodelle geben soll. Aber wie will der Standard dann allein überleben?
Bergmann: Keine neuen Geschäftsfelder bedeutet nicht, dass wir in jenen Bereichen, in denen wir tätig sind, nicht nach neuen Erlösmodellen suchen oder innovativ sind. Es heißt das vielmehr, dass wir keine anderen Felder suchen, um dort Investitionen zu tätigen und das Gesamthaus zu stützen. Ein Beispiel: Ein neues Geschäftsfeld war, dass wir mit unserer Logistik hausbrot.at begonnen haben. Erfreulicherweise läuft das auch gut. Aber es Bedarf eines hohen Aufwands an Managementkapazitäten, Aufmerksamkeit und Investitionen. Wir konzentrieren uns nun voll auf Print und Online. Das Ziel dahinter ist, den Standard in seiner Alleinstellungsvariante zu erhalten …
Mitteräcker: … und zwar als Medienhaus. Ich hatte jüngst ein Treffen mit einem deutschen Medienmanager, der sich darauf konzentriert, im Versandhandel aktiv zu sein. Das ist nicht unser Geschäft. Wir haben ein erfolgreiches Online-Geschäftsmodell und das heißt Werbung. Wie bekannt ist, verdienen wir bereits Geld im Online-Bereich. Natürlich überlegen wir, wie wir unser Angebot erweitern können. Wir haben eben bei der Fußball-WM – was für den Standard untypisch ist – einen großen Aufwand betrieben. Wir haben, wie ich meine, mit dem neuen Live-Ticker etwas auch international Einzigartiges hingestellt. Wir glauben, dass wir aus der Kombination von Live-Berichterstattung und Community heraus die Möglichkeiten für die werbetreibende Wirtschaft durchaus erweitern können. Ein jüngeres Beispiel dazu war der Prozess Josef S., wo wir einen neuen Rekord bei der Verweildauer und der Unique Clients erreicht. Auch die Postings waren enorm. Das ist für uns ein einzigartiges Betätigungsfeld, auf dem wir derzeit auch konkurrenzlos sind. Darauf springt die Community an und es wird das auch die Werbewirtschaft zu honorieren wissen.

atmedia.at: Gibt es Überlegungen zu Paid Content?
Mitteräcker: Wir zerbrechen uns tatsächlich den Kopf darüber, wo und wie können wir Vergebührungsmodelle starten. Da wir eben bereits Geld verdienen, ist die entscheidende Frage, wie sehr wir unser sehr erfolgreiches Werbegeschäft mit einem Vergebührungsmodell kannibalisieren würden. Sie können aber davon ausgehen, dass wir da an ganz guten Lösungen bauen.

atmedia.at: Wieweit spielt die Dominanz des ORF bei den Überlegungen eine Rolle?
Mitteräcker: Eine ganz wesentliche Rolle sogar. Denn der ORF ist schon vergebührt, er ist die größte österreichische Online-Plattform. Wir würden uns um einiges leichter tun, wenn auch beim ORF eine Vergebührung stattfinden würde - allein das wird nicht möglich sein. Mein Vorschlag ist, dass man GIS-Nummer eingeben muss, um an das Online-Angebot des ORF zu kommen. Das wäre sicherlich zum Vorteil aller privater Medien. Vielleicht greift ja jemand diesen Lösungsvorschlag auf.

Ein Mann mit Brille gestikuliert während eines Gesprächs.
Mitteräcker: "Mein Vorschlag ist, dass man die GIS-Nummer eingeben muss, um an das Online-Angebot des ORF zu kommen"

atmedia.at: Wo liegen dann die Entwicklungsmöglichkeiten für den Standard, wenn Paid Content schwierig ist und Geschäftsmodelle abseits der Medien vorerst nicht möglich sind?
Mitteräcker: Ich möchte da nicht zu viel verraten. Wir haben im Vorjahr eine neue Redaktionsstruktur mit der zusätzlichen Säule User generated Content. Wir haben da eine für Österreich außergewöhnliche Stellung, auf die, so mein Eindruck, manche neidisch sind. Nun gilt es entsprechend interessante Angebote zu schaffen, so dass die User sich mehr einbringen. Wir sprechen da ja sehr spezielle Zielgruppen an. Nochmals das Beispiel Fußball-WM-Ticker: Wenn man jemanden auf der Straße fragen würde, ob der Standard für Sportkompetenz steht, dann würden viele das verneinen. Trotzdem entwickeln wir gerade eine der stärksten Communities im Sport. Bei der Prozessberichterstattung haben wir ein weiteres Feld. Und auch beim Song Contest würde normalerweise keiner erwarten, dass wir so erfolgreich sind, wie wir waren – Conchita Wurst hat uns einen Rekord bei den Postings beschert. Wir gehen also davon aus, dass wir noch weitere Felder finden werden.

atmedia.at: Wer überlegt sich diese Dinge?
Mitteräcker: Wir haben den eigenen Bereich User-generated-Content, wir haben die Redaktion, die sich sehr einbringt und wir haben zusätzlich eine eigene Einheit, Business Intelligence geschaffen, die genau trackt, wo etwas in Bewegung ist. Klar sagen muss man aber auch, dass auch viel Trial and Error ist. Es funktioniert auch nicht alles, aber es gilt jetzt mutig zu sein und auszuprobieren.

atmedia.at: Um das zu finanzieren, braucht es die Werbewirtschaft. Die Werbepreise, gleich ob Print oder Online, sind schwer unter Druck. Wie geht der Standard damit um?
Bergmann: Das ist der Punkt, der uns zu unseren Sparüberlegungen und Restrukturierungen gebracht hat. Von den Media-Daten stehen wir überhaupt nicht unter Druck: Wir steigen in der Media-Analyse, wir haben wunderbare Online-Reichweiten. Die Kopfschmerzen ergeben sich aus den erwähnten Konjunkturentwicklungen. Hier sind wir aber guter Dinge, dass wir durch die gesetzten Maßnahmen dem Gegenwind standhalten.

atmedia.at: Wie steht der Standard Online zu neuen Entwicklungen im Werbebereich wie Real Time Bidding und ähnlichem?
Mitteräcker: Wir schauen uns das sehr genau an. Preisfindungsprozesse sind schwierig. Momentan schreibt ein Verkäufer Angebote und irgendwann sagt ein Kunde dann ja. Und ich frage mich dann, womöglich waren wir zu billig? Ich bin an sich ein Fan von Auktionsverfahren. Die Frage dabei ist, wie sind sie aufgesetzt, wie sehr berücksichtigen sie zum Beispiel das Umfeld, in der die Werbung ausgespielt wird? Ist eine Wetterseite einer redaktionellen Seite gleichgestellt? Da stehen wir am Anfang eines Lernprozesses. Wir haben schon einmal erlebt, dass Preise hinunter gehen, haben aber auch gelernt, dass Preise auch wieder anziehen können. Das erwarte ich auch. Ich glaube nämlich nicht, dass die Mediaagenturen oder sonst ein Player auf dem Markt an einer Marktvernichtung interessiert sind. In diesem Fall könnte keiner mehr davon leben. Es stehen wohl derzeit einige unter Druck und das kann dazu führen, dass Kurzschlusshandlungen gesetzt werden, was man am Preisgefüge ablesen kann. Vielleicht ist sogar eine gewisse Marktkonsolidierung notwendig. Aber es ist auch klar, dass sich die Preisspirale nicht endlos nach unten drehen kann. Davon hat letztendlich keiner was.

Zwei Männer sitzen an einem Tisch in einem Büro.
Der Online-Standard setzt auf seine Community und wird die Live-Berichterstattung ausbauen

atmedia.at: Mobile ist in aller Munde. Die Nutzerzahlen steigen sehr schnell. Was macht der Standard?
Mitteräcker: Die große Frage ist, wo hört das stationäre Web auf und wo beginnt das mobile. Die Ipads werden da und dort gerechnet. Im Grunde hat der Standard zwei Ausgaben: die Vollversion und die mobile. Die Displays der Smartphones werden auch im größer. Ich würde deshalb nicht sagen, dass wir die Investitionen in den mobilen Bereich intensivieren müssten. Ich meine eher, wir müssen Investitionen in unsere Inhalte und in die Art und Weise, wie wir sie zugänglich machen, fördern.

atmedia.at: Haben Sie keine Bedenken, dass Mobile Umsätze kosten könnte?
Mitteräcker: Die mobilen Zugriffe steigen dramatisch. Ja, man könnte sich davor fürchten, dass die mobile Nutzung die stationäre, wodurch wir den Großteil unserer Umsätze lukrieren, kannibalisieren könnte. Davon merken wir aber noch nichts. Im Gegenteil, wir liegen stabil im stationären Bereich und die Werbeumsätze steigen im mobilen Bereich. Dementsprechend sehen wir da ein großes Wachstumssegment auch umsatzseitig. Wir stehen bei Mobile aber noch am Anfang, das ist vergleichbar mit dem Stand beim Web des Jahres 2003. Das heißt, es gilt jetzt neue Werbeformen zu entwickeln, die den Nutzer nicht überfordern und es gilt zu überlegen, was man als Werbekunde erreichen will. Es gibt viele neue Möglichkeiten wie das Geotargeting. Ich meine, da werden wir noch viele tolle Sachen erleben.

atmedia.at: Wie sehen die Werbeeinnahmen beim Print-Standard aus?
Bergmann: Der Stellenmarkt ist weiterhin rückläufig, die weiteren Branchen sind durchwachsen. Per Saldo ist die Entwicklung noch negativ.

atmedia.at: Eine andere Einnahmequelle für den Standard war immer die Presseförderung. Wie sehen Sie die Diskussionen darüber und die letztendlich erfolgte Kürzung?
Bergmann: Dass der Topf der Presseförderung gerade dort, wo es um die Vielfalt geht, sehr viel kleiner wird, ist irritierend. Meine Position war immer, dass es anzustreben wäre, dass ein funktionierender Markt keiner Presseförderung bedarf. Allein, man hat in Österreich marktbeherrschende Konstellationen zugelassen, die in anderen entwickelten westlichen Demokratie undenkbar wären. Wer politisch dergleichen zulässt, muss auch eine politische Antwort in Form der Presseförderung geben. Diese Antwort wird jetzt immer mehr in Frage gestellt.
Gleichzeitig muss man aber auch die Größenordnungen im Blick haben: Die Presseförderung wird für den Standard heuer eine Million Euro ausmachen, der Gesamtumsatz des Hauses liegt bei 60 Millionen. Der Standard hängt also nicht am Tropf der Presseförderung. Es wird aber für uns um einen Schritt schwerer.

atmedia.at: Haben Sie die Hoffnung, dass sich das wieder ändern könnte?
Bergmann: Als kleines Land muss sich Österreich zunehmend die Frage stellen, wo ist der Marktplatz des öffentlichen Diskurses und wie muss ein Land vielleicht in diesen Marktplatz auch investieren im Sinne einer Kulturinvestition? Wir Verlage müssen Redaktionen finanzieren für einen Markt von sieben, acht Millionen Menschen. Wäre der Markt zehnfach so groß, wäre das natürlich leichter zu refinanzieren. Bevor man jetzt in der Politik wieder überlegt, was und wie tut man mit Print, was macht man mit dem ORF, sollte man eine Haushalts-Kulturabgabe andenken, die diesen Marktplatz mitfinanzieren kann. Dass es diesen braucht und der möglichst vielfältig besetzt sein muss, sollte eigentlich außer Streit stehen. Ich meine auch, dass so ein Marktplatz eine Infrastruktur-Investition ist, wie es auch Straßen etcetera sind. Ich halte das für eine notwendige Investition, weshalb ich auch vom Begriff der Förderung weg will.

atmedia.at: Wie sehen Sie die Problematik der "Presseförderung" über Inserate von Bundes- und Landesregierungen etcetera. Gibt es solches auch schon im Online-Bereich?
Mitteräcker: Aufgrund der Tarifstruktur ist es natürlich effizienter, das über Print zu spielen. Und das hat ja tatsächlich Dimensionen, die die eigentliche Presseförderung in den Schatten stellt. Ich schließe nicht aus, dass das da und dort auch schon ein wenig Online betrifft.
Bergmann: Das Thema dabei ist das Medien-Transparenzgesetz, für das wir eingetreten sind und für das ich immer noch für ein wichtiges Instrument halte. Es hat den Sachverhalt relativ klar und durchsichtig gemacht. Die Hoffnung, dass sich allein durch die Öffentlichwerdung sehr rasch ein Selbstreinigungsmechanismus in Gang kommt, hat sich nicht ausreichend erfüllt.

Ein Mann mit Brille und Anzug spricht.
Bergmann plädiert für eine Haushalts-Kulturabgabe statt der Presseförderung

atmedia.at: Viele Medienhäuser insbesondere in Deutschland beschäftigen sich mit Start-ups, bilden Venture-Fonds oder fahren Media-for-Equity-Programme. Ist das auch ein Thema für den Standard?
Mitteräcker: Da müssten wir uns dafür entscheiden eine entsprechende Struktur aufzubauen. Das wäre dann auch in gewisser Weise ein Verlassen unseres eigentlichen Geschäftsfeldes, da ein Großteil dieser Investitionen von Verlagshäusern nicht in den Medienbereich gehen. Unsere ganz klare strategische Entscheidung war aber, der Standard ist und bleibt im Medienbereich tätig. Wir sind kein Venture-Kapital-Fond. Das ist unsere vorläufige Meinung. Das war auch schon mal anders. Wir haben auch ein paar Versuche gestartet und gesehen, wie viel Management-Kapazität das frisst. So nebenbei geht das sicher nicht.

atmedia.at: Das heißt also, hausbrot.at und autogott – das war es vorerst im Medienfremden Bereich?
Bergmann: Was wir begonnen haben, stellen wir nicht in Frage. Aus den Erfahrungen heraus wissen wir aber, dass es nicht damit getan ist, einen Gesellschafter-Vertrag auszustellen und nach drei Jahren wieder vorbei zu schauen. Wir hätten also Ressourcen des Hauses dafür bereitstellen müssen - wir haben uns dagegen entschieden.

atmedia.at: Viele Verlagshäuser hegen ja die Hoffnung, dass in naher Zukunft Google und Co in ihre Budgets einzahlen müssen. Wie sehen Sie diese Suchmaschinen-Riesen?
Mitteräcker: Für Google wurde schon vor einigen Jahren der Begriff Frenemy erfunden. Das trifft nach wie vor zu. Sie sind Freunde, sie bringen uns Traffic, sie bringen uns zum Teil auch Anzeigenerlöse, wenn man mit ihnen in eine Kooperation geht. Auf der anderen Seite kannibalisieren sie auch Geschäftsfelder, die wir bisher besetzt haben. Und es ändert sich auch der Zugang von Google, etwa bei Smart-Search. Wenn ich nach einem Film suche und Google liefert mir auch gleich, wo ich diesen sehen kann, dann hat das Auswirkungen auf unser Kino-Programm. Da finden also einige Entwicklungen statt, die von den Verlegern skeptisch verfolgt werden. Das muss man sich sehr genau anschauen.

atmedia.at: Und die Frage des Leistungsschutzrechts?
Mitteräcker: Fest steht, dass Google eine einzigartige Machtposition inne hat. Wenn wir also sagen, wir halten unter dem Titel Copyright die Hand auf, dann wird Google erklären, dass sie uns nicht unbedingt in den Suchergebnissen listen muss. Damit sind wir dann bei Fragen des Wettbewerbsrechts und auch beim Konsumentenschutz. Denn Google hat Daten über den einzelnen Nutzer, die möglicherweise nicht einmal der NSA hat und sie haben die Fähigkeit diese zu nutzen. Dass das noch im Sinne der Konsumenten ist, wage ich zu bezweifeln.

atmedia.at: Zum Abschluss noch zur Klarnamen-Diskussion. profil hat nun auf Klarnamen umgestellt, der Standard will nicht. Warum?
Bergmann: Wir haben immer erklärt, dass die Qualität von Postings nicht ursächlich mit der Anonymität zusammenhängt. Die jüngsten Shitstorms waren Klarnamen-Shitstorms. Wir leben glücklicherweise in einer Demokratie, in der man auch seine Stimme nicht deklarieren muss, die man bei einer Wahl abgibt. Daher mag es auch sinnvoll sein, dass man bei manchen Diskussionen zwar seine Meinung sagen kann, aber nicht, wer man ist. Eine Problematik der Qualität ergibt sich dort, wo wir aufgrund der Live-Situation nicht alles klären können, weil wir sonst die Live-Situation in Frage stellen würden. Wir sind jedoch sich das Haus, das wohl am meisten Geld und Kraft investiert, um Postings zu monitoren. Es liegt ja auch in unserem eigenen Interesse als Qualitätsmedium, dass der Diskurs qualitätsvoll abläuft.
Mitteräcker: In diesem Zusammenhang ist das Löschen von Postings nicht unbedingt der Weisheit letzte Schluss. Viel wichtiger ist es, mit dem User in direkten Kontakt zu treten und ihm klar zu machen, dass eine Entgleisung stattgefunden hat. Nur so verhindert man eher die Wiederholung. Das ist wie gesagt sehr aufwändig. Und man wird auch bei uns da und dort noch Postings finden, die eine Entgleisung darstellen. Das muss man dann aber in Relation zu unserem Posting-Volumen sehen.

Ein Mann mit lockigem Haar und Brille lächelt in die Kamera.
Klarnamen bei Postings sind für den Standard kein Thema

Standard mit neuer Wochenend-Struktur

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