Rundfunkgebühr als Baustelle der Zukunft

Ein rot-weißes Firmenschild steht vor einem Gebäude, das mit Bauplanen verhüllt ist.
Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wird derzeit in fast ganz Europa neu verhandelt. Und dabei dürfte kein Stein auf dem anderen bleiben.

60 Jahre gibt es das Fernsehen in Österreich. Und fast genauso lange gibt es dieselbe ermüdende Diskussion.

Den permanenten Empörungs-Soundtrack rund um den ORF kennt man zur Genüge. Die Stichwörter: "Proporz-, Rot-, Regierungsfunk" (je nach politischer Gesinnung des Schimpfenden), "Zwangsgebühren".

Und so weiter.

Tief bis zum Knochen hat sich die Politik in den ORF verbissen; selbst um nur mittelwichtige Posten wird zäh gerungen, auf dass nur ja die richtige Farbe zum Zug kommt. Alle paar Jahre beteuert man dann blauäugig, den ORF nun zu "entpolitisieren", und meint damit nur, dass ein Intendant anderer Gesinnung eingesetzt wird.

Und die Wut nicht weniger Seher auf den öffentlich-rechtlichen Sender hat sich längst ins Irrationale gesteigert.

Doch in dieses ewige Zerren und Rangeln und Zetern mischen sich nun neue, überraschende Zwischentöne – nicht nur in Österreich: In ganz Europa stellt sich zunehmend die Frage, was öffentlich-rechtlicher Rundfunk überhaupt noch leisten soll. Und ob man die Aufgabe, Medieninhalte mit Mehrwert für die Gesellschaft zu erzeugen, nicht auf alle Medien aufteilen kann.

Die BBC, ARD, ZDF, das Schweizer SRG, der kurzfristig sogar abgedrehte griechische Rundfunksender – sie alle sehen sich (bzw. sahen sich noch vor Kurzem) im Zentrum heftiger Diskussionen. Dabei ging es in fast allen Fällen vordergründig um Gebühren: Der zunehmende TV-Konsum via Computer und Internet macht das alte System, bei Besitz eines TV-Gerätes Gebühren zu verlangen, hinfällig.

Verändertes Umfeld

Eigentlich aber geht es um viel mehr, um ein völlig verändertes Medienumfeld und die Digitalisierung. Und darum, ob es die öffentlich-rechtlichen Sender überhaupt noch braucht, um deren Aufgaben zu erfüllen.

Ein Beispiel: Die staatlichen TV-Stationen sollten nach dem Krieg den jungen oder noch mit den Kriegsfolgen kämpfenden Staaten eine Identität geben. Die Österreicher vom Boden- bis zum Neusiedler See sollten dasselbe Programm, dieselben Nachrichten, die gemeinsame Unterhaltung sehen und sich so als Einheit fühlen. Doch das ist zunehmend vorbei. Fernsehen wandert ins Internet ab. Waren die staatlichen Sender früher Monopole, sind sie nun auf dem besten Weg, nur ein Videodienstanbieter unter vielen zu werden. Durch die damit einhergehende Aufsplitterung ihres Publikums erfüllen sie diese Ursprungsaufgabe nicht mehr.

Auch könnte manchem Politiker demnächst dämmern, dass mit den mühsam erstrittenen Politbesetzungen das junge, politisch noch veränderliche Publikum ohnehin nicht mehr erreicht werden kann: TV-Besitz ist genauso out wie Autobesitz.

Längst übernehmen auch private Anbieter öffentlich-rechtliche Aufgaben. Oper, Politdiskussionen, Information, Massenunterhaltung sind hier auf ähnlich hohem Niveau zu bekommen.

Und so dreht sich die Diskussion: Nicht nur der Neos-Mediensprecher Niko Alm, sondern auch internationale Medienpolitiker überlegen, Gebühren künftig nicht mehr automatisch an den jeweiligen öffentlich-rechtlichen Sender zu überweisen. Sondern per Ausschreibung an all jene, die öffentlich-rechtliche Inhalte erschaffen, seien es Privatsender, Internetdienste, Zeitungen.

Dass zugleich das Gebührensystem reformbedürftig ist, gibt der Diskussion Dynamik. Eine Haushaltsabgabe (wo jeder Haushalt unabhängig vom TV-Besitz Gebühren zahlt) etwa kann gleich mit einer Reform der Verteilung verknüpft werden.

Und so könnte in ein paar Jahren doch noch der Moment kommen, an den man schon gar nicht mehr geglaubt hat: Es könnte sich etwas verändern beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Und zwar grundlegend.

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