Richard Grasl: "Wer ORF schaut, soll zahlen"

Ein Mann in einem dunklen Anzug lächelt in die Kamera.
Der ORF-Finanzchef über den Umzug nach St. Marx, Gebühren für die ORF-Online-Nutzung, die Wahlen und Frank Stronach.
KURIER: Das Mediaquarter St. Marx sorgt wieder für Schlagzeilen. Der Rechnungshof will dort prüfen, die Stadt lässt das nicht zu. Jetzt wird der Verfassungsgerichtshof bemüht. Wird es da nicht höchste Zeit für den ORF, dieses Kapitel ganz klar zu beenden, um nicht irgendwann in Mitleidenschaft gezogen zu werden?
Richard Grasl: Nach der Machbarkeitsstudie von Architekt Manfred Wehdorn spricht so gut wie alles für den Standort Küniglberg. Sie hat gezeigt, dass alles, was theoretisch an diesem Standort umgesetzt werden müsste, dort machbar ist. Der als nächster Schritt geplante Architektenwettbewerb könnte, wenn es schnell geht, noch heuer starten. Spätestens wird das Anfang 2014 aber der Fall sein. Es wird eine internationale Ausschreibung für den Neubau-Teil, so wir den Trimedialen Newsroom umsetzen, geben. Die Sanierung des Altbestandes wird ohne Wettbewerb durchgeführt. Was noch aussteht, ist die Entscheidung darüber, ob alle Unternehmensteile auf dem Küniglberg konsolidiert werden. Es sprechen gute Gründe dafür, es gibt Konzepte dazu, aber die Entscheidung steht noch aus.

Spannend für ein Geschäftsführungsmitglied des ORF ist der 29. September. Nach den Nationalratswahlen muss es ja eine Gesetzesreform geben. Das kann Änderungen bringen, die nicht nur für das Unternehmen relevant sind. Wie geht man damit um?
Man geht so damit um, dass man versuchen wird, während der dann laufenden Koalitionsgespräche die Themen, die für den ORF wichtig sind, entsprechend deutlich zu machen. Zum Einen ist das der Umstand, dass der ORF auch künftig finanziell stabil dasteht und zum Zweiten, dass wir im Bereich der neuen Medien und digitale Angebote modern präsent sein können. Das hören die Zeitungen nicht gern, weil das auch für sie wichtig ist. Aber es geht für ein Unternehmen, dass derzeit Fernsehen, Radio und Online anbietet, auch darum, in neuen Bereichen bestehen zu können. Die Rahmenbedingungen im Land müssen deshalb so sein, dass wir gemeinsam alle gegenüber jenen, die uns von außen angreifen, bestehen können. Diese Punkte sind für die Zukunft des Öffentlich-Rechtlichen enorm wichtig, und das müssen wir jenen, die in der nächsten Legislaturperiode die Entscheidungen fällen, klar machen.

Sie sprachen die Finanzen des ORF an. Ein Dauerthema dabei ist die Haushaltsabgabe.
Bei der künftigen Finanzierung des ORF ist für uns die Gebührenrefundierung prioritär, also, dass dem ORF ersetzt wird, was ihm durch die Gebührenbefreiung von sozial schwachen Haushalten entgeht. Das zweite ist, dass teilweise werbliche Beschränkungen im Digitalbereich den ORF hemmen und deshalb fallen sollen. Und dann geht es darum, dass wir auch deutlich machen müssen, dass jene Haushalte, die öffentlich-rechtliche Inhalte über Geräte, die keine Fernsehgeräte sind, konsumieren, also Computer, Tablets, Uhren und was sonst noch kommen wird, das auch bezahlen sollen. Wer ORF schaut, soll zahlen.

Bei den Streams hält die GIS ja schon recht hemmungslos die Hände auf und kassiert wenigstens Radio-Beiträge, auch wenn es dafür keine rechtliche Basis gibt.
Die GIS agiert nicht hemmungslos. Mir ist wichtig, dass dieser Aspekt aber in einem neuen ORF-Gesetz ganz klar geregelt ist. Hier gibt es Grauzonen aufgrund der technologischen Entwicklung, das gehört klargestellt.

Das wäre die Haushaltsabgabe durch die Hintertür.
Nein, gar nicht. Wer technisch nicht ORF-Inhalte schauen kann, soll auch nicht bezahlen. Wenn er das aber über ein anderes Gerät als den Fernseher macht, soll er von der Gebührenpflicht erfasst sein. Das nennt man auch Fairness. Was aber auch nicht sein sollte ist, dass die Mittel aus diesem Titel auch noch anderen als dem Öffentlich-Rechtlichen zu gute kommen. Das ist undenkbar. Der öffentlich-rechtliche Auftrag ist unteilbar...

...kein Privater dürfte einen Sender wie ORFeins betreiben...
... man greift bei dieser Debatte immer bewusst polemisch einzelne Punkte heraus. Der ORF ist in der Frage der Bewertung als Gesamtheit all seiner Kanäle und Plattformen zu sehen. Er hat als Teil seines öffentlich-rechtlichen Auftrags – neben dem Bildungs- und Kulturauftrag – auch den Unterhaltungsauftrag. Und diesen umfassenden Auftrag erfüllen wir. Aus unserer Sicht ist dieser Auftrag auch unteilbar. Es kann nicht sein, dass ein Privater wegen einer Doku–Leiste oder Wahlsendungen einen Teil des öffentlich-rechtlichen Gebührenkuchens fordert.

Die Forderung ist eine andere: Werbung den Privaten, Gebühren dem Öffentlich-Rechtlichen. Das wäre eine saubere Trennung.
Aber eine falsche! In Deutschland geht es doch um ganz andere Summenund Voraussetzungen. Dieses Modell wäre hierzulande nicht umsetzbar. In Deutschland liegt das Gebührenaufkommen bei etwa 7,5 Milliarden. Die Mischfinanzierung des ORF aus Gebühren und Werbung ist ja auch auf Grund der Kleinheit des Landes auch von der EU-Kommission akzeptiert worden. Und es ist nun mal ein Unterschied zwischen Privatsendern und dem ORF, selbst bei den Wahlsendungen...

...die sind mitunter bei Privaten lebhafter, frischer...
...aber die Zuseher wissen, dass sie bei uns seriös und kompetent sind. Wenn es stimmt, dass im Privat-TV den mitdiskutierenden Zusehern Fragen von der Redaktion aufgeschrieben werden, dann kann ich mich nur wundern. Gäbe es diese Vorwürfe gegen den ORF, gäbe es einen riesigen Aufschrei, und zwar zurecht.

Der ORF hätte ja auch die Möglichkeit zu sagen, unser Finanzbedarf ist höher und deshalb heben wir die Gebühren an.
Das ist nicht notwendig. Wenn man uns das gibt, was uns zusteht, ist keine Gebührenerhöhung notwendig.
Eine ORF-Gesetzesreform hat in der Vergangenheit auch schon dazu geführt, dass es Änderungen in der Geschäftsführung gab. In diesem Zusammenhang eine Frage, ist es korrekt, dass Direktoren, die vorzeitig abgelöst werden, nicht mehr die gesamte Vertragsdauer ausbezahlt bekommen?
Ich kenne keine Debatte darüber, dass die Geschäftsführung vorzeitig abgelöst werden soll. Es ist aber richtig, dass es keinen Passus gibt, wonach die gesamte Vertragslaufzeit ausbezahlt werden müsste.

Es liegt wohl auch für die Politik nahe, dass sie sich die Struktur der Geschäftsführung ansieht, wenn sich die auch die anderen Strukturen, wie jene von Publikums- und Stiftungsrat, ansehen muss. Und ein Alleingeschäftsführer ist in der Klasse der 900-Millionen-Unternehmen eher unüblich.
Wir sind, soweit ich das als Mitglied dieser Geschäftsführung selbst beurteilen darf, erfolgreich unterwegs. Wir schreiben zum vierten Mal in Folge schwarze Zahlen. Wir sind, im europäischen Vergleich, auch bei den Zusehern sehr erfolgreich. Ich sehe deshalb keinen Grund, diese Führung abzulösen.

Sehr unzufrieden mit dem ORF scheint Frank Stronach zu sein, geht man nach seinem Wahlprogramm. Er spricht von dort herrschender Ineffizienz, von einem Schuldenberg...
Da sollte sich Stronach für sein Team schämen, weil er ja mit den Werten Wahrheit und Wirtschaftskompetenz wirbt. Der ORF hat keine Schulden. Wenn er das behauptet, ist das weder wahr noch wirtschaftlich kompetent. Ein Anruf bei mir hätte genügt, um sich das von mir erklären zu lassen.
Wie schaut es nun tatsächlich aus mit dem ORF? Die jüngsten Quartalszahlen klangen ganz gut, zumindest was das Erreichen der Planzahlen betroffen hat.
Wir haben in den letzten Jahren und ganz besonders, was das Jahr 2013 betrifft, sehr gut gewirtschaftet. Wir haben die Kosten im Griff, wir haben auch einnahmenseitig eine positive Entwicklung, nämlich über Plan. Die finanzielle Herausforderung beginnt ganz klar nächstes Jahr aufgrund des Wegfalls der Gebührenrefundierung. Da hoffen wir weiterhin, dass wir nach den Wahlen die Politik noch überzeugen können, damit wir weiter insbesondere die österreichische Filmwirtschaft forcieren können. Die zweite Grund sind die sportlichen Großereignisse und der dritte ist die Entwicklung der Kosten insgesamt. Deshalb sind im Augenblick alle Bemühungen darauf gerichtet, dass wir ein ordentliches Budget für 2014 zustande bringen. Das schaut gut aus. Wir sind zwei Monate vor Abgabe des Budgets schon sehr weit. Das ist auch nur möglich, weil alle Teile im ORF im Rahmen eines sehr konstruktiven Dialogs, diese Sparbemühungen mittragen und -gestalten. Klar ist aber auch, wenn man durch den Wegfall der Gebührenrefundierung 40 Millionen weniger Einnahmen hat, dann kann man einfach nicht mehr so viel machen, wie zuvor. Aber es sind alle Bemühungen darauf gerichtet, dass es die Konsumenten möglichst nicht oder nur wenig merken.

Ist es durch den etwas positiveren Geschäftsgang möglich, mehr Geld ins Programm zu pumpen, als zuvor geplant war?
Wenn nächstes Jahr ein Teil der Einnahmen fehlt, muss man alle Ausgaben hinterfragen. In einigen Bereichen kann die Antwort aber dann trotzdem sein, dass man Geld umschichten muss. Das passiert etwa im Digital-Bereich jetzt mit der Wahl-App, aber auch bei programmlichen Überlegungen, die fürs kommende Jahr bestimmt sind. Das hat auch schon in den vergangenen Jahren funktioniert und es ist schön zu sehen, was da gelungen ist. Nur als Beispiel „Schnell ermittelt“, eine rein österreichische Serie, die vom ORF ab 2009 produziert wurde, wurde jetzt in die USA verkauft und es soll davon ein Remake produziert werden. Das ist eine Premiere: Erstmals kaufen nicht wir US-Serien, sondern es wird eine 100prozentige ORF-Auftragsproduktion ins Mutterland des Fernsehens verkauft, um sie dort neu zu drehen. Das ist ein Zeichen dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Trotzdem kürzt man relativ ungerührt bei den Eigenproduktionen, sollte es zur Umsetzung des sogenannten Plan B und den damit verbundenen Einsparungen kommen...
...aber in einem deutlich geringeren Ausmaß, als das durchschnittlich an Einsparungen notwendig ist. Um präzise zu sein: Wir haben im Bereich der Produktion von Filmen und Serien so gut wie keine Budgetkürzungen. Und wir sparen, trotz des Fehlens dieser 40 Millionen, auch nicht in der Information.

Wie sieht es bei diesen Plänen mit Einsparungen im Personalbereich aus?
Wir haben im Einsparungsprogramm auch Personalkosten-Reduktionen geplant. Wir werden in den nächsten Wochen die Gespräche mit der Belegschaftsvertretung darüber beginnen, wie es künftig im ORF aussehen soll. Ziel ist, dass wir bald einen neuen Kollektivvertrag abschließen können.

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