Rechts liegen gelassen

Wer hat sich dann doch aus der Deckung gewagt?
Unterberger: Der Geschäftsführer, der weisungsgebunden gegenüber dem Eigentümer ist, der Republik Österreich. Die wiederum wird durch den Bundeskanzler vertreten. Mit dem Geschäftsführer hatte ich übrigens ein korrektes Verhältnis. Aber: Bevor wir redeten war alles schon in den Zeitungen. Es ging also nur um die technischen Details, Ansprüche und Fortzahlung meines Gehalts bis zum Vertragsende mit 1. Mai 2010.
Unkultur, so etwas aus den Medien zu erfahren?
Unterberger: Ja, so ist es! Ich kann es nicht ändern. Der Mut zählt nicht gerade zu den obersten Tugenden der politischen Klasse.
Auch Medien-Staatssekretär Josef Ostermayer hat sich nicht gerührt?
Unterberger: Auch der nicht. Was mich besonders ärgert: Der hat nur Falschmeldungen über mich in diversen Zeitungen, wie etwa Heute, gestreut, aber kein einziges Mal den Kontakt gesucht.
Sie wären bereit gewesen ihren Vertrag zu erfüllen?
Unterberger: Ja, ich hätte gerne gearbeitet für das Geld, denn das kostet ja was. Über weitere Details darf ich aber nicht reden. Betriebsinterna.
Geht es bitte etwas genauer?
Unterberger: Ich nenne keine Namen. Aber es kann sich jeder ausrechnen wer gemeint ist.
Ging dieser 'Inseratensturm' an die Wiener Zeitung vorbei?
Unterberger: Wir haben praktisch nie was gekriegt. Zumindest im Fall der Stadt Wien haben mir Inseratenverkäufer berichtet, dass sie die Antwort erhielten, wenn der
Unterberger und der
Christian Mayr, unser Spitzenjournalist im Lokalbereich, so kritisch schreiben, gibt es nichts. Aber es gibt auch andere Beispiele: Das Finanzministerium schaltet zum plötzlichen Tod des Kabinettchefs von Staatsekretär Lopatka, Holger Fürst, eine Pate in fast allen Tageszeitungen. Bei uns nicht.
Hat es ein Vorbeben gegeben?
Unterberger: Es hat vor drei Jahren, wie die Gusenbauer-Garnitur ins Amt gekommen ist, drei Monate lang ein tägliches Trommelfeuer gegeben, da wurde die Faschismus-Keule ausgepackt. Aber das kam schlagartig zum Ende als
Gerfried Sperl, ohne das ich ihn kontaktierte, in einem Leitartikel schrieb, das sei eine Sauerei. Dann gab es den Versuch mich über einen sogenannten Herausgeber zu entmachten. Was aber, da ich über meinem Arbeitsvertrag abgesichert war, nicht funktionierte. Nur so viel: Ich habe keine Weisungen angenommen und hab' so a) der Redaktion den Rücken frei gehalten und b) bei den Lesern die Glaubwürdigkeit verteidigen können.
Was nehmen sie als Erfolg mit?
Unterberger: Die starke Zunahme im freien Verkauf, und ich würde jeden klagen der behauptet, die Auflage wäre zurückgegangen. Das gilt auch für die Abos. Leider darf ich genaue Ziffern nicht nennen. Aber worauf ich wirklich stolz bin: Dass in der Wiener Zeitung, mit Ihrer Tradition als Staatszeitung, zum ersten Mal und mit Erfolg, wie ich glaube, unabhängigen Qualitätsjournalismus stattgefunden hat.
Kann eine 'Staatszeitung' auf dem freien Markt überhaupt reüssieren?
Unterberger: Man kann über das Konzept einer Staatszeitung natürlich reden. Nur, da muss der Staat, da muss der Eigentümer das nutzen. Da muss der Bundeskanzler, was ja keiner je getan hat, den Chefredakteur zweimal in der Woche zu sich holen und dieser spielt dann das Organ. Doch die haben das immer links liegen gelassen und sind wenn, dann zur
Kronen Zeitung gegangen. Ich selbst hätte so ein Konzept nicht mitgemacht. Meines war eben anders: Unabhängigen Journalismus zu machen, in dem auch die Regierung kritisiert werden kann.
Das der Eigentümer nicht unbedingt kritisiert werden will ist aber auch klar?
Unterberger: Da bin ich voll bei Ihnen, aber da muss man die Problematik eines öffentlich-rechtlichen Eigentümers diskutieren. Die gleiche Argumentation kann man über den ORF führen. Darf, soll der
ORF die Regierung kritisieren oder nicht? Versteht er sich als Staatsrundfunk? Das hat ja nie funktioniert.
Ihrem Blatt drohte aber die größte Gefahr durch die
EU?
Unterberger: Vor gut einem Jahr war die Wiener Zeitung fast tot. Wenn es nach neuen, geplanten EU-Richtlinien gegangen wäre, die das Modell 'Amtsblätter' mit Pflichtveröffentlichungen abschaffen wollte. Das soll ja irgendwann das Internet übernehmen. Jedenfalls hat - ohne dass wir es wussten - das Justizministerium bereits fest über die Abwicklung verhandelt und das Bundeskanzleramt hat uns nicht einmal informiert. In dieser Situation habe ich in
Othmar Karas einen wunderbaren Verbündeten gefunden, der in Brüssel mit seinem gigantischen Netzwerk diese Richtlinie abwendete und Besserungsvorschläge auf den Weg brachte. Auch das rechne ich mir an.
Was hätten sie noch gerne umgesetzt?
Unterberger: Die Wiener Zeitung auch am Montag auf den Markt zu bringen. Finanziell leider nicht zu machen. Aber das Allerwichtigste: In Wahrheit müsste man das Blatt Schritt für Schritt aus dem Staatseigentum lösen, zumindest in eine Stiftung hinein. Dann könnte man, wie beim
ORF, auch dem Geschäftsführer keine Weisung erteilen. Natürlich muss sich die Zeitung dann im freien Wettbewerb beweisen. Ein mutiger Schritt, aber man könnte dem Blatt fünf bis acht Jahre lang Begleitschutz geben, und zwar durch die befristete Beibehaltung der Pflichververöffentlichungen. Denn natürlich lebt die Wiener Zeitung in großem Ausmaß davon.
Was machen Sie jetzt, als Chefredakteur a.D.?
Unterberger: Ich habe in zwei Tagen meine Homepage aus dem Boden gestampft und schreibe dort mein, aus der Wiener Zeitung bekanntes "nicht ganz unpolitisches Tagebuch". Ich spiele wirklich mit dem Gedanken im Internet dem ideologisch sehr einheitlichen Medienbrei eine wertkonservative, wirtschaftsliberale Stimme entgegenzusetzen. Für die gelte ich nun einmal und zu der bekenne ich mich.
atmedia.at/
Franz Prassl
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