Reaktionen auf den Tod von Gerd Bacher: "Hat immer den Widerspruch herausgefordert"

20 Jahre lang stand Gerd Bacher an der Spitze des ORF. Am Samstag verstarb "der Tiger" - den Spitznamen verpasste ihm der Karikaturist Gustav "Ironimus" Peichl nach seiner ersten Wahl zum ORF-Chef 1967 - im Alter von 89 Jahren.
Kollegen und Wegbegleiter erinnern sich.
Hugo Portisch: Ex-KURIER-Chefredakteur und jahrzehntelang ORF-Chefkommentator
"Ihm gelang die Informationsrevolution"
Niemand hat den Rundfunk und das Fernsehen so modernisiert wie er. Er war der Einfallsreichste in der Programmierung, der Stärkste in der Umsetzung und der Talentierteste, Talente zu entdecken – von Kreuzer bis Gatterer, von Heller bis Hochner. Ihm gelang die Informationsrevolution – praktisch über Nacht wurde der ORF zu einer international ge- und beachteten Institution.
Peter Rabl: 1980-88 ORF-Sendungsleiter von "Politik am Freitag", Ex-KURIER-Chefredakteur
"Der ORF ist sein Geschöpf"
Schon wieder ist ein großer Mann gegangen ... Gerd Bacher war mir für ein paar Jahre ein toller Chef und über zweieinhalb Jahrzehnte hin ein toller Schwiegervater. Er war oft brillant in seinem gerechten Zorn, sogar in seinem gelegentlich ungerechten Zorn ... Eine absolut außergewöhnliche, herausragende Persönlichkeit. Seine historische Bedeutung ist in drei Buchstaben erzählt: ORF. Der ORF ist sein Geschöpf. Alles, wovon das Unternehmen heute noch zehrt, alles, was es heute noch bedeutet, verdankt es Gerd Bacher.
Roland Adrowitzer: Chefreporter der Zeit im Bild
"Unvergessliche Eindrücke von diesem großen, schwierigen Mann bleiben"
Gerd Bacher ist tot. Diese APA - Eiltmeldung auf dem Handy heute früh kam wie ein Schock. Gewusst haben wir es seit langem, es geht ihm nicht gut. Dennoch löst die Nachricht vom unausbleiblichem Ende dieses außergewöhnlichen Lebens tiefe Betroffenheit und Trauer aus.
Ich war einer seiner vielen Büroleiter, unvergessliche Eindrücke von diesem großen, schwierigen Mann bleiben. Zwei seiner Sprüche habe ich verinnerlicht: Mir ist ein Haifischbecken lieber als ein Goldfischglasl, und "ich habe mich bemüht", ist die Ausrede der Versager.
Vor zwei Jahren habe ich ihn über einen seiner großen Lebensmenschen, Helmut Kohl, interviewt. Kohl ging es damals schon schlecht, Bacher noch gut. Jetzt hat Helmut Kohl seinen einstigen Medienberater und Freund überlebt.
Mein viel zu früh verstorbener Vater Alfred Adrowitzer, ein großer Journalist der Salzburger Nachkriegszeit, war Gerd Bachers erster Chef bei der Salzburger Volkszeitung. Er war zeitlebens stolz auf die Karriere und Freundschaft seines ehemaligen Schülers Gerd Bacher. Zu meiner Geburt schickte Bacher meiner Mutter ein Telegramm mit dem für ihn typischen Text: "Gratuliere. Für den Vater kann das arme Kind ja nichts". Ich habe ihm das Telegramm zum 80. Geburtstag geschenkt, der 90. war ihm nicht mehr vergönnt. Mein Vater wäre heute 99 Jahre alt geworden, an seinem Geburtstag ist Gerd Bacher gestorben. Ich bin traurig.
Peter Turrini: Schriftsteller
"Ich habe mich immer gerne mit Bacher gestritten"
Gerd Bacher und ich haben immer wieder Sträuße miteinander ausgefochten. Das begann in den frühen 70er-Jahren. Wilhelm Pevny und ich erhielten vom ORF den Auftrag, ein realistisches Fernsehspiel zu schreiben. Bacher hat sich als Generalintendant unentwegt in alles eingemischt. Er war komplett gegen die „Alpensaga“. Er sagte, er wolle nicht das linke G’sindel in seinem ORF haben. Ich antwortete ihm, es sei nicht sein ORF. Die Auseinandersetzung begann mit rüden Worten, endete aber friedlich. Später verteidigte er sogar die „Alpensaga“. Diese Serie wurde eine Ikone der österreichischen Fernsehgeschichte – und ein Verkaufsschlager. Ich habe mich immer gerne mit Bacher gestritten. Denn er war generell einer anderen Meinung. Aber man lernt am meisten von Menschen, die eine andere Meinung haben – und diese auch vehement vertreten. Vor zwei Jahren hat er mich mit seiner Frau in Retz besucht. Wir unternahmen einen Spaziergang. Dabei rekapitulierten wir noch einmal unseren Streit von einst. Und Bacher kokettierte mit allen Kellnerinnen. Es war ein besonders netter Tag.
Alexander Wrabetz: Generaldirektor des öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunks
"Hat Liebe zum ORF vorgelebt"
Der Tod Gerd Bachers hat mich - und sicherlich auch sehr viele ORF-Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen - sehr betroffen gemacht. In den insgesamt zwei Jahrzehnten an der Spitze des Unternehmens hat Gerd Bacher nicht nur die Unabhängigkeit des ORF und die hohe journalistische und programmliche Kompetenz, sondern auch das große internationale Renommee des ORF begründet und stetig weiterentwickelt. Generationen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat Gerd Bacher nicht nur höchste Professionalität und Engagement, sondern auch die Liebe zum ORF gelehrt und vorgelebt. Der ORF verliert mit Gerd Bacher eine seiner prägenden Persönlichkeiten!
Kathi Zechner: ORF-Fernsehdirektorin
"Medienmacher durch und durch"
Gerd Bachers erfülltes und prägendes Leben für die österreichische Medienlandschaft, den ORF und seine Familie trösten über seinen Tod hinweg. Gerd Bacher war Medienmacher durch und durch. Als Mensch mit Haltung ist er Vorbild für viele seiner Zunft, sein visionäres Handeln hat bis heute Gewicht und wird uns noch lange begleiten. Danke Gerd Bacher für alles, was Du getan hast und uns hinterlässt. Denn Dein Tun lebt in denen fort, die Du geprägt hast. Meine tiefe Anteilnahme gilt seiner Familie.
Wolfgang Lorenz: 1969–2011beim ORF (u.a. Art Director, Landesintendant, Programmdirektor)
"Der ORF ruht heute noch auf seinem Lebenswerk"
Deprimierend, sich Österreich und unser Leben künftig ohne Gerd Bacher vorstellen zu müssen. Er war zweifelsfrei ein Gigant unserer erlebten Geschichte, ohne Beispiel in der Medienwelt. Er hatte nie einen Job, seinen Beruf verstand er stets als Berufung, zum Aufrechtgang des Tieres Mensch beizutragen. Und zu seiner Mündigkeit in einer immer verantwortungsloser mit Gesellschaft umgehenden Politik. Er hatte nie Nachfolger. Der ORF ruht heute noch auf seinem Lebenswerk. Das Haus ORF bleibt, auch wenn sein Architekt jetzt für immer ausgezogen ist.
Monika Lindner: 2002 - 2005 ORF Generalintendantin
"Ein ORF-Chef mit allem, was dazu gehört"
Gerd Bacher war für mich eine Ikone – obwohl ich wusste, dass er nicht mit allem, was ich als Generaldirektorin tat, einverstanden war. Er hat sich oft sehr hart, sehr kritisch über meine Arbeit geäußert, aber es wäre mir nie eingefallen, das persönlich zu nehmen. Er war eine entschlossene, emotionelle Persönlichkeit, ein leidenschaftlicher Generaldirektor, der kein Problem damit hatte zu sagen, wenn ihm etwas nicht gefiel, sich aber auch entschuldigen konnte. Ein ORF-Chef mit allem, was dazu gehört. Als Journalist ein Vorbild, als Redner ein unvergleichlich pointierter Formulierer. Ich habe Gerd Bacher vor wenigen Monaten zum letzten Mal gesehen – er hatte sich bis zuletzt das Blitzen in seinen wachen Augen bewahrt.
Gerhard Zeiler: 1986–1990 ORF-Generalsekretär und 1994–1998 ORF-Generalintendant
"Ein großes Vorbild"
Ein ganz Großer und ein ganz großer Österreicher. Es ließ sich trefflich mit ihm streiten, denn er hatte immer eine Meinung, respektierte aber auch das Gegenteil davon. Das faszinierte vor allem die Literaten und die Künstler – von Heller bis Turrini. Bacher glaubte mit unendlicher Verve an Qualität, auch aus anderen weltanschaulichen Lagern. Bacher war ein großes Vorbild.
Karl Schranz: Ski-Legende
" Dass sich viele auch vor ihm fürchteten, ist mir klar"
Was für ein blitzgescheiter Mensch – der beste Rhetoriker, den ich je kennenlernte. Ich weiß, wovon ich rede, denn er hielt alle Reden für mich – zu jedem Geburtstag, sogar zur Hochzeit. Wir haben am selben Tag Geburtstag. Er war als Ski-Fanatiker Dutzende Male bei mir am Arlberg. Dass sich viele auch vor ihm fürchteten, ist mir klar: Vor intelligenten Menschen fürchtet man sich halt.
Kurt Bergmann: 1968-1976 und 1990-2006 in div. Spitzenpositionen beim ORF: Pressesprecher, Generalsekretär, Landesintendant (NÖ, Steiermark).
"Ohne Bachers Standfestigkeit wäre der ORF wohl – als das Monopol fiel – der Zerstückelung anheimgefallen"
Bacher galt als Diktator, aber in Wahrheit hatte er allen gegenüber, die ihm NICHT widersprachen, ein tiefes Misstrauen. Wer ihm aus Kalkül nicht die Stirn bot, der purzelte bald von der Karriereleiter. Sein historisches Verdienst ist es, einen ORF aufgebaut zu haben, auf den ALLE Mitarbeiter stolz waren. Er erkannte die Wichtigkeit der Regionalisierung des ORF, für ihn waren Föderalismus und die Öffnung zu unseren Nachbarn hinter dem Eisernen Vorhang eine Selbstverständlichkeit. Seine Machtkämpfe mit Bruno Kreisky spielten sich auf höchstem intellektuellen Niveau ab – beide mochten und respektierten einander, wiewohl es ihnen sehr wichtig war, dass der jeweils andere nicht die Nase vorne hatte. Ohne Bachers Standfestigkeit wäre der ORF wohl – als das Monopol fiel – der Zerstückelung anheimgefallen. Das ist und bleibt seine größte und medienpolitisch immens bedeutende Tat.
Gerhard Weis: 1967-2001 beim ORF (Pressesprecher, Landesintendant Wien, Hörfunkintendant, Generalsekretär, Generalintendant)
"Er stutzte das Diktat der Parteien"
Gerd Bachers Lebensleistung ist sein unermüdliches Engagement für die Freiheit der Berichterstattung. Dieser Einsatz diente nicht nur der Unabhängigkeit des ORF, sondern auch der aller anderen Medien des Landes. Er stutzte das Diktat der Parteien. Als ich als Reporter begann, wurden mir noch die Interview-Fragen von den Politikern selbst auf einem Zettel überreicht. Er war ein strammer Rechter, aber sein Credo lautete: „Die Konformisten bringen’s nicht, nur die Nonkonformisten.“ So konnten Heller, Hochner, Turrini und letztlich auch ich, als von ihm gern verspotteter „Linkskatholik“, so manches im ORF sein und werden.
Rudi Klausnitzer: Radio-Veteran, Medienmanager und von 1972 bis 1974 war persönlicher Referent des ORF-Generalintendanten Bacher.
Ein erklärter Feind des österreichischen "is eh net so schlecht"
"Gerd Bacher nannte sich selbst mal "einen heimatlosen Konservativen". Er war ein Mensch, der sich nicht vereinnahmen ließ, aber für vieles zu begeistern war. Er bildete sich stets seine eigene Meinung und vertrat sie, oft auch sehr vehement. Aber er war auch immer bereit sich durch gute Argumente vom Gegenteil überzeugen zu lassen. Stets offen und allem Neuen aufgeschlossen, stellte er sich und suchte auch selbst jede intellektuelle Auseinandersetzung. Er war jemand, der bedingungslos Qualität forderte und das von allen - am meisten aber von sich selbst, ein erklärter Feind des österreichischen "is eh net so schlecht".
Als ich ihn einmal bei einer Entscheidung hinwies, dass wir uns darauf einstellen müssen, dass dies medial nicht so gut rüberkommen wird, meinte er "das mag schon sein, aber wir sind nicht als Beliebtheitsmannequins engagiert".
Gerd Bacher war ein leidenschaftlicher Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, seiner Unabhängigkeit und seiner gesellschaftlichen Verantwortung. Er lenkte und leitete den ORF auf seinem Weg vom Monopolisten zum Marktführer und hatte dabei immer genau diese gesellschaftliche Verantwortung als oberste Leitlinie. Der österreichische Rundfunk war seine Lebensaufgabe, er gab diesem Unternehmen Grösse, Selbstverständnis und auch Selbstbewusstsein.
Er war Mr. ORF.
Gerd Bacher war mit Vielen befreundet, aber mit niemanden "verhabert". Und an seine Freunde stellte er stets noch größere Anforderungen als an alle anderen. Ich verdanke Gerd Bacher sehr viel. Er hat mich - so wie alle seine Mitarbeiter- gefordert, gefördert und wie kein anderer Mensch auch geformt. Gerd Bacher hatte Charisma, Haltung, Mut und Weitblick. Er hinterlässt viele Spuren, die nicht mehr verwischbar sind. Er bleibt in unseren Köpfen und in unseren Herzen!"
Johannes Kunz: 1986-94 ORF-Informationsintendant
"Hat immer den Widerspruch herausgefordert"
Gerd Bacher war mehr als ein großer Medienmanager, er war eine Figur der Zeitgeschichte. Er hat den modernen ORF „errichtet“, so wie er das ORF-Zentrum am Küniglberg erbauen ließ. Sein großes Vorbild war die BBC, getreu dem Motto „Qualitätsprogramm statt Quotenpopulismus“. Er ist zeitlebens keinem Konflikt aus dem Weg gegangen, seine Auseinandersetzungen mit Bruno Kreisky sind legendär. Bacher hatte Ecken und Kanten, aber ohne seinen Sturschädel gäbe es den ORF vielleicht gar nicht mehr. Er selbst hat sich als „heimatlosen Rechten“ beschrieben, in Wahrheit war er Weltbürger, Europäer und Patriot. Er kam aus der „Provinz“ (Salzburg), um in Wien dem ORF den Provinzialismus und den Proporz auszutreiben. Er hat immer den Widerspruch herausgefordert. Lakaien und Hofschranzen hat er nie geschätzt. Im Gegensatz zu vielen seiner Nachfolger hat er angepackt, zugepackt und verwirklicht.
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