ORF-Sondersitzung: Viel Lärm um die ORF-Zukunft

at // Drei Stunden und 22 Redner bedurfte es in der von den Oppositionsparteien "erzwungenen" Sondersitzung des Nationalrats zum ORF. Drei Stunden in denen sich die Abgeordneten unausgesprochen einig waren, dass die Knochenarbeit für und im ORF anderen überlassen werden wird. Es wurde zwar das Missfallen mit den Entwicklungen und Ergebnissen des öffentlich-rechtlichen Auftrages sowie dessen Qualität bekundet. Aber selbst ein schemenhafter Entwurf eines modernen, zukunftsfähigen öffentlich-rechtlichen Auftrag war nur schwer zu erkennen. atmedia.at
Finger weg vom Leitmedium

Jene Abgeordnete, die nach Wissenschaftsminister Johannes Hahn an der Reihe waren, ließen Kernfragen unberührt. Der SPÖ-Abgeordnete Peter Wittmann hinterfragte die ORF-Finanzierung durch Veranlagung an Finanz- und Kapitalmärkten. "Die sollte nicht sein!", meint Wittmann. Er tendiert zu einem gebührenfinanzierten ORF. Wittmann: "Dann soll man ihn so finanzieren wie die BBC, ZDF, ARD oder das Schweizer SRG mit einer Gebührenquote von bis zu 84 Prozent." ÖVP-Kultursprecherin Silvia Fuhrmann macht sich vorrangig Sorgen um Auswirkungen, die der ORF derzeit auf die Kulturschaffenden und das kulturelle Leben in Österreich hat. "Um die Unabhängigkeit des ORF mache ich mir, da sie ja funktioniert, weniger Sorgen", sagte sie. Gegen die Gebühren-Erhöhung ist BZÖ-Obmann Herbert Scheibner. "Finger weg von den Geldbörsen der Österreicher", warnt er. Dieter Brosz, ORF-Sprecher der Grünen, prangerte die Medienpolitik von Bundeskanzler Werner Faymann an. Er verweist auf die Werbeinvestitionen des Infrastrukturministeriums - 6,2 Millionen Euro 2008 - und erklärte wortwörtlich, dass Faymann "subtile Medienbeeinflussung betreibe". Brosz hält diese für "bedenklich". Der FPÖ-Abgeordnete Harald Vilimsky zaubert für seine Proporz-Kritik an Kanzler Faymann "Onkel Haus" aus dem Hut und meint, "dass ein Anruf bei ihm den ORF nicht wird retten können". Der BZÖ-Abgeordnete Gerald Grosz ortet den Bedarf "an Journalisten und eines ORF, die die Probleme der Menschen wahrnehmen und keinen Kniefall vor den Parteizentralen der Regierungsparteien machen". Grosz ergänzt: "Der ORF ist kein selbstgefälliger Selbstbedienungsladen."

ÖVP kaum präsent

Alle politischen Kontrahenten bekannten sich zu einem starken ORF und meinten natürlich eine spezifische, eigennützige Stärke. Die Oppositionsparteien forderten die Unabhängigkeit des Rundfunkers ein und zerlegten alle Anzeichen der Machteingriffe der Regierung. Die SPÖ-Abgeordnete Christine Lapp pariert die Angriffe der Opposition mit dem Hinweis, dass sie "die Diskussion aus der Benachteiligung der Parteien in medienpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten und im ORF begründet sieht".
Atmosphärisch augenfällig war das sukzessive Verschwinden von ÖVP-Abgeordneten. Neben Faymann und Ostermayer war Wissenschaftsminister Hahn der einzige VP-Regierungsvertreter im Plenum. Auch Hahn verließ nach seiner Rede den Sitzungssaal. Faymann und Ostermayer saßen die Debatte aus. Ist dies ein Beleg für den Köpfetausch? Den ORF-Generaldirektor bestellt die SPÖ und den EU-Kommissar die ÖVP. Die heutige Debatte machte diese Aufteilung sehr deutlich sichtbar.

ORF.at

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