Opernabend im ORF: "Fidelio" aus Salzburg

Vorsicht beim schnellen Vorbeizappen: Es ist nicht die x-te Wiederholung von "Matrix", was heute (20.15 Uhr) in ORF 2 läuft, auch wenn die Optik manchmal ein wenig daran erinnert. Sondern eine Oper, bei der es sich lohnt, dabeizubleiben: Gezeigt wird die starbesetzte heurige "Fidelio"-Produktion der Salzburger Festspiele.
Und die wirft ein neues Licht auf Beethovens einzige Oper: Der Freiheitstaumel, in dem die Geschichte endet, wird als Illusion entlarvt.
Der jahrelang eingesperrte und gefolterte Florestan findet nicht mehr zurück in die "reale" Welt – und schon gar nicht ins Happy End der Rettung durch Leonore.
Worum geht es?
Leonore ist die eigentliche Hauptfigur der Oper, einer sogenannten "Befreiungsoper" (womit klar ist, worum es geht). Sie sucht – als Mann namens Fidelio verkleidet – ihren unrechtmäßig eingesperrten Gatten Florestan.
Dazu schleicht sie sich bei Don Pizarro ein und erfährt, dass ein Gefangener vor der Ankunft des Ministers, der den Kerker untersuchen will, getötet werden soll. Im letzten Moment gelingt es ihr, Florestan zu befreien.

Die radikale, vom Premierenpublikum abgelehnte Interpretation von Regisseur Claus Guth, dass diese Befreiung nicht real sei, ist schlüssig: Beethoven quälte sich mit dem Werk ab, letztlich blieben viele Brüche und inhaltliche Problemstellen über. Guth schafft es, viele davon aufzulösen – und dabei eine Brücke ins Heute zu schlagen: Denn auch 200 Jahre nach dem Entstehen der Oper sind Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und die Liebe – die Grundthemen der Oper – "noch eine Vision", wie Dirigent Franz Welser-Möst betonte. Die von ihm geleitete musikalische Interpretation durch die Wiener Philharmoniker erntete bei der Premiere einhelligen Jubel.
Als Florestan glänzt Startenor Jonas Kaufmann.
Der ORF überträgt die Produktion mit elf Kameras. Bildregisseur Michael Beyer, der einst bei Guth Regieassistent war, bereitet den Abend bereits seit Monaten vor.
Für ORF-General Alexander Wrabetz ist die Übertragung Teil des Jubiläumsjahres 2015, in dem u. a. auch 60 Jahre Fernsehen in Österreich gefeiert wird: Die erste Opernliveübertragung war 1955 "Fidelio" aus der wiedereröffneten Staatsoper.
Zwei Fragen, die sich der TV-Zuseher stellen kann, lassen sich schon vorab beantworten: Es gibt zwei hinzuerfundene Figuren. Sowohl Leonore (gesungen von Adrianne Pieczonka) als auch Pizarro (Tomasz Konieczny) haben "Schatten". Jener von Leonore übersetzt die Handlung in Gebärdensprache – für Claus Guth eine "Sprache in der Stille" und nicht zuletzt auch ein Hinweis auf Beethovens Gehörlosigkeit.
Drei Gründe, einzuschalten: Tenor Jonas Kaufmann brilliert als Florestan; die Wiener Philharmoniker sind in Hochform; und Regisseur Claus Guth liefert eine kontroversielle Interpretation.
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